FRANKFURT. Um die Ziele des Kyoto-Protokolls zur Reduzierung des Kohlendioxid-Ausstosses umzusetzen, bedarf es neuer Instrumente. Dazu gehört der internationale Handel mit Emissionszertifikaten, dessen Volumen schon im kommenden Jahr die Ausgaben für die weltweite Entwicklungshilfe übertreffen wird. Über die Chancen und Risiken dieses neuen äußerst dynamischen Marktes berichtet der Frankfurter Ökonom Prof. Rainer Durth in der neuen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Forschung Frankfurt", das dem internationalen Jahr des Planeten Erde gewidmet ist.
Wie schaut dieses Handelssystem mit Kohlendioxid-Emissionen aus? Die Grundidee eines Zertifikate-Marktes ist relativ einfach: Die Auswirkungen von Kohlendioxid auf das Klima sind unabhängig davon, wer wo in der Welt das CO2 emittiert. Der Kyoto-Vertrag schreibt zunächst allerdings nur vor, dass Industrieländer ihre Emissionen drastisch reduzieren sollen; er erlaubt aber, dass sich ein Land Verringerungen des Kohlendioxid-Ausstoßes in einem anderen Land einkaufen kann. Damit dieser Tausch funktioniert, wurde 1997 ein Eigentumstitel an erlaubtem CO2-Ausstoß geschaffen. Wer ein entsprechendes Zertifikat kauft, darf eine Tonne Kohlendioxid mehr emittieren, wer es verkauft, muss eine Tonne weniger in die Atmosphäre freisetzen. Die Eigentumsrechte können gehandelt werden, so dass die Einsparung der Emissionen dort erfolgt, wo es für alle am billigsten ist.
Ein typisches Projekt ist ein Windpark in Indien, der mit regenerativer Energie - also ohne Emissionen - dringend benötigten Strom erzeugt. Der Projekteigner kann die Zertifikate an einen deutschen Energieversorger verkaufen und die Erlöse in den nächsten - vielleicht bereits mit neuerer Technologie betriebenen - Windpark investieren. So können sich Klimaschutz und Entwicklung gegenseitig unterstützen. Dazu Durth, der als Honorarprofessor der Goethe-Universität auf den Gebieten Bankbetriebslehre und Internationale Wirtschaftspolitik lehrt und zudem als Abteilungsdirektor im Klimaschutzfonds der KfW Bankengruppe tätig ist: "Die Einsparung von Kohlendioxid ist meist dort besonders günstig, wo die entsprechenden Anlagen nicht nur umgebaut, sondern überhaupt erst errichtet werden müssen. Das sind in der Regel Entwicklungs- und Schwellenländer, für die es momentan keine Deckelung der Emissionen gibt." Die Teilnahme dieser Länder am internationalen Zertifikate-Markt - derzeit entfallen bereits ein Fünftel des Marktes auf Projekte dieser Länder - ist aus zwei Gründen wünschenswert: Sie können besonders billig Kohlendioxid einsparen; und sie profitieren bei ihrer Entwicklung von bedeutsamen internationalen Kapitalzuflüssen. "Deswegen wurde der 'Clean Development Mechanism' entwickelt," erläutert Durth. "Einzelne Projekte oder Programme, die die industrielle und ökologische Entwicklung eines Landes voranbringen, werden daraufhin geprüft, welche CO2-Einsparungen sie mit sich bringen. Für diese Einsparungen werden Zertifikate ausgestellt, die der Projekteigner dann verkaufen kann."
Der internationale Zertifikate-Handel wächst seit 2005 um jährlich circa 90 Prozent - ein eindruckvolles Ergebnis, dabei dürfen aber auch Probleme und Risiken nicht übersehen werden, wie sie Durth beschreibt: "Der Markt ist noch kein idealer Wettbewerbsmarkt, er kann effizienter gestaltet und Klimapolitik damit billiger werden. Insbesondere auf der Käuferseite gibt es überwiegend wenige große Nachfrager wie Staaten und Energieversorgungsunternehmen; Informationen über den Markt sind unvollständig, unsicher und meist ungleich auf die einzelnen Marktteilnehmer verteilt; Anpassungen erfolgen nur mit Verzögerung. Zudem ist die Zukunft der gehandelten Eigentumsrechte nach 2012 derzeit offen, das macht den Abschluss des 'Post-Kyoto-Abkommens' so wichtig." Um vor allem kleinen und mittelgroßen europäischen Unternehmen den Zugang zum Zertifikate-Markt zu erleichtern, tritt die KfW international mit der gebündelten Nachfrage auf, das geschieht mit den sogenannten Klimaschutzfonds.
In Zukunft wird es eine besondere Aufgabe der Entwicklungsökonomen sein, die Märkte und Verfügungsrechte so auszugestalten, dass sie den besonderen Erfordernissen der oft kleinen und armen Entwicklungsländer besser gerecht werden. Kurzfristig wird dabei im Vordergrund stehen, wie sich die Entwicklungsländer vor den Folgen des Klimawandels schützen können. "Langfristig geht es darum, wie sie ihr wirtschaftliches Potenzial einbringen und gleichzeitig die internationale Klimaschutzpolitik und ihre eigenen Entwicklungsziele unterstützen können," ergänzt der Frankfurter Wirtschaftswissenschaftler.
Informationen: Prof. Rainer Durth, Honorarprofessor am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften, Campus Westend, Tel. (069) 7431 3607, rainer.durth@kfw.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
Deutsch
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