idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
19.03.2009 11:30

Forscher empfehlen eine ökonomische Sichtweise auf internationale Wasserkonflikte- Untersuchungen zu grenzüberschreitenden Flüssen

Tilo Arnhold Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ

    Leipzig. Eine ökonomische Sichtweise könnte helfen, Kooperationsgewinne herbeizuführen und somit internationale Wasserkonflikte zu lösen. Zu diesem Ergebnis kommen Forscher des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) bei der Analyse verschiedener Wasserkonflikte. Allerdings setze die Realisierung von Kooperationsgewinnen bei Problemen mit Wasserknappheit und Wasserverschmutzung eine Einigung über Nutzungsrechte voraus und bleibe daher anspruchsvoll, schreiben die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachblattes "Water Policy". Eine Einigung über Nutzungsrechte biete dann eine Verhandlungsbasis, um über Kompensationszahlungen die Situation aller Beteiligten zu verbessern.

    Den beteiligten Politikern empfehlen die Forscher außerdem zu prüfen, ob es wasserbauliche Maßnahmen geben könnte, die sowohl für Oberlieger als auch für Unterlieger Vorteile bringen. So sei es beispielsweise bei den internationalen Verhandlungen zwischen Äthiopien, dem Sudan und Ägypten um den Blauen Nil nützlich, dass in jüngster Zeit der Schwerpunkt vom Teilen der Wassermengen auf gemeinsame Staudammprojekte zur Wasserkraftentwicklung und zum Hochwasserschutz gelenkt wurde.
    Der UN-Weltwassertag findet seit 1993 jedes Jahr am 22. März statt. 2009 stehen unter dem Motto "geteiltes Wasser - geteilte Möglichkeiten" grenzüberschreitende Gewässer im Mittelpunkt. Weltweit gibt es 263 internationalen Fluss- und Seengebiete, die nationale Grenzen überschreiten und knapp die Hälfte der weltweiten Landfläche ausmachen

    Klimawandel und Bevölkerungswachstum sorgen dafür, dass vielerorts die verfügbaren Wasserressourcen einer zunehmenden Verknappung und Verschmutzung ausgesetzt sind. Diese Entwicklungen betreffen laut UN-Umweltprogramm UNEP von 2002 auch die internationalen Flussgebiete. Das Völkerrecht sieht zwar in der "UN-Konvention über das Recht der nicht-schifffahrtlichen Nutzung internationaler Wasserläufe" von 1997 das Prinzip einer gerechten Wasseraufteilung vor. Allerdings gibt es im internationalen System keine Instanz, die die Wasserrechte von Staaten definiert. Deshalb müssen die Anrainerstaaten sich selbst darüber einigen. Eine Bestandsaufnahme hat ergeben, dass in knapp der Hälfte der 263 internationalen Flussgebiete bislang Verträge zur grenzüberschreitenden Wassernutzung unterzeichnet wurden. In etwa einem Viertel gibt es zwischenstaatliche Kommissionen.

    Positives Beispiel Elbe
    Innerhalb weniger Monate wurde der Vertrag über die Internationale Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) verhandelt und am 8. Oktober 1990 direkt im Anschluss an die deutsche Wiedervereinigung unterzeichnet. Zuvor waren die Verhandlungen zwischen der früheren BRD und DDR stets gescheitert. 1983 kam es zu ersten Verhandlungen, in denen die DDR Kompensationszahlungen für eine Minderung der Verschmutzung verlangte und somit eine klassische Oberanrainerposition vertrat. Darauf ging die Bundesrepublik nicht ein, da dies dem Verursacherprinzip widersprochen hätte. Bei einem zweiten Versuch machte die DDR-Führung die Verbesserung der Wasserqualität zusätzlich von einer Veränderung des Grenzverlaufs abhängig. Auch diese Forderung lehnte die Bundesrepublik ab. Sowohl die Tschechische Republik als Oberanrainer als auch die Bundesrepublik Deutschland als Unteranrainer haben nach 1990 stark in die Verbesserung der Wasserqualität investiert: So wurden in der Tschechischen Republik zwischen 1990 und 2004 etwa 500 Millionen Euro in öffentliche Kläranlagen investiert, in der Bundesrepublik sogar etwa 2,7 Milliarden Euro, wovon der Großteil in die Neuen Länder floss. "Insofern haben hier beide Staaten "kooperiert" und sind über eigennutzorientiertes Verhalten im engen Sinne hinausgegangen, indem sie das Verursacherprinzip und somit das Prinzip der eingeschränkten territorialen Souveränität anerkannt haben", erläutert Dr. Ines Dombrowsky vom UFZ. "Insgesamt zeigt dieses Beispiel, dass übergeordnete politische Interessen eine wichtige Rolle im Hinblick auf Konflikt und Kooperation spielen können." Anfang der 90er Jahre stand die Tschechische Republik kurz vor der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der EU und hatte daher ein großes Interesse an einer einvernehmlichen Lösung.

    Negatives Beispiel: Jordan
    Seit Anfang der 1950er Jahre spitzte sich die Frage der Wassernutzung zwischen Israel und Jordanien zu, da beide konkurrierende Wasserentwicklungsprojekte verfolgten. Der unterschiedliche Zugang zu Wasser zeigt sich auch im durchschnittlichen Pro-Kopf-Wasserverbrauch. 1994 lag dieser bei etwa 360 Kubikmetern in Israel und 220 in Jordanien. Im Rahmen des israelisch-jordanischen Friedensvertrages von 1994 wurden letztlich im Wesentlichen die israelischen Wassernutzungen festgeschrieben und Projekte zur Mobilisierung von zusätzlichem Wasser für Jordanien identifiziert. 1997 drohte Jordanien in einer Dürrekrise mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Daraufhin erklärte sich Israel bereit, für drei Jahre die Hälfte der ursprünglich geplanten 50 Millionen Kubikmeter pro Jahr aus dem See Genezareth zur Verfügung zu stellen und danach das zugesagte Wasser durch eine andere Lösung bereitzustellen. Da aber bislang keine Einigung über eine alternative Art der Bereitstellung erfolgt ist, wird dieser Transfer fortgesetzt. Allerdings ist Israel weiter daran interessiert, eine Alternative zu finden. "Auch das Beispiel Israel-Jordanien spiegelt somit das Spannungsverhältnis zwischen Konflikt und Kooperation wider. Grundsätzlich hat Israel eine typische Oberanrainerposition vertreten, während Jordanien eine gerechte und billige Nutzung im Sinne einer eingeschränkten territorialen Souveränität eingefordert hat", erklärt Ines Dombrowsky. "Tatsächlich ist es in diesem Fall zu keiner nennenswerten Umverteilung der Wassernutzungsrechte gekommen, wobei Israel auf erhöhten diplomatischen Druck hin aus seiner Sicht Zugeständnisse gemacht hat, die allerdings sogar hinter den vertraglichen Vereinbarungen zurückbleiben. Gleichzeitig ist es aber auch zu keiner effizienten Verhandlungslösung gekommen. Es ist zu vermuten, dass Seitenzahlungen in Jordanien innenpolitisch nicht vertretbar gewesen wären, da sie eine Sanktionierung der israelischen Position impliziert hätte." Eine erfolgreiche Kooperation an einem grenzüberschreitenden Fluss setzt also nicht nur eine ökonomische Sichtweise, sondern auch oft viel an politischem Willen voraus.
    Tilo Arnhold

    Weitere fachliche Informationen:
    Dr. Ines Dombrowsky
    Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
    Telefon: 0341-235-1846
    http://www.ufz.de/index.php?de=1676
    oder über
    Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
    Telefon: 0341-235-1269
    E-mail: presse@ufz.de

    Publikationen:
    Dombrowsky, Ines (2009):
    Revisiting the potential for benefit-sharing in the management of trans-boundary rivers
    Water Policy 11 (2), 125-140
    http://dx.doi.org/10.2166/wp.2009.020

    Dombrowsky, Ines (2008):
    Konflikt und Kooperation an grenzüberschreitenden Flüssen
    In: Franzke, J. (Hrsg.): Wasser. Zukunftsressource zwischen Menschenrecht und Wirtschaftsgut, Konflikt und Kooperation. Reihe Internationale Probleme und Perspektiven 17.
    Brandenburgische Landeszentrale für Politische Bildung, Potsdam, S. 57-69
    http://opus.kobv.de/ubp/volltexte/2008/2325/pdf/WT_57_2007_53_64.pdf

    Dombrowsky, Ines (2008):
    Institutional design and regime effectiveness in transboundary river management - the Elbe water quality regime
    Hydrol.Earth.Syst.Sc. 12 (1), 223-238
    http://www.hydrol-earth-syst-sci.net/12/223/2008

    Dombrowsky, Ines (2008):
    Integration in the Management of International Waters: Economic Perspectives on a Global Policy Discourse
    Global Governance 14: 455-477.

    Dombrowsky, Ines (2007):
    Conflict, cooperation and institutions in international water management. An economic analysis
    Edward Elgar, Cheltenham, 376 S.
    http://www.e-elgar.co.uk/Bookentry_DESCRIPTION.lasso?id=12751

    Dombrowsky, Ines (2003),
    Water Accords in the Middle East Peace Process: Moving towards Co-operation? In Security and the Environment in the Mediterranean. Conceptualising Security and Environmental Conflicts, eds. Brauch, H., A. Marquina, M. Selim, P. Liotta and P. Rogers: 729-744. Berlin: Springer-Verlag.
    http://www.ufz.de/data/Pub_Dombowsky26115896.pdf

    Weiterführende Links:
    Internationaler Weltwassertag der Vereinten Nationen:
    http://www.unwater.org/worldwaterday/
    UN-Dekade "Water for Life":
    http://www.un.org/waterforlifedecade/
    Internationale Wasserforschungsallianz Sachsen (IWAS): Management von Wasserressourcen in hydrologisch sensitiven Weltregionen:
    http://www.iwas-sachsen.ufz.de/
    Projekt Wasser 2050:
    http://www.wasser2050.de/
    NEWATER - New Approchaes to Adaptive Water Management under Uncertainty:
    http://www.newater.info/
    Governance und Institutionen - Akteure in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft (S.76-77)
    In: UFZ-Magazin "Vernetzte Umweltforschung"
    http://www.ufz.de/data/UFZ_XII_FT7_Governance_Inst4355.pdf

    Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert. Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 25.700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,3 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).


    Weitere Informationen:

    http://www.ufz.de/index.php?de=17822


    Bilder

    In der Tschechischen Republik sind zwischen 1990 und 2004 etwa 500 Millionen Euro in öffentliche Kläranlagen investiert worden, in der Bundesrepublik sogar etwa 2,7 Milliarden Euro, wovon der Großteil in die Neuen Länder floss. Seitdem hat sich die Wasserqualität der Elbe deutlich verbessert.
    In der Tschechischen Republik sind zwischen 1990 und 2004 etwa 500 Millionen Euro in öffentliche Klä ...
    Foto: André Künzelmann/UFZ (Nutzungsbeschränkung: kostenfrei bei redaktioneller Nutzung, Verwendung nur unter Angabe der Quelle und nur im Zusammenhang mit dem UFZ)
    None

    Bewässerung im Jordantal mit Wasser aus dem Jordan.
    Bewässerung im Jordantal mit Wasser aus dem Jordan.
    Foto: André Künzelmann/UFZ (Nutzungsbeschränkung: kostenfrei bei redaktioneller Nutzung, Verwendung nur unter Angabe der Quelle und nur im Zusammenhang mit dem UFZ)
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Politik, Recht, Umwelt / Ökologie, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    In der Tschechischen Republik sind zwischen 1990 und 2004 etwa 500 Millionen Euro in öffentliche Kläranlagen investiert worden, in der Bundesrepublik sogar etwa 2,7 Milliarden Euro, wovon der Großteil in die Neuen Länder floss. Seitdem hat sich die Wasserqualität der Elbe deutlich verbessert.


    Zum Download

    x

    Bewässerung im Jordantal mit Wasser aus dem Jordan.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).