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09.12.2009 12:46

48 Menschenleben in zwei Jahren gerettet - Neues Notfallmanagement bei Blutvergiftung senkt Sterblichkeitsrate deutlich

Constanze Steinke Pressearbeit
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald

    Greifswalder Qualitätsprojekt "Sepsis" soll ausgeweitet werden

    "Ein seit zwei Jahren am Universitätsklinikum Greifswald erprobtes Notfallmanagement zur Bekämpfung von Blutvergiftung (Sepsis) hat 48 Menschen das Leben gerettet", erklärte der Ärztliche Direktor und Vorstandsvorsitzende, Prof. Marek Zygmunt, anlässlich des heute in Greifswald stattfindenden Sepsisfachsymposiums (16.30 Uhr).

    Die durchschnittliche Sterblichkeitsrate von 54 Prozent in Deutschland sank in Greifswald auf 31 Prozent. "Die Gesellschaft muss sich nicht mit jährlich 40.000 Todesopfern und rund 1,8 Mrd. Kosten für die lebenserhaltende Intensivmedizin abfinden. Mit einfachen Maßnahmen kann die Sterblichkeitsrate signifikant beeinflusst werden", so Zygmunt.

    Im November 2007 ist am Uniklinikum Greifswald das Qualitätsprojekt "Sepsis" gestartet worden. "Die Behandlung der Sepsis ist auf Grund ihrer hohen Sterblichkeit eine besondere Herausforderung für die Intensivmediziner und die Pflege. Die Arbeitsgruppe Sepsis hatte sich zunächst zum Ziel gesetzt, durch eine verbesserte Diagnostik und Therapie die Erkrankungen mit tödlichem Ausgang um 10 Prozent zu senken", erläuterte Projektleiter Oberarzt Dr. Matthias Gründling. Eine Blutvergiftung tarnt sich oftmals als Begleiterscheinung einer anderen Erkrankung oder Operation und wird deshalb zu spät erkannt. Die Sepsis ist die aggressivste Form einer Infektion, hervorgerufen durch Mikroorganismen wie Bakterien oder Pilze und deren Gifte. Innerhalb weniger Stunden weisen alle lebenswichtigen Organe des Menschen Entzündungszeichen auf und drohen zu versagen. "Der Tod kommt im Zeitraffer, da zählt jede Stunde", unterstrich der Intensivmediziner. Die Hauptansatzpunkte für eine Notfallmedizin nach dem Vorbild eines wesentlich einfacher zu erkennenden Herzinfarktes lagen dementsprechend in der Aufklärung der Symptome, der schnellstmöglichen Diagnostik über eine Blutprobe und die sofortige Einleitung der richtigen Therapie als Voraussetzung für das Überleben. Frühe und oft im Krankenhausalltag verkannte Symptome einer Sepsis, gerade bei älteren Patienten, sind hohes Fieber, beschleunigte Atmung, schnellerer Herzschlag bei niedrigem Blutdruck sowie Verwirrtheit.

    Sterblichkeit sank innerhalb von zwei Jahren um 26 Prozent

    Um dies zu unterstützen, wurde zunächst die Qualität der Diagnostik und Therapie aller Sepsispatienten auf den Intensivstationen in 2006 und 2007 erfasst und ausgewertet. Daran anknüpfend wurden regelmäßige Schulungen am Klinikum, unter Ärzten und Pflegekräften durchgeführt und aktuelles Informationsmaterial klinikintern zur Verfügung gestellt. Durch die Einhaltung von Sepsisrichtlinien und die Weiterbildung der Mitarbeiter sowie die konsequente Ergebniskontrolle erhalten nunmehr rund 90 Prozent aller Sepsispatienten auf den Intensivstationen innerhalb der ersten Stunde nach Diagnosestellung ein Antibiotikum. Durch das Sepsismanagement nach dem Greifswalder Modell wurde die Sterblichkeit im Greifswalder Klinikum von 57 Prozent (2006/07) auf 43 Prozent (2008) und 31 Prozent im ersten Halbjahr dieses Jahres reduziert. "In Greifswald werden jährlich etwa 100 bis 150 Patienten mit einer schweren Sepsis oder einem septischen Schock behandelt. Nach der derzeitigen Auswertung ist es durch das Projekt in den Jahren 2008 und 2009 gelungen, insgesamt 48 Leben von Patienten mit Blutvergiftung auf den beiden Intensivstationen für Erwachsene zu retten", unterstrich Gründling. Mit dem Sepsismanagement wurde somit eine erhebliche Verbesserung der Behandlungsqualität erreicht.

    Flächendeckende Aufklärung notwendig

    Der Vorstand des Klinikums unterstützt den Sepsis-Dialog, der ausgeweitet werden soll und inzwischen fester Bestandteil einer ganzheitlichen Strategie gegen Krankenhausinfektionen ist. "Unsere Investitionen zur Vermeidung von MRSA*, einen vernünftigen und zurückhaltenden Umgang mit Antibiotika, um Resistenzen zu vermeiden, und der Sepsis-Dialog stehen im direkten Zusammenhang und zahlen sich für die Patienten aus", betonte Prof. Marek Zygmunt. "Ein effektives Notfallmanagement ist wesentlich preiswerter und erspart den betroffenen Familien viel Leid."
    In den meisten Fällen werden heute immer noch tödliche Blutvergiftungen als verschiedenste Organversagen deklariert. Nach Untersuchungen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Kompetenznetzwerkes Sepsis SepNet (http://www.kompetenznetzwerk-sepsis.de) erkranken pro Jahr 154.000 Menschen an einer Blutvergiftung oder septischem Schock, täglich sterben daran 162 Menschen in Deutschland (zum Vergleich: Herzinfarkt 175/Tag als Todesursache Nr. 1).

    Das Sepsismanagement in Greifswald wird auf die Notaufnahmen und alle Fachkliniken ausgeweitet. Darüber hinaus ist vorgesehen, die Weiterbildung für Mediziner und Pflegekräften auf Kliniken und Praxen des Landes auszudehnen. "Da wir wissen, dass etwa 50 Prozent der Sepsisfälle außerhalb des Krankenhauses bzw. außerhalb der Intensivstationen auftreten, versprechen wir uns von der Ausweitung des Sepsisdialoges weitere nachvollziehbare Erfolge", so Dr. Matthias Gründling. "Eine flächendeckende Aufklärung ist dringend notwendig."
    Im Fokus der kommenden Jahre stehen nach Auffassung des Gastreferenten Prof. Konrad Reinhart, Direktor der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Jenaer Uniklinikum sowie Sprecher des Kompetenznetzwerkes Sepsis, neben der weiteren Verbesserung der intensivmedizinischen Akuttherapie, die Prävention, um Blutvergiftungen zu vermeiden, die Sepsis-Früherkennung, der rationale Einsatz von Antibiotika sowie die Nachsorge der Langzeitfolgen einer Blutvergiftung.

    *MRSA - Der Multi-Resistente-Staphylococcus-Aureus (MRSA) ist einer der wichtigsten Erreger nosokomialer (im Krankenhaus erworbener) Infektionen und auch der Blutvergiftung. Die Maßnahmen Sepsisdialog, Antibiotikaleitlinien und MRSA-Screening (vorsorglicher Nasenabstrich bei Risikopatienten) sind im Universitätsklinikum Greifswald sich ergänzende klinikumsweite Maßnahmen, die die Qualität von Diagnostik und Therapie weit verbreiteter infektiöser bakterieller Erkrankungen verbessern sollen.

    http://www.sepsis-gesellschaft.de

    Ansprechpartner
    Uniklinikum Greifswald
    Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin
    Direktor: Prof. Dr. med. Michael Wendt
    Sepsisdialog: OA Dr. Matthias Gründling
    Friedrich-Loeffler-Strasse 23, 17475 Greifswald
    T +49 3834 86-58 60
    M +49 173-203 54 46
    E gruendli@uni-greifswald.de
    oder sepsis@uni-greifswald.de
    http://www.klinikum.uni-greifswald.de


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    Dr. Matthias Gründling
    Dr. Matthias Gründling

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    Zurück im Leben - eine Patientin, die einen schweren septischen Schock auf der Greifswalder Intensivstation überwunden hat, wird wieder gezielt aufgebaut. Physiotherapeutin Daniela Riesebeck (li.) und Intensivschwester Manuela Gerber helfen dabei.
    Zurück im Leben - eine Patientin, die einen schweren septischen Schock auf der Greifswalder Intensiv ...
    Fotos: UKG/Gründling
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin
    überregional
    Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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    Zurück im Leben - eine Patientin, die einen schweren septischen Schock auf der Greifswalder Intensivstation überwunden hat, wird wieder gezielt aufgebaut. Physiotherapeutin Daniela Riesebeck (li.) und Intensivschwester Manuela Gerber helfen dabei.


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