Neues DFG-Schwerpunktprogramm nimmt seine Arbeit auf
Wissenschaftliche Erkenntnis ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Ob Pestizidbelastung, Handystrahlung oder Krebsrisiko - täglich müssen wir wissenschaftsbezogene Entscheidungen treffen, die unsere eigentlichen Kenntnisse überforden. Wie Laien mit Expertenwissen umgehen und welche Erwartungen sie daran haben, ist Gegenstand des neuen DFG-Schwerpunktprogrammes "Wissenschaft und Öffentlichkeit: Das Verständnis fragiler und konfligierender wissenschaftlicher Evidenz", das am 1. Juli seine Arbeit aufnimmt. Sprecher des Schwerpunktprogrammes ist Prof. Dr. Rainer Bromme vom Psychologischen Institut III der Universität Münster.
Beteiligt sind 16 Projekte an verschiedenen deutschen Universitäten, koordiniert wird die Arbeit des Schwerpunktprogrammes in Münster von der Psychologin Dorothe Kienhues. Sie wird sich um die geplanten Tagungen kümmern, um die Zusammenarbeit der Einzelprojekte zu unterstützen. Ein wichtiger Bestandteil ist die Förderung des Nachwuchses. So konnte genügend Geld eingeworben werden, um jedem Doktoranden einen Auslandsaufenthalt zur Vorstellung seiner Dissertation zu finanzieren. Und für Gleichstellungsaspekte hat die DFG bis zu 15.000 Euro pro Jahr locker gemacht.
"Die Abhängigkeit von wissenschaftlicher Erkenntnis hat in allen Bereichen stark zugenommen. Doch wie gehen Menschen mit Wissen um, das weit gehend jenseits ihres Verständnishorizontes liegt?", fragt sich Bromme schon seit geraumer Zeit, denn die Kommunikation zwischen Experten und Laien ist sein Forschungsthema. Knapp 2,8 Millionen Euro gibt die DFG für die Beantwortung dieser Frage in den nächsten zwei Jahren.
Insgesamt ist das Schwerpunktprogramm auf sechs Jahre angelegt. "Die Grundidee ist, dass Wissen fragil ist und sich ständig verändert", erklärt Bromme. Wissenschaftliche Erkenntnis wird stetig überprüft und abgelöst, wenn sich neuere Entwicklungen ergeben. Lange Zeit galt es beispielsweise als bewiesen, dass Spinat besonders gesund sei, weil er viel Eisen enthalte. Dabei war bei den ersten Untersuchungen lediglich ein Komma verrutscht. "Aber wird diese Fragilität tatsächlich auch in den Medien transportiert und vom Laien wahr genommen?", fragt Bromme. "Oder wird wissenschaftliche Erkenntnis nicht vielmehr als gesichert und festgefügt erlebt? Und auf welcher Grundlage treffen Laien dann ihre Entscheidung, welchem Experten sie vertrauen?" Dass Experten sich auch widersprechen könnten, wird in der Wissenschaftsberichterstattung nur selten zum Thema gemacht, zugleich könne man es aber konkret erleben, wenn man Expertenrunden beispielsweise im Fernsehen beobachtet.
Vier Bereiche, in denen Laien Erfahrungen mit Wissenschaft machen, untersuchen die 16 bewilligten Projekte: das informelle Lernen beim Umgang mit Informationen im Internet, die Wissenschaftsberichterstattung in Massenmedien, der Erwerb von Wissen in Wissenschaftsmuseen und die Vermittlung von Wissen durch die Schulen. Zwei der Projekte wurden für Münster bewilligt. Eines davon ist am Institut für Kommunikationswissenschaft bei Prof. Dr. Bernd Blöbaum angesiedelt. Er wird untersuchen, wie etwas zum Thema von Wissenschaftsberichterstattung wird, indem er Journalisten befragt und die Inhalte von ausgewählten Medien analysiert. Das zweite münstersche Projekt wird von Bromme gemeinsam mit Dr. Michael Stadtler geleitet. Die kognitive Verarbeitung von wissenschaftsbezogenen Informationen im Internet ist das Thema mehrerer Arbeitsgruppen. Sie werden sich damit beschäftigen, wie Menschen kontroverse wissenschaftliche Informationen verarbeiten, die sie im Internet finden. "Bislang wurde in der Leseforschung untersucht, was passiert, wenn ein Leser einen Text liest. Wir werden die Frage erweitern und schauen, was passiert, wenn ein Menschen verschiedene Texte zum gleichen Thema, die einander widersprechen, liest", erklärt Bromme.
Die Forscher vermuten, dass die Überzeugungen von Laien über das, was Wissenschaft an sicherem Wissen überhaupt liefern kann, auch dafür bedeutsam sind, wie kontroverse Informationen beim Lesen verarbeitet werden. Die münsterschen Wissenschaftler benutzen dazu Internet-Foren, die sich mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen beschäftigen. Andere Projektgruppen bearbeiten ihre Fragestellungen anhand der Themenkomplexe Klimawandel oder Alter. "Wir wollen nicht in erster Linie wissen, wie wissenschaftliche Inhalte an sich verstanden werden", betont Bromme. "Wir wollen vor allem schauen, ob und wie verstanden wird, dass wissenschaftliche Erkenntnis fragil ist" - endgültige Antworten darauf sind allerdings auch vom Schwerpunktprogramm nicht zu erwarten, folgt man seiner wissenschaftstheoretischen Grundthese.
http://wwwpsy.uni-muenster.de/Psychologie.inst3/AEbromme/ Arbeitsgruppe Bromme
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Medien- und Kommunikationswissenschaften, Psychologie
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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