idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
28.07.2009 16:55

Wie du mir, so ich dir - Max-Planck-Forscher entdecken ein Musterbeispiel fairen Kaufverhaltens beim Musik-Download

Barbara Abrell Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V.

    Jede Sekunde zehn illegale Musikdownloads - das ist die Botschaft eines Zählwerks, das der Bundesverband Musikindustrie auf seiner Homepage platziert hat. Den dadurch entstehenden wirtschaftlichen Schaden beziffert der Verband auf rund 350 Millionen Euro jährlich.

    Ausgerechnet in diesem Markt haben Tobias Regner vom Jenaer Max-Planck-Institut für Ökonomik und Javier A. Barria vom Imperial College London ein Beispiel für das gefunden, was Ökonomen in zahlreichen Laborexperimenten immer wieder feststellen: Soziale Präferenzen können dazu führen, dass sich Menschen nicht rein opportunistisch verhalten und darauf verzichten, ihren eigenen finanziellen Gewinn zu maximieren. So bezahlen die Nutzer des Online-Musik-Labels Magnatune regelmäßig mehr als das geforderte Minimum. Tobias Regner und Javier A. Barria haben das Zahlungsverhalten der Magnatune-Kunden im Detail analysiert. (Journal of Economic Behavior & Organization, August-Ausgabe 2009)

    Der Datensatz umfasst alle Online-Verkäufe, die von der Gründung des Online-Musik-Label Magnatune 2003 bis zum Januar 2005 stattgefunden haben. Nach eigenen Angaben schreibt Magnatune Angaben mittlerweile schwarze Zahlen. Bei dem Label stehen rund 200 zumeist weniger bekannte Interpreten unter Vertrag. Sie erhalten 50 Prozent der Erlöse. Den Preis für die Alben bestimmten die Kundinnen und Kunden innerhalb einer Preisspanne zwischen fünf und 18 Dollar selbst. Magnatune empfiehlt einen Preis von acht Dollar, der auch als Standardwert voreingestellt ist. Der durchschnittlich bezahlte Preis beträgt 8,20 Dollar und liegt damit 64 Prozent über dem geforderten Minimum.

    Einen möglichen Erklärungsansatz für die Großzügigkeit der Kunden sehen Tobias Regner und Javier A. Barria im Konzept der Gegenseitigkeit. "Magnatune gewährt - anders als die großen, etablierten Anbieter des digitalen Marktes - bereits vor Kauf freien und uneingeschränkten Streaming-Zugriff auf die angebotenen Alben", beschreibt Tobias Regner das Geschäftskonzept. "Interessenten haben also Gelegenheit, sich vor dem Kauf umfassend zu informieren und müssen ihre Entscheidung nicht aufgrund einer kurzen Hörprobe treffen, wie dies sonst der Fall ist." Magnatune geht damit zwar das Risiko ein, für die eigene Leistung keine Gegenleistung zu erhalten. Zugleich erhalten die Kunden aber auch die Gelegenheit, sich selbst großzügig zu zeigen und das Gleichgewicht aus Gegenleistung und Leistung wieder herzustellen, indem sie mehr als das geforderte Minimum bezahlen.

    Der Online-Kauf der Alben kann anonym erfolgen. Eine Verbindung zwischen Kaufverhalten und bestimmten soziodemografischen Merkmalen ist daher nicht möglich. Erwartungsgemäß bezahlen Kunden, die anonym bleiben unterdurchschnittlich wenig. Keinen Einfluss auf die Zahlungsbereitschaft scheint das Geschlecht zu haben, allerdings war der Anteil der weiblichen Kunden mit rund zehn Prozent recht gering. Die Festsetzung des Kaufpreises durch die Kunden ist dabei nicht zufällig, sondern weist individuell, konstante Muster auf. Unter den Mehrfachkunden lassen sich vier Typen beschreiben:

    (1) Kunden, die regelmäßig den empfohlenen Preis von acht Dollar bezahlen.

    (2) Kunden, die lediglich das geforderte Minimum bezahlen.

    (3) Kunden, die durchgehend mehr als die empfohlenen acht Dollar bezahlen und

    (4) solche, bei denen die Zahlungsbereitschaft über die Zeit sinkt.

    Verschiedene Tests weisen zudem darauf hin, dass das Zahlungsverhalten der Kunden sehr sensibel auf die Festsetzung der Preisspanne und des empfohlenen Kaufpreises durch den Anbieter reagiert.

    Den Ergebnissen der Studie zufolge, ist das Zahlungsverhalten der Magnatune-Kunden konsistent zum Konzept der Gegenseitigkeit. "Es kommen jedoch auch andere Erklärungsansätze für das nicht-opportunistische Verhalten der Kunden in Frage, wie z. B. die Vermeidung möglicher Schuldgefühle oder der Wunsch, sich als "guter Mensch" fühlen zu können", erklärt Tobias Regner. Deshalb haben die Wissenschaftler Magnatune-Kunden, die mehr als zehn Alben gekauft haben, nach ihren Motiven befragt. "Die Ergebnisse bestätigen, dass Gegenseitigkeit ein zentrales Motiv ist." Weitere Studien und Experimente sollen nun klären helfen, inwieweit eine offene Vertragsgestaltung ein Modell auch für andere - insbesondere etablierte - Anbieter digitaler Musik sein kann und in welchen Marktsegmenten dieses Modell am besten funktionieren sollte.

    Originalveröffentlichung:

    Tobias Regner, Javier A. Barria
    Do Consumers Pay Voluntarily? The Case of Online Music.
    Journal of Economic Behavior & Organization, Vol. 71. Issue 2, Pages 395-406, August-Ausgabe 2009

    Weitere Informationen erhalten Sie von:

    Dr. Tobias Regner
    Max-Planck-Institut für Ökonomik, Jena
    Tel.: +49 36 41686-635
    Fax: +49 36 41686-667
    E-Mail: regner@econ.mpg.de

    Petra Mader, Stephan Schütze, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
    Max-Planck-Institut für Ökonomik, Jena
    Tel.: +49 36 41 686-960/-950
    E-Mail: presse@econ.mpg.de


    Bilder

    Musik-Downloads sind vor allem bei Jugendlichen populär
    Musik-Downloads sind vor allem bei Jugendlichen populär
    Max-Planck-Institut für Ökonomie
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Musik / Theater, Psychologie, Wirtschaft
    überregional
    Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Musik-Downloads sind vor allem bei Jugendlichen populär


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).