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07.07.2009 13:18

RUBIN: Verdeckte Rationierung im Gesundheitswesen - Wenn knappe Ressourcen Leistungseinschränkungen erzwingen

Dr. Josef König Pressestelle
Ruhr-Universität Bochum

    Verdeckte Rationierung gehört längst zum Klinikalltag: Das zeigt eine aktuelle Studie. Doch was tun, wenn die Ressourcen nicht für alles reichen? Zunächst Versorgungsprioritäten offen diskutieren, empfiehlt eine interdisziplinäre Forschergruppe der Universitäten Bochum, Duisburg-Essen und Tübingen und entwickelt kostensensible Leitlinien am Beispiel von Kardiologie und Intensivmedizin. Im aktuellen RUBIN stellen Bochumer Juristen diese Leitlinien vor und diskutieren das juristische Für und Wider.

    Bochum, 07.07.2009
    Nr. 211

    Wer über den Wert entscheidet
    Verdeckte Rationierung im Gesundheitswesen
    RUBIN: Wenn knappe Ressourcen Leistungseinschränkungen erzwingen

    "Dass gut dreiviertel der deutschen Klinikärzte laut unserer aktuellen Umfrage ihren Patienten sinnvolle Behandlungen aus Kostengründen vorenthalten, zeigt - es wird bereits verdeckt rationiert", so Prof. Dr. Stefan Huster (Juristische Fakultät der Ruhr-Universität), der mit Kollegen der Universitäten Duisburg-Essen und Tübingen an dem BMBF-Projekt "Ethische, ökonomische und rechtliche Aspekte der Allokation kostspieliger biomedizinischer Innovationen" beteiligt ist. Die Konsequenz kann nur sein, offen über Versorgungsprioritäten nachzudenken. Im aktuellen RUBIN stellen die Bochumer Juristen zwei sog. kostensensible Leitlinien vor, die sie gemeinsam mit ihren Kollegen aus der Medizinethik und der Gesundheitsökonomie entwickelt haben, und diskutieren das juristische Für und Wider.

    RUBIN mit Bildern im Netz

    RUBIN mit Bildern zum Herunterladen finden Sie im Internet unter:
    http://www.ruhr-uni-bochum.de/rubin

    Behandlungsvorgaben versus Therapiefreiheit

    "Die Befragung der Krankenhausärzte ist eine Bestandsaufnahme", so Huster, "sie zeigt auch, dass dreiviertel der Ärzte Leistungseinschränkungen etwa über sog. kostensensible Leitlinien nicht mehr ablehnend gegenüber stehen. Wenngleich sie nur begrenzt bereit sind, Behandlungsvorgaben, die ihre Therapiefreiheit einschränken, zu akzeptieren. Doch wer soll nach welchen Kriterien darüber entscheiden, wenn Leistungsbeschränkungen nicht zu vermeiden sind? Die Gesundheitspolitik scheut bisher die Diskussion. Die Entscheidungen den Gesetzlichen Krankenversicherungen, als demokratisch nur wenig legitimierten Organen der Selbstverwaltung, auf Dauer zu überlassen, ist juristisch äußerst umstritten. "Die Gesellschaft insgesamt muss klären, was ihr eine soviel bessere Medizin wert ist - jeder einzelne muss darüber nachdenken", so Huster.

    Kosten-Nutzen-Bewertung für Stents und Defibrillatoren

    Die entwickelten Leitlinien betreffen den Einsatz von beschichteten Koronarstents, die einer erneuten Verengung der Arterien entgegenwirken, sowie die Implantation von Defibrillatoren zur Steuerung von Herzfrequenz und Herzrhythmus. Während beschichtete Stents die Erkrankung nicht unmittelbar beeinflussen, jedoch das Risiko eines wiederholten Eingriffs verringern, senken Defibrillatoren die Sterblichkeit bei Herzrhythmusstörungen. Nach den Leitlinien kämen beschichtete Stents nur bei Patienten mit speziellen Risikofaktoren und Defibrillatoren nur unterhalb einer bestimmten Pumpleistung des Herzens zum Einsatz. Beide Leitlinien sollen nun einer theoretischen interdisziplinären Diskussion mit Vertretern der Gesundheitspolitik, Ethik, Gesundheitsökonomie dienen und werden von Kardiologen und Intensivmedizinern bewertet. Eine weitere Befragung von Ärzten soll letztlich deren Akzeptanz gegenüber solchen kostensensiblen Leitlinien klären.

    Bevölkerung gefragt: Priorisierung von unten

    Das BMBF-Projekt setzt sich quasi in einem zweiten fort (seit 2007), an dem mit der Ruhr-Universität insgesamt 13 Hochschulen über die Forschergruppe "Priorisierung in der Medizin: Eine theoretische und empirische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Gesetzlichen Krankenversicherung" beteiligt sind. Darin geht es um eine umfassendere Betrachtung als lediglich eine Kosten-Nutzen-Bewertung: Es soll auch nach anderen Kriterien priorisiert werden, wie etwa Lebensalter, Dringlichkeit oder Selbstverantwortung, und auch das Verhältnis der Kriterien untereinander ist zu diskutieren. Dazu gehört auch eine große repräsentative Umfrage breiter Bevölkerungsgruppen, die zeigen wird, wo die Bürger ihre Versorgungsprioritäten setzen. Die Bochumer Juristen vermuten sogar, dass sich die Bürgerinnen und Bürger früher als die Politik diesen Fragen stellen werden. Die Umfrage könnte Anstoß sein für die politische Debatte", so Prof. Huster.

    Weitere Themen

    Weitere Themen in RUBIN: Schwerpunkt Astronomie (Tiefer blicken ins Weltall, Sternenromantik via Internet, Die Sonne im Container, Geschützte Welt); Ingenieurwissenschaften: Forschungsstation Neumayer III - Sturmwinter in der Antarktis; Facetten: Transnationale Migrantenorganisationen - Die Stärke schwacher Bindungen, Wasser und Proteine - Wer führt im Terahertz-Tanz, Essstörungen - Der eigene Körper im Zerrspiegel, Lärmmindernder Asphalt - Winzige Schluchten schlucken den Schall, Verständlich schreiben - Keine Ausreden für angestaubtes Amtsdeutsch, Forscher üben den Umgang mit den Medien - Science goes Public.

    Weitere Informationen

    Prof. Dr. Stefan Huster, Institut für Sozialrecht an der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, Tel.: 0234/32-22239, E-Mail: Stefan.huster@rub.de

    Redaktion: Dr. Barbara Kruse


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Philosophie / Ethik, Recht
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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