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19.12.2008 17:36

Marburger Wissenschaftler unterstützen Aufarbeitung der Menschheitsverbrechen in Kambodscha

Dr. Viola Düwert Pressestelle
Philipps-Universität Marburg

    Marburger Wissenschaftler vom Zentrum für Konfliktforschung und Forschungs- und Dokumentationszentrum für Kriegsverbrecherprozesse haben Mitte Dezember in Phnom Penh, der Hauptstadt Kambodschas, einen Workshop mit kambodschanischen Nichtregierungsorganisationen durchgeführt. Die Beteiligung von Opfern in den Prozessen gegen Hauptverantwortliche des Regimes der Roten Khmer stand dabei im Mittelpunkt.

    Außerdem waren die Uni-Mitarbeiter beratend für die Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia (ECCC), dem Khmer Rouge Tribunal, tätig.
    In der Zeit von 1975 bis 1979 haben die Roten Khmer unter der Führung von Pol Pot ca. 1,7 Millionen Menschen umgebracht. 30 Jahre nach diesen Verbrechen hat sich die noch lebende Führungsriege der Roten Khmer nun endlich vor einem mit internationalen und kambodschanischen Richtern besetzten Tribunal zu verantworten. Dabei ist es den Opfern möglich, sich an dem Prozess als Nebenkläger zu beteiligen, was in der internationalen Strafjustiz ein Novum darstellt. Diese Möglichkeit der Beteiligung führt in Kambodscha unter anderem dazu, dass sich viele Nichtregierungsorganisationen zusammen mit internationalen Gebern um die gesellschaftliche Aufarbeitung der Verbrechen bemühen.
    Gefördert mit Geldern des Auswärtigen Amtes haben Marburger Wissenschaftler vom Zentrum für Konfliktforschung (ZfK) und vom Forschungs- und Dokumentationszentrum für Kriegsverbrecherprozesse (ICWC) in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Friedens- und Konfliktforschung der Universität Augsburg einen eintägigen Workshop in Phnom Penh durchgeführt. Ziel des Workshops war es, gemeinsam mit kambodschanischen Nichtregierungsorganisationen, internationalen Gebern und Mitarbeitern des Gerichts Maßnahmen und Möglichkeiten von Opferbeteiligung zu diskutieren. Im Mittelpunkt standen dabei Fragen, wie die betroffene Bevölkerung erreicht werden könne, welche Entschädigungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen und welche Rolle die Aufarbeitung vergangener Verbrechen für einen stabilen Frieden spielt.
    Dominik Pfeiffer (ZfK) machte in seinem Vortrag bei dem Workshop deutlich, dass Nichtregierungsorganisationen, die sich um die Aufarbeitung der Vergangenheit bemühen, eine zentrale Rolle in Friedensprozessen spielen, während Prof. Dr. Thorsten Bonacker (ZfK) hervorhob, dass Opferbeteiligung ein wichtiges Element für die Identifikation der Bevölkerung mit dem Friedensprozess sein kann. Ebenfalls intensiv diskutiert wurde über Grenzen der juristischen und die Bedeutung einer gesellschaftlichen Aufarbeitung der Makrokriminalität. Dr. Wolfgang Form (ICWC) berichtete in diesem Zusammenhang über die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Gewaltverbrechen in Deutschland. Von kambodschanischer Seite wurde von den Erfahrungen und Problemen bei der Stärkung der Beteiligung von Opfern berichtet. "Die Teilnehmer werteten den Workshop als großen Erfolg", so Bonacker. Die Akteure und Organisationen haben nur selten die Möglichkeit, in so großer Runde miteinander zu diskutieren und sich auszutauschen. Die Veranstaltung war somit ein wichtiger Beitrag zur Förderung der Vernetzung der Beteiligten, von denen eine Wiederholung einer ähnlichen Veranstaltung sehr gewünscht wurde.
    Im Rahmen eines Kooperationsprojektes mit den ECCC und der Universität Hannover (Prof. Dr. Henning Radtke) hat das ICWC in den vergangenen Monaten umfängliche Analysen historischer Prozesse für die Richter und Ankläger des Tribunals erarbeitet, die am 9. Dezember am Gericht vor einer hochkarätig besetzten Runde aus internationalen Richtern, Anklagevertretern sowie Ermittlungsrichtern und weiteren Mitarbeitern des Tribunals vorgestellt wurden. Dr. Wolfgang Form (ICWC) und Simon Kanwischer (Universität Hannover) referierten über die Relevanz deutscher Strafverfahren wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach dem Zweiten Weltkrieg im Zusammenhang mit der Anklage gegen den ehemaligen Leiter des Foltergefängnisses Tuol Sleng (S21), in Phnom Penh. Es wurde vereinbart, die Beratungstätigkeit für das Gericht, die als Vorbild für zukünftige nationale und internationale Diskussionsrunden dienen kann, weiter fortzuführen und zu intensivieren. Die vom ICWC bereitgestellten Unterlagen und Analysen stehen nunmehr im Intranet des Gerichts für alle Abteilungen zur Verfügung.
    Die Marburger Wissenschaftler zeigten sich sehr beeindruckt vom Engagement der kambodschanischen Nichtregierungsorganisationen. In der gemeinsamen Diskussion wurden die große Bedeutung von Opferbeteiligung und Erinnerung an Opfer und Verbrechen, aber auch von juristischer Strafverfolgung für den gesellschaftlichen Wiederaufbau und einen nachhaltigen Frieden deutlich. Alle Seiten kamen überein, die Zusammenarbeit fortzusetzen. Kambodscha bleibt ein wichtiger Regionalschwerpunkt der Arbeit beider Marburger Zentren.


    Weitere Informationen:

    Prof. Dr. Thorsten Bonacker
    Zentrum für Konfliktforschung
    Ketzerbach 11, 35032 Marburg
    Tel.: 06421-2824574

    Dr. Wolfgang Form
    Forschungs- und Dokumentationszentrum für Kriegsverbrecherprozesse
    Fachbereich Rechtswissenschaften der Philipps-Universität Marburg
    Universitätsstraße 6, 35032 Marburg


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Politik, Recht
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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