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19.11.2008 21:22

"Renaissance der Kernkraft?" -- Ahrtalgespräch der Förderer der Europäischen Akademie

Friederike Wütscher Redaktion und Öffentlichkeitsarbeit
Europäische Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen Bad Neuenahr-Ahrweiler GmbH

    Bad Neuenahr-Ahrweiler, 19. November 2008. - Woher wird in Zukunft unsere Energie kommen? Hat die Kernkraft ausgedient? Oder kann sie helfen, den Treibhauseffekt zu vermindern? Inwiefern beeinflusst sie die politische Sicherheit im In- und Ausland?

    Zu diesen und weiteren Fragen verfolgten am Mittwochabend die Anwesenden beim "Ahrtalgespräch" (durchgeführt vom Verein der Förderer der Europäischen Akademie und der Stadt Bad Neuenahr-Ahrweiler) eine spannende Diskussion zum Thema "Renaissance der Kernkraft?". Strahlenbiologe Professor Dr. Dr. h.c. Christian Streffer und Volkswirt Professor Dr. Thomas Ziesemer diskutierten unter der Leitung von Professor Dr. Dr. h.c. Carl Friedrich Gethmann, Direktor der Europäischen Akademie GmbH, kontrovers: Während Streffer die Kernkraftnutzung als unvermeidlich ansieht, weil nur mit ihr die Energieversorgung in einem "Energiemix" mit fossilen Brennstoffen und Erneuerbaren Energien in den nächsten Jahrzehnten sicherzustellen sei, ist Ziesemer gegenüber einer vorbehaltlosen Nutzung von Atomkraft eher kritisch eingestellt. Damit wurde im diesjährigen Ahrtalgespräch, das im Rathaussaal von Bad Neuenahr-Ahrweiler stattfand, abermals eine aktuelle Debatte aufgegriffen.
    Strahlenbiologe Streffer vom Universitätsklinikum Essen schätzt mögliche Unfallrisiken zumindest im westlichen Europa als gering ein; darüber hinaus sieht er eine weltweite Renaissance der Kernkraft (Deutschland möglicherweise ausgenommen): Derzeit gebe es mehr als 400 Kernkraftwerke weltweit, zudem würden aktuell 40 neue gebaut und weitere 40 seien in Planung. Diese Kraftwerke setzten zwar geringe Mengen an radioaktiven Stoffen, jedoch kein CO2 frei, so Streffer. Unter Beteiligung aller großen Industriestaaten (außer Deutschland) und den Schwellenländern China, Indien und Brasilien werde derzeit an einem neuen Reaktortyp mit verbesserter Sicherheit gearbeitet. In China würden erste Hochtemperaturreaktoren mit "geringem Unfallrisiko" gebaut. Vor allem im asiatischen Raum, aber auch in Nord- und Südamerika, setze man weiter auf Kernkraft. Allerdings müsse die Endlagerung radioaktiver Stoffe bald gelöst werden, so Streffer.
    Den Äußerungen von Streffer setzte der Volkswirt Ziesemer vom Economic Research Institute of Innovation and Technology der Universität Maastricht vor allem ökonomische Argumente und ungeklärte Fragen zu Kosten und Sicherheit entgegen. Derzeit könne nicht von einer kostengünstigeren Nutzung der modernen Hochtemperatur-Reaktoren ausgegangen werden, da sich deren Entwicklung noch immer im Forschungsstadium befände. Außerdem hätten die Versicherungen die Versicherbarkeit der Reaktoren der dritten und vierten Generation noch nicht erklärt. Das geringe Interesse der Versicherungswirtschaft am potentiellen Geschäftsbereich "Kernenergie" belege unter anderem auch die Sorge vor hohen Unfallrisiken. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit eines atomaren Unfalls gering sei, wären eventuell auftretende Schadensgrößen der dritten Reaktor-Generation nicht bezahlbar. Der Volkswirt wies auch auf die Gefahr des Terrorismus und damit auf die politische Sicherheitslage im Zusammenhang mit der Nutzung von Atomkraft hin. Laut Ziesemer liegt die Chance derzeit im Bau von Gaskraftwerken. Verantwortliche aus Politik und Wirtschaft müssten auch kontinuierlich in neue Technologien in den Bereichen Biomasse, Wasserkraft, Sonnen- und Windenergie sowie Erdwärme investieren.
    Gethmann führte zum Abschluss durch eine angeregte Diskussion mit dem Publikum, bei der das Pro und Contra zur Kernkraft noch ausführlich debattiert wurden.

    Referenten:

    Professor Dr. Dr. h.c. Christian Streffer (Med. Strahlenbiologie)
    o 1954-1959 Studium der Chemie an mehreren deutschen Universitäten
    o 1963 Tätigkeit am Department of Biochemistry an der Universität Oxford, England
    o 1972-1974 Wiss. Rat und Professor am Radiolog. Institut der Universität Freiburg
    o 1974-1999 Professor f. Med. Strahlenbiologie, Direktor des Instituts am Universitätsklinikum Essen
    o 1985 Gastprofessor an der Universität Rochester, NY, USA
    o 2000 Gastprofessor an der Universität Kyoto, Japan
    o 1980-2006 Mitglied der United Nations Scientific Committee of Atomic Radiation; 2001-2006 Leiter der Deutschen Delegation bei UNSCEAR
    o 1984-1985 und 1993-1995 Vorsitzender der Deutschen Strahlenschutzkommission
    o 1993-2007 Mitglied von Kommitteen der International Commission on Radiological Protection (ICRP); 2001-2007 Mitglied der Main Commission
    o Hauptarbeitsgebiete: Experimentelle Arbeiten in der Strahlenbiologie: Entwicklung der Maus in utero, Schädigung der Chromosomen bei Maus und Mensch, Reparaturvorgänge und Zell-Proliferation, Entwicklung einer genomischen Instabilität bei Maus und Mensch

    Professor Dr. Thomas Ziesemer (Volkswirtschaftslehre)
    o Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Maastricht, Niederlande
    o Studium der Volkswirtschaftslehre in Kiel und Regensburg
    o 1989-1994 Assistenzprofessor für Internationale Wirtschaftsbeziehungen in Maastricht
    o 1994-1996 Assistenzprofessor für Mikroökonomie
    o 2001-2006 Leitung der Abteilung Makroökonomie am Maastrichter Wirtschaftsforschungsinstitut für Innovation und Technologie (MERIT)
    o 2006-2007 Koordination des Programms "The Role of Technology in Growth and Development" am UNU-MERIT (United Nations University)
    o 'Fellow' bei METEOR (Maastricht Research School of Economics of Technology and Organizations); 'fellow' und Vorstandsmitglied beim "Netherlands Network of Economics"
    o Hauptarbeitsgebiete: Wirtschaft der Entwicklungsländer, Internationale Wirtschaftsbeziehungen, Umweltökonomie, Wachstum, technologischer Wandel
    o weitere Informationen: http://www.merit.unu.edu/about/profile.php?id=58&stage=2


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Energie, Philosophie / Ethik, Politik, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

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