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15.09.2009 13:46

Stammzellen - Zukunftshoffnung der Immunologie

Dr. Julia Rautenstrauch Geschäftsstelle
Deutsche Gesellschaft für Immunologie

    Stammzellen sind die Alleskönner des Immunsystems. Mit ihnen verbindet sich die Hoffnung, künftig Autoimmunerkrankungen, Krebs oder angeborene Gendefekte heilen zu können. Was heute schon möglich ist, wo noch Barrieren zu überwinden sind und wie sich die Forschung in diesem Gebiet gerade entwickelt, skizzierte Professor Fritz Melchers, Altmeister der Immunologie und Ehrenpräsident des 2nd European Congress of Immunology, bei einer Pressekonferenz in Berlin.

    Seit Jahrzehnten benutzt die experimentelle und klinische Immunologie Zelltransplantationen zu Vermehrung und Wiederherstellung des blutbildenden Systems unseres Körpers, also der roten Blutkörperchen sowie der Zellen des angeborenen und die des adaptiven Immunsystem. Eine klinisch erfolgreiche, jaehrlich mehr als 30 000 mal praktizierte Zelltherapie ist die Knochenmarkstransplantation. Sie findet insbesondere bei Krebspatienten weite Anwendung, bei denen nach Chemotherapie und Bestrahlung das tötlich geschädigte blutbildende System lebenslang wiederaufgebaut werden kann.

    Auch bei schwer immundefizienten Kindern wird das defekte System durch Knochenmarkszellen eines geeigneten, gesunden Spenders repariert. Das geht deshalb, weil das Mark der Knochen in geringen Mengen sogenannte Stammzellen des blutbildenden Systems enthält. Experimentell konnte gezeigt werden, dass im Prinzip eine einzige Stammzelle das gesamte System von über 2000 Milliarden Blut- und Immunzellen wieder aufbauen kann.

    Ein immer noch großes Problem bei solchen Transplantationen ist die sogenannte Gewebeunverträglichkeit, bei der das Immunsystem des Empfängers (Patienten) -auch in den defekten Zuständen, in denen es in Krebspatienten und immundefizienten Kindern manchmal noch existiert - die Zellen des Spenders, also die Stammzellen und ihre daraus entwickelten Blut- und Immunzellen abstößt und zerstört. Umgekehrt können auch die Zellen des Spenders den Patienten angreifen. In der Praxis der klinischen Transplantationen unterdrückt man diese Abstoßungsreaktionen mit chemischen Mitteln, also mit immunsuppressiv wirkenden Pharmaka, die lebenslang nach Transplantation gegeben werden müssen, und die natürlich die Abwehrkraft des wiederaufgebauten Immunsystems bei Infektionen schwächen und die Kontrolle autoimmuner, also gegen den eigenen Körper gerichteter Reaktionen des Systems beeinträchtigen.

    "Wir suchen also nach gewebeverträglichen Formen von Transplantationen. Am besten wäre es, der Krebspatient bekäme seine eigenen, gesunden Stammzellen - weil er diese tolerieren und nicht abstoßen würde", so Melchers. "Da das Knochenmark von Krebspatienten mit Krebszellen "verunreinigt" ist, kommt eine 'eigene' Knochenmarkstransplantation jedoch nicht in Frage."

    Bei schwer immundefizienten Kindern sind auch die Stammzellen defekt. Schon Professor Alain Fischer vom Hôpital Necker in Paris hat versucht, die defizienten Stammzellen dieser Kinder durch eine Reparatur des defekten Gens zu korrigieren, und anschließend solche gen-therapierten Stammzellen den immundefizienten Kindern wieder zu transplantieren. Das war auch in etwa 10 Fällen erfolgreich - nur entwickelten sich in einigen dieser transplantierten Kinder Blutzelltumoren, die durch die "mutagene" Wirkung des retroviralen Gen-Vehikels entstanden. Retroviren werden als "Gen-Fähren" benutzt, die das reparierte Gen in das Genom der Stammzellen einschleusen. Die Tumoren ließen sich zwar heilen, aber die schwere Immundefizienz blieb.

    Als Ursache für den mangelnden Erfolg dieser Gen-Therapie zeichnete sich ab, dass Retroviren die reparierten Gene nicht gezielt, sondern irgendwo im Genom der Stammzellen einbauen, wo sie wie Mutagene wirken und daher Krebs auslösen können. Eine intakte Form des defekten Gens sollte also kopie-genau an die richtige Stelle, d. h. an die Gedefektstelle im Genom eingebaut werden, und dabei das defekte Gen ersetzen. Eine solche sogenannte "homologe Rekombination" geht allerdings nur in einem einzigen Typ von Zellen; den embryonalen Stammzellen (ES-Zellen).

    Was sind ES-Zellen? Sie entstehen einmal, 3.5 Tage nach der Befruchtung der Eizelle als 64 sogenannte Blastozysten. Es ist seit längerer Zeit möglich, diese Blastozysten als ES-Zelllinien in Gewebekultur zu vermehren, und in ihnen durch homologe Rekombination gezielt gewünschte Gene im Genom auszutauschen, also auch z. B. das defekte Gen eines immundefizienten Kindes zu reparieren, ohne dass es die Gefahr einer Krebsauslösung birgt. Leider aber sind die ES-Zellen des Kindes längst verschwunden; aus ihnen ist der gesamte Organismus entstanden.

    Durch die vor zwei Jahren besonders in den Laboren von Yamanaka in Kyoto und Jaenisch in Boston entwickelten Gewebekulturmethoden wurde es erstmals möglich, solche ES-Zellen, von Yamanaka vorsichtig "induzierte pluripotente Stammzellen (iPS)" genannt, auch aus differenzierten Zellen des eigenen Körpers, also z. B. aus Hautzellen, zu entwickeln. Also wird es wohl bald gelingen, aus den Hautzellen des immundefizienten Kindes iPS-Zellen zu machen und den Gendefekt des Kindes durch homologe Rekombination, also durch Ersatz des defekten mit einer funktionierenden, normalen Form des Gens zu ersetzen. Desgleichen ist damit zu rechnen, dass man aus nicht krebsbefallenen Hautzellen eines Krebspatienten "seine" individuellen gewebeverträglichen iPS-Zellen herstellen können wird.
    Anschließend können in Gewebekultur mit kürzlich erst entwickelten Methoden aus diesen reparierten iPS-Zellen blutbildende Stammzellen generiert werden, die dann dem Kind oder dem Krebspatienten zur Reparatur seines blutbildenden Systems transplantiert werden.

    Es ist klar, dass es noch einige Jahre dauern wird, bevor dieser prinzipiell jetzt gangbare Weg der Knochenmarkstransplantation zur Reparatur von Immundefekten bei Kindern klinisch umsetzbar wird. Aber die experimentellen Vorleistungen sind bereits erbracht.

    EFIS (European Federation of Immunological Societies) ist der Dachverband der nationalen immunologischen Fachgesellschaften in Europa. Zu EFIS zählen 28 nationale Fachgesellschaften in 31 europäischen Ländern mit insgesamt 13.000 Mitgliedern. Gemeinsame Plattform ist der European Congress of Immunology, der all drei Jahre stattfindet - in diesem Jahr unter dem Motto: "Immunity for Life - Immunology for Health" vom 13. bis 16. September in Berlin. Der Kongress bietet über vier Tage ein umfassendes Programm zum aktuellen Wissensstand in der Immunologie. Das Themenspektrum in den mehr als 30 Symposien und 60 Workshops reicht von der Grundlagenforschung bis zur angewandten Immunologie. Im Mittelpunkt stehen die Erkenntnisse zur angeborenen und erworbenen Immunität, die verschiedenen Aspekte immunologischer Erkrankungen sowie die neuesten Möglichkeiten von Immun-Interventionen. Kongresspräsident Professor Reinhold E. Schmidt, Klinik für Immunologie und Rheumatologie der Medizinischen Hochschule Hannover, lädt Journalisten sehr herzlich dazu ein.

    Weitere Informationen unter:
    www.eci-berlin2009.com

    Ansprechpartner für Rückfragen:

    Prof. Dr. Fritz Melchers

    Ehrenpräsident des 2nd European Congress of Immunology
    Senior Research Group Leader
    Max Planck-Institut für Infektionsbiologie
    Berlin

    Prof. Dr. med. Reinhold E. Schmidt

    Klinik für Immunologie und Rheumatologie
    Medizinische Hochschule Hannover
    Carl-Neuberg-Str. 1
    30625 Hannover
    Tel.: +49-511-532-6656
    Fax: +49-511-532-9067
    E-Mail: immunologie@mh-hannover.de
    Internet: www.mh-hannover.de/kir.html

    Dr. med. Julia Rautenstrauch
    Pressereferentin ECI 2009 Berlin

    MedCongress GmbH
    Geschäftsführer:
    Dr. Julia Rautenstrauch, Hans-Joachim Erbel
    Postfach 70 01 49
    70571 Stuttgart
    Tel: +49 711 72 07 12 0
    Fax: +49 711 72 07 12-29
    Gerichtsstand: Amtsgericht Stuttgart HRB 22288
    jr@medcongress.de
    www.medcongress.de


    Bilder

    Prof. Fritz Melchers, Berlin
    Prof. Fritz Melchers, Berlin

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Prof. Fritz Melchers, Berlin


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