idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
04.09.2009 18:00

Freie Bahn für größeres Gehirn - Kurze Phase der Zellteilung von Stammzellen könnte Erklärung für evolutionäres Geheimnis liefern

Katrin Bergmann M. A. Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden

    Dresdner Regenerationsforscher haben einen Weg gefunden, die Vermehrung körpereigener Stammzellen im Gehirn zu steuern. Die Länge der Zeitspanne zwischen zwei Zellteilungen beeinflusst maßgeblich, wie viele Stamm- und reife Nervenzellen gebildet werden. Den Wissenschaftlern gelang der Nachweis, dass die Verkürzung dieser Zeit die Vermehrung von Stammzellen ermöglicht und dadurch das Gehirn vergrößern kann. Diese Ergebnisse untermauern eine Hypothese der Evolutionsforschung mit experimentellen Daten und könnten gleichzeitig den Weg für Therapien bei Schlaganfall ebnen.

    Die Entstehung und Reifung des Nervensystems ist ein wichtiger Prozess, in dem Eigenschaften von körpereigenen Stammzellen untersucht werden können. Während der embryonalen Entwicklung des Gehirns schalten neurale Stammzellen immer mehr dazu um, bei der Zellteilung statt zwei Stammzellen mindestens eine Nervenzelle zu bilden, die sich dann nicht weiter teilt. Der Zeitpunkt dieses Umschaltens zur Bildung von Nervenzellen (Neurogenese) reguliert die Balance zwischen Vermehrung, Selbsterneuerung und Verbrauch des Vorrates an Stammzellen, wodurch wiederum die Größe des Gehirns festgelegt wird. Bisher war höchst umstritten, ob eine simple Änderung der Zeitspanne zwischen zwei Zellteilungen die Differenzierung der Tochterzellen hin zur Nervenneubildung beeinflusst. In der aktuellen Ausgabe von Cell Stem Cell zeigen Dr. Federico Calegari und Christian Lange vom DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD), dass die Dauer der Zellteilung, speziell der sogenannten G1 Phase, wesentlich das Umschalten von Stammzellvermehrung zur Neurogenese steuert. So ist eine längere G1 Phase notwendig zur Bildung von Nervenzellen. Eine kürzere G1 Phase dagegen hemmt deren Bildung und fördert die Vermehrung von Stammzellen - eine wichtige Voraussetzung für regenerative Therapien. Die Studie ist gemeinsam mit Prof. Wieland Huttner vom Max-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden entstanden.

    Um aufzuklären, welchen Effekt die Dauer der G1 Phase auf die Bildung von Nervenzellen hat, erhöhten die Forscher die Menge eines Proteinkomplexes cdk4 und cyclinD1 im Gehirn sich entwickelnder Maus-Embryonen, mit dem Resultat, dass sich die Länge der G1 Phase verkürzte. "Unsere Theorie war, dass eine kürzere G1 Phase die Neurogenese unterdrücken sollte und sich die Stammzellen vermehren. Da der Effekt nach wenigen Tagen nachlässt, sollten die vermehrten Stammzellen dann wieder Nervenzellen bilden und somit die Oberfläche der Hirnrinde vergrößern", so Dr. Federico Calegari, Forschungsgruppenleiter im CRTD. Genau das haben die Wissenschaftler dann auch beobachtet. Aber die Studie hielt auch Überraschungen bereit: Die Verkürzung der G1 Phase bewirkte, dass anstelle der Nervenzellen eine besondere Art von Stammzellen gebildet wurde: sogenannte basale Progenitorzellen. Diese Zellen wandern in die benachbarte Hirnregion, die subventrikuläre Zone ein, vermehren sich dort, können aber im Gegensatz zu normalen neuralen Stammzellen ausschließlich zu Nervenzellen differenzieren. "Aufgrund der vermehrten Bildung der basalen Progenitorzellen konnten wir eine Vergrößerung der subventrikulären Zone um 40% im Gehirn der Mäuse beobachten. Weiterhin waren die Nervenzellen, die von den veränderten Stammzellen gebildet wurden, auf ein größeres Gebiet der Großhirnrinde verteilt", fasst Christian Lange, Doktorand bei Dr. Calegari, die Ergebnisse zusammen.

    Die experimentellen Daten der Studie belegen die Hypothese, dass ein erhöhter Anteil an basalen Progenitorzellen in höheren Säugetieren der Grund für die Vergrößerung der Hirnrinde während der Evolution ist. Bisher konnten nur vergleichende Untersuchungen in verschiedenen Arten gemacht werden. "Wir konnten zum ersten Mal in derselben Art mit Daten zeigen, dass die Vermehrung der basalen Progenitorzellen die Oberfläche der Hirnrinde vergrößert, die durch diese Zellen gebildet wird", so Dr. Calegari. Vor allem bieten die Ergebnisse der Studie neue Einblicke in die Vermehrung und Differenzierung körpereigener Stammzellen. Erstmals konnte bewiesen werden dass Zeit - als Dauer der Zellteilung - ein wesentlicher Faktor bei der Steuerung dieser Vermehrung ist. Eine ähnliche Rolle könnte der Faktor Zeit auch bei der Vermehrung oder Differenzierung von adulten neuralen Stammzellen spielen. Bei Schlaganfällen können diese Ergebnisse zu neuen Therapien verhelfen. Christian Lange erklärt: "Nach einem Schlaganfall können nur wenige der abgestorbenen Zellen im Gehirn wieder regeneriert werden. Dazu gibt es zu wenige Stammzellen. Wenn man einen Weg findet, deren Anzahl zu steigern, z.B. durch die Verkürzung der G1 Phase, könnte Schlaganfall-Patienten geholfen werden." Diese Studie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin.

    Originalveröffentlichung: Christian Lange, Wieland B. Huttner, Federico Calegari Cdk4/cyclinD1 overexpression in neural stem cells shortens G1, delays neurogenesis and promotes the generation and expansion of basal progenitors. Cell Stem Cell. (2009). DOI 10.1016/j.stem.2009.05.026

    Begriffe:
    G1-Phase: Erste Phase des Zeitraumes zwischen zwei Zellteilungen zwischen der Neubildung der Zelle und der DNA-Verdoppelung für die nächste Zellteilung. In dieser Phase wächst die Zelle und nimmt Signale aus der Umgebung auf, die das weitere Schicksal der Zelle festlegen.

    Subventrikuläre Zone: Gehirnregion unterhalb der Großhirnrinde. In dieser Zone befinden sich Stammzellen und neu gebildete Nervenzellen. In der Evolution der Säugetiere ist die subventrikuläre Zone stark vergrößert.

    Kontakt für Journalisten:
    Katrin Bergmann, Pressesprecherin CRTD
    Tel.: 0351 463 40347, E-Mail: katrin.bergmann@crt-dresden.de,

    Christian Lange, Doktorand am CRTD
    Tel.: 0351 210 2454, E-Mail: christian.lange@crt-dresden.de


    Weitere Informationen:

    http://www.crt-dresden.de Website des DFG-Forschungszentrums für Regenerative Therapien der TU Dresden


    Bilder

    Abgebildet ist ein Schnitt durch die Großhirnrinde eines Mausembryos. Die Zellen, in die eine erhöhte Menge des cdk4/cyclinD1-Komplexes eingebracht wurde, sind grün und rot angefärbt.
    Abgebildet ist ein Schnitt durch die Großhirnrinde eines Mausembryos. Die Zellen, in die eine erhöht ...
    Autoren: Christian Lange und Dr. Federico Calegari
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Medizin
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Abgebildet ist ein Schnitt durch die Großhirnrinde eines Mausembryos. Die Zellen, in die eine erhöhte Menge des cdk4/cyclinD1-Komplexes eingebracht wurde, sind grün und rot angefärbt.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).