Die Europäische Privatgesellschaft (SPE) soll nach dem Willen der EU-Kommission eine neue europäische Rechtsform für kleinere Unternehmen darstellen, eine Art Europa-GmbH. Der vorliegende Entwurf für eine SPE-Verordnung hat jedoch schwerwiegende Defizite, insbesondere bei der Mitbestimmung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Darauf weist Dr. Roland Köstler hin, Experte für Corporate Governance in der Hans-Böckler-Stiftung. "Diesen Entwurf muss man wegen seiner Mängel derzeit als Ganzes ablehnen", sagt der Unternehmensrechtler im Interview mit dem Magazin Mitbestimmung.
Die Schwächen wiegen nach Köstlers Einschätzung um so schwerer, da es im Unternehmensrecht keine Lücke gebe, die nur durch die SPE zu schließen sei: Für Kleinunternehmen sei die Umwandlung in eine SPE viel zu aufwendig und daher eher unattraktiv. Zudem könnten deutsche GmbHs seit der Modernisierung des GmbH-Rechts unkompliziert in Europa agieren und auch ihren Verwaltungssitz ins Ausland verlegen, erklärt der Experte. Statt für kleine und mittlere Unternehmen, wie von der EU-Kommission eigentlich beabsichtigt, sei die neue Rechtsform gerade für Konzerne interessant, die auch tatsächlich in mehreren Ländern Arbeitnehmer beschäftigten. Diesen Unternehmen stehe aber längst die Rechtsform der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) zur Verfügung - inklusive praktikabler Regelungen zur Mitbestimmung.
Die Mitbestimmungsregeln im jetzigen Verordnungsentwurf zur Europäischen Privatgesellschaft seien hingegen "völlig unzureichend", warnt Köstler. So könne ein Unternehmer an jedem Ort der EU mit einem symbolischen Kapitaleinsatz von einem Euro eine SPE gründen. Andererseits verweise der Entwurf bei der Unternehmensmitbestimmung pauschal auf das jeweilige nationale Recht, welches sich deutlich unterscheidet: Viele europäische Staaten haben Mitbestimmungsgesetze, bei denen die Beschäftigungsschwellen, ab denen Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsgremien mitentscheiden können, variieren. In Schweden sind etwa Unternehmen ab 25 Beschäftigten mitbestimmt, in Dänemark ab 35 und in Deutschland ab 500. Einige Länder schreiben hingegen keine Mitbestimmung vor.
Mit der SPE sei nun folgendes möglich, so Unternehmensrechtler Köstler: Ein Unternehmer könne seinen - rein formalen - "Satzungssitz in einem Land haben, in dem es keine Mitbestimmung für private Unternehmen gibt, aber später zum Beispiel 1000 Mitarbeiter in Deutschland beschäftigen" - ohne Mitbestimmung. Für den Fall, dass ein Unternehmen seinen Satzungssitz verlegt, sei zwar ab einer bestimmten Grenze vorgesehen, dass Arbeitnehmervertreter und Unternehmen über die Mitbestimmung verhandeln. Doch diese Vorschrift sei leicht zu umgehen, kritisiert Köstler.
Angesichts der gravierenden Defizite sieht der Jurist die Bundesregierung in der Pflicht. Sie müsse gegenüber der EU-Kommission erklären, "dass es beim jetzigen Entwurf nicht bleiben kann." Auch für die Neugründung einer Europäischen Privatgesellschaft müsse es "ein spezifisches Mitbestimmungsmodell" geben, sagt der Experte. Als Orientierungsmöglichkeit nennt Köstler die Rechtsform der Europäischen Genossenschaft. "Dort ist zum Beispiel ab 50 Beschäftigten, die in mindestens zwei Mitgliedsstaaten beschäftigt sind, über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer wie bei der SE zu verhandeln."
http://www.boeckler.de/320_93191.html - PM mit Ansprechpartnern
http://www.boeckler.de/107_93134.html - Das Interview im Magazin Mitbestimmung
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