Die Akteure im postkolonialen Afrika stehen im Zeitalter der Globalisierung vor besonders großen und vielfältigen Herausforderungen. Wie sie diesen begegnen und welche Faktoren ausschlaggebend sind für ihre Fähigkeit zur Problembewältigung, erforschen Wissenschaftler aus unterschiedlichen Disziplinen ab 2010 in einem Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Sie haben besonders die Mechanismen der Anpassung und der Kreativität afrikanischer Gesellschaften im Blick. Geleitet wird das Programm von Prof. Dr. Richard Rottenburg (Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg) und Prof. Dr. Ulf Engel (Universität Leipzig).
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat insgesamt 18 Schwerpunktprogramme bewilligt, die aus 61 eingereichten Konzepten ausgewählt wurden. Zwei Programme kommen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften. "Mit dem Zuschlag für unser Konzept haben wir einen beachtlichen Erfolg erzielt", sagt der hallesche Ethnologe Rottenburg. Für die Koordination, Tagungen und die Vernetzung der Teilprojekte werden in den nächsten sechs Jahren rund zwei Millionen Euro an die beiden Universitäten fließen. Für mehr als ein Dutzend Teilprojekte, die an diversen deutschen Universitäten angesiedelt sein werden, stellt die DFG eine erhebliche größere Summe zur Verfügung. "Wir werden das große Potenzial zur Zusammenarbeit nutzen und fördern, das die Afrikastudien in Deutschland bieten - und somit auch deren internationale Sichtbarkeit erhöhen", kündigt der Leipziger Politikwissenschaftler Engel an.
Das Forschungsvorhaben trägt den Titel "Anpassung und Kreativität in Afrika - Technologien und Signifizierungen in der Produktion von Ordnung und Unordnung". Mit "Technologien" bezeichne man dabei z. B. Organisations- und Herrschaftsformen, bei den "Signifizierungen" gehe es um Sinnstiftung für soziale und politische Ordnung, erläutert Richard Rottenburg. Er skizziert beispielhaft ein typisches Problem, das die Wissenschaft beschäftigt: "Viele Ordnungsmuster scheinen uns selbstverständlich gegeben und alternativlos. So bedeutet Demokratie für uns Abstimmung, also Wahl. Afrikanische Gesellschaften, die ein solches Ordnungsmuster adaptieren, kommen damit aber nicht automatisch klar. Dann heißt es schnell: Die Afrikaner können sich nicht organisieren. Dabei bedeutet es eigentlich nur: Sie können nicht ohne weiteres mit dem von außen eingeführten Ordnungsmuster arbeiten." Kreative Adaptionen und Neuschöpfungen seien in solchen Fällen unabdingbar, die Bedingungen ihrer Entstehung jedoch nicht ausreichend bekannt.
Das Forschungsprogramm sei auch deshalb so wichtig, weil nicht nur die afrikanischen Gesellschaften selbst fundamentale Veränderungen erlebten, sondern zudem der Platz afrikanischer Staaten in transnationalen Zusammenhängen derzeit neu ausgehandelt werde. "Wir nehmen daher sowohl interne als auch externe Umstände in den Fokus", sagt Ulf Engel. "Afrika erlebt rigidere Interventionen von außerhalb als jede andere Region der Welt."
Mehr als 30 Wissenschaftler haben bereits ihr Interesse an Einzelprojekten kundgetan. So wollen Anthropologen das Aufwachsen von Mädchen in Westafrika vor dem Hintergrund sich verändernder Rollenbilder untersuchen, aber auch die Bedeutung westlicher Konzepte für öffentlichen und privaten Personenverkehr. Wirtschaftswissenschaftler interessieren sich beispielsweise für die Entwicklungspotenziale von Industrien mit hohem Technologie-Niveau in Ländern, die reich an natürlichen Ressourcen sind. Politikwissenschaftler wollen u. a. die Rolle von Afrikas regionalen Führungsnationen (Ägypten, Nigeria, Südafrika) beleuchten, vor allem im Hinblick auf die Entwicklung einer neuen Weltordnung. Soziologen haben als interessante Gruppe zurückkehrende Bürgerkriegsflüchtlinge ausgemacht - welche Rolle können sie in ihrem Heimatland, aber auch in dem Land, in das sie geflüchtet waren, für eine Neustrukturierung politischer Institutionen spielen? Auch Historiker, Geografen und Sprachwissenschaftler wollen Projektanträge einreichen, über die dann eine international besetzte Jury entscheidet.
Ansprechpartner:
Prof. Dr. Richard Rottenburg
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg,
Institut für Ethnologie und Philosophie
Telefon: 0345 55 24200
E-Mail: richard.rottenburg@ethnologie.uni-halle.de
Prof. Dr. Ulf Engel
Universität Leipzig,
Institut für Afrikanistik
Telefon: 0341 97367038
E-Mail: uengel@uni-leipzig.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Philosophie / Ethik, Politik, Wirtschaft
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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