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14.12.2009 10:19

Hannoversche Wissenschaftler zerlegen die ganz dicken Brocken

Dr. Stefanie Beier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz Universität Hannover

    Der Rückbau kerntechnischer Anlagen gehört seit mehr als 20 Jahren zu den Kernkompetenzen des Instituts für Werkstoffkunde der Leibniz Universität Hannover - jetzt startet ein weiteres großes Forschungsprojekt

    Schon heute gibt es in Europa kein Rückbauprojekt, in dem die Techniken aus dem Institut für Werkstoffkunde (IW) keine Anwendung finden. Gemeinsam mit den Firmen Kjellberg Finsterwalde und Kraftanlagen Heidelberg entwickeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler jetzt innovative Lichtbogenschneidverfahren für den Rückbau; das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) stellt für das Projekt mit dem Namen INNO-Cut in den nächsten drei Jahren etwa eine Million Euro bereit.

    Professor Friedrich-Wilhelm Bach, Leiter des IW, erklärt, dass es die Entwicklung zwar schon heute ermöglicht, Kernkraftwerke sicher physikalisch rückzubauen, die neu zu entwickelnden Technologien bedeuteten aber "einen Quantensprung in der Effektivität, Strahlungsexpositionsminimierung und auch der Kostensenkung". Kosten, die gespart werden könnten, um beispielsweise in Projekte der regenerativen Energiegewinnung oder in neuartige Wärmegewinnungskonzepte zu fließen.

    Lichtbogenverfahren haben, speziell für den Rückbau kerntechnischer Anlagen, den großen Vorteil, dass der größte Anteil der verwendeten technischen Ausrüstung später nicht als Sekundärabfall anfällt und zusätzlich entsorgt werden muss.

    "Wir haben eine Stromquelle außerhalb des kontaminierten Bereiches, über Kabel leiten wir die Energie in den Kontrollbereich, in dem sich lediglich der Schneidbrenner und das Führungssystem befinden", erläutert Projektleiter Thomas Hassel. Der promovierte Ingenieur arbeitet am Institut für Werkstoffkunde im Produktionstechnischen Zentrum der Leibniz Universität Hannover (PZH). Er leitet dort das Unterwassertechnikum, das als Kompetenzzentrum für Lichtbogenschneidprozesse in Sonderumgebungen bundesweit führend ist. Auch die neuen Entwicklungen zu den Verfahren Hot-Wire-Plasmaschneiden und Lichtbogen-Sauerstoff-Impulsschneiden arbeiten sowohl unter als auch über Wasser.

    Mit dem "Hot-Wire-Plasmaschneiden" lassen sich dabei auch nichtmetallische Materialien wie etwa armierter Beton thermisch trennen. Der Lichtbogen wird dabei nicht zwischen dem Brenner und der Oberfläche eines Materials selbst gezündet, sondern zwischen dem Brenner und einem Zusatzdraht. Der Draht ist ein so genannter Röhrchendraht, gefüllt mit Aluminiumpulver und Eisenoxid. Diese Bestandteile sorgen für eine starke chemische Reaktion innerhalb des Lichtbogens, die der eigentlichen Energie des Prozesses so viel Energie hinzufügt, dass der gerichtete Lichtbogen eine dicke Betonwand durchtrennen kann. Unter Wasser funktioniert es auch, denn dann setzen die Wissenschaftler Magnesiumdrähte ein und erzeugen mit der starken Verbrennungsenergie von Magnesium unter Wasser die benötigte zusätzliche thermische Energie.

    Das Prinzip des Lichtbogen-Sauerstoff-Impulsschneidens wäre im Normalfall "ein ganz schlechter Schweißprozess": Man ersetzt dafür das Schutzgas des klassischen Metallschutzgasschweißens durch das Gegenteil: durch reaktiven Sauerstoff. Außerdem führt man sehr viel Energie zu. In der Folge brennt das Material durch - beim normalen Schweißprozess ein grobes Missgeschick, hier absolut erwünscht. Und da die Ingenieure die elektrische Energie außerdem nicht kontinuierlich, sondern impulsförmig einbringen, bekommen sie einen Lichtbogen, der im Material wandert und damit das Wiederverschließen der Schneidfuge verhindert.

    Neben dem sicheren und wirtschaftlichen Rückbau kerntechnischer Anlagen sehen die Wissenschaftler weitere Anwendungsmöglichkeiten ihrer Ergebnisse etwa beim Rückbau von Offshore-Strukturen wie Bohr- und Ölplattformen.

    Zum Produktionstechnischen Zentrum Hannover (PZH):
    Das PZH ist 2004 aus der Idee der Leibniz Universität Hannover entstanden, Hochschulforschung, Industrie und Unternehmen der Produktionstechnik zusammenzubringen. So haben sich jene sechs Institute der Fakultät für Maschinenbau, die sich mit Produktionstechnik und Logistik beschäftigen, gemeinsam mit der PZH GmbH und zahlreichen Unternehmen zum Produktionstechnischen Zentrum Hannover zusammengeschlossen. Die GmbH als Universitätstochter übernimmt neben der Verwaltung des neuen Zentrums in Garbsen zahlreiche Aufgaben im Bereich Technologietransfer und Gründerberatung. Zurzeit arbeiten im PZH etwa 450 (Ingenieur-)Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen und Angestellte in Technik und Verwaltung; außerdem rund 400 studentische Hilfskräfte. Das PZH ist eine Lehr- und Forschungsstätte, in der Grundlagen- und industrielle Auftragsforschung gleichermaßen auf höchstem, internationalem Niveau betrieben werden. Seit 2004 hat das PZH mehr als 85 Millionen Euro Drittmittel eingeworben.

    Hinweis an die Redaktion:
    Für weitere Informationen steht Ihnen Dr.-Ing. Thomas Hassel vom Institut für Werkstoffkunde unter Telefon +49 511 762 9813 oder per E-Mail unter hassel@iw.uni-hannover.de gern zur Verfügung.


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Physik / Astronomie, Politik, Umwelt / Ökologie, Werkstoffwissenschaften, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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