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03.04.2009 11:59

Hotelwirtschaft in der Arabischen Welt sieht Sicherheitslage nach dem 11. September kaum verändert

Petra Giegerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Johannes Gutenberg-Universität Mainz

    Unterschiedliche Sicherheitswahrnehmung von Touristen und transnationalen Hotelunternehmen - Auszeichnung für Doktorarbeit bei der ITB in Berlin

    (Mainz, 3. April 2009, lei) Touristen schätzen die Sicherheitslage in arabischen Ländern offenbar anders ein als die Manager multinationaler Hotelketten vor Ort. "Wenn der 11. September die Welt verändert hat, gilt dies überraschenderweise kaum für die Hotelwirtschaft in der Arabischen Welt", erklärt Dr. Christian Steiner vom Geographischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Er hat in seiner Doktorarbeit untersucht, inwiefern der Terrorismus und der "Krieg gegen den Terror" nach dem 11. September Lernprozesse und organisationale Veränderungen in der Hotelwirtschaft in den arabischen Ländern angestoßen haben. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass die meist multinationalen Hotelketten die Auswirkungen der Sicherheitslage auf ihr Geschäft nicht anders beurteilen als zuvor und deshalb kaum mit organisatorischen Veränderungen reagierten. "Die Risikowahrnehmung der befragten Hotelmanager hat sich trotz der einschneidenden Ereignisse im Nachgang des 11. September nicht grundlegend verändert" sagt Steiner. Dies sei umso überraschender, als Touristen aus Westeuropa und Nordamerika eine "gänzlich andere Wahrnehmung" an den Tag legten und wegen Terroranschlägen und des Irakkriegs immer wieder weite Teile der Arabischen Welt als Reiseziel gemieden hätten. Für seine Arbeit ist der Mainzer Wirtschaftsgeograph auf der Internationalen Tourismusbörse (ITB) in Berlin mit dem ITB Wissenschaftspreis der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft ausgezeichnet worden.

    Bislang sind Untersuchungen darüber, wie sich die von terroristischen Bedrohungen oder konkreten Anschlägen betroffene Hotelwirtschaft verhält, sehr selten. "Es gibt Erfahrungen aus dem Jugoslawienkrieg, wonach die Reiseveranstalter sehr sensibel reagieren und die Urlaubsziele schnell verlagern, sobald es Probleme gibt", so Steiner. Er hätte deshalb erwartet, dass auch die Betreiber der Hotelketten organisatorische Konsequenzen ziehen, um auf Sicherheitskrisen zu reagieren.

    Tatsächlich kommt Steiner in seiner Studie aber zu dem Ergebnis, dass in den Unternehmen keine tiefgreifenden Veränderungen stattgefunden haben, die sich beispielsweise in Standortschließungen gezeigt hätten - im Gegenteil: Selbst unmittelbar nach dem offiziellen Ende des Irakkriegs haben Scouts in dem Land unbeeinflusst durch das hohe Gewaltausmaß nach neuen Hotelobjekten Ausschau gehalten. Das muss keineswegs bedeuten, dass die Unternehmen ein übermäßig großes Sicherheitsrisiko eingehen würden. "Ihre Binnenperspektive ist einfach eine andere", so Steiner. Mit ihrer Erfahrung vor Ort können die Unternehmen die Situation differenzierter einschätzen als potenzielle Touristen, die dazu tendieren, Sicherheitsprobleme in der Region zu verallgemeinern. Findet an einem Ort ein Terroranschlag statt, übertragen viele potenzielle Touristen das Risiko nämlich auf die gesamte Region unabhängig davon, wie weit das Reiseziel von dem Ort des Terroranschlags entfernt ist. "Das ist dann in etwa so, wie wenn Sie eine Reise nach Schweden stornieren würden, weil in Österreich eine Bombe explodiert", so der Wirtschaftsgeograph.

    "Dass die Hotelketten hier eine deutlich differenziertere Perspektive haben, ist im Endeffekt sogar sehr positiv zu bewerten. Denn dadurch verlassen die multinationalen Konzerne im Zuge von Sicherheitskrisen nicht sofort ihre Gastländer, sondern tragen zur Stabilisierung der lokalen Ökonomien bei." Doch auch hier gibt es Grenzen und nicht jedes Sicherheitsrisiko wird von den internationalen Hotelketten eingegangen, um an einem Standort präsent zu sein. Wie Steiner bei seinen zahlreichen Interviews erfahren hat, würde zum jetzigen Zeitpunkt kaum jemand ein neues Hotel in Palästina eröffnen und auch die Situation in Irak muss sich wohl erst weiter beruhigen, bevor ein Engagement für die multinationalen Tourismuskonzerne praktikabel wird.

    Für seine Arbeit erhielt Steiner den ITB Wissenschaftspreis der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft in der Kategorie "Beste internationale Arbeit". Mit der Auszeichnung verbunden ist eine Verbesserung der Forschungsbedingungen an der Universität Mainz: In Anerkennung von Steiners Leistung spendet die Welttourismusorganisation als Sponsor des Preises der Universität Literatur im Wert von rund 1000 Euro und ermöglicht einen campusweiten Zugriff auf ihre elektronische Bibliothek und ihre umfangreichen Statistikdatenbanken.

    Veröffentlichung:
    Christian Steiner (2009): Tourismuskrisen und organisationales Lernen. Akteursstrategien in der Hotelwirtschaft der Arabischen Welt. Eine Pragmatische Geographie. Bielefeld: Transcript. 332 Seiten, 29,80 Euro, ISBN 978-3-8376-1109-0.

    Kontakt und Informationen:
    Dr. Christian Steiner
    Geographisches Institut
    Johannes Gutenberg-Universität Mainz
    Tel. +49 6131 39-24764 oder 39-23446
    Fax +49 6131 39-24736
    E-Mail: c.steiner@geo.uni-mainz.de


    Weitere Informationen:

    http://www.geo.uni-mainz.de/steiner


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geowissenschaften, Gesellschaft, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wettbewerbe / Auszeichnungen
    Deutsch


     

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