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21.12.2009 16:04

Driften Klimapolitik und Klimawissenschaft auseinander? Ein Standpunkt zur Kopenhagener Klimakonferenz COP-15.

Tilo Arnhold Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ

    Ein Standpunkt zur Kopenhagener Klimakonferenz COP-15 von Prof. Reimund Schwarze, der die Verhandlungen im Plenarsaal als Konferenzteilnehmer verfolgt hat.

    Der Klimagipfel in Kopenhagen ist nach einhelliger Meinung gescheitert. Der Minimalkonsens, auf den man sich nach zähen Verhandlungen im Kreis der Großen geeinigt hat, wurde im abschließenden Plenum der UN zerrissen. Im Ergebnis wird das Kopenhagen-Übereinkommen der Großen "zur Kenntnis genommen"; alle rechtlichen Verbindungen zur Klimarahmenkonvention und zum Kyoto-Protokoll wurden gekappt. Damit wird das Dokument zu einer isolierten politischen Absichtserklärung, einem Fremdkörper in der UN-Klimaarchitektur. Der weltgrößte Emittent an Treibhausgasen China hat an dieser rechtlichen und politischen Isolierung des Kopenhagenübereinkommens einen großen Anteil. Jetzt werden Forderungen laut, den Prozess der UN-Klimapolitik auf eine neue organisatorische Grundlage zu stellen. Keine Einigstimmigkeitsregel, kein "UN-Zirkus" mit Nichtregierungsorganisationen und Presserummel. Fortschritte, so lautet die Botschaft, werden nur im kleinen Kreis der größten Emittenten und Vertretern der UN (G20) erreicht. Die Treffen in Heiligendamm, L'Aquila und jetzt das Scheitern in Kopenhagen scheinen dies zu bestätigen. China und die Entwicklungsländer der G77 haben aber in der Abschlusssitzung der COP15 demonstriert, dass sie sich das Heft des Handelns in der Klimapolitik nicht einfach aus der Hand nehmen lassen. . "Die neue Weltwirtschaftsordnung hat den Klimagipfel übernommen", titelte die dänische Tageszeitung Berlinske Tidende während der Konferenz. Will sagen, die Staatengemeinschaft geht ihren Weg; sie lässt sich heute nichts mehr von den Großen der Welt von oben herab vorschreiben - sei es mit oder ohne gute Absichten. Es geht also weiter im schwerfälligen Konsensverfahren aller 193 Vertragsstaaten der UN-Klimakonvention, in dem die Beschlüsse von unten, und nicht von oben vorbereitet werden. Irgendwann wird man auf diesem Weg zu einem Abkommen gelangen. Leider vollzieht sich der Klimawandel schneller. Damit stellt sich die Frage: Ist die internationale Politik zu schwerfällig für die Herausforderungen des Klimawandels? Driften Klimapolitik und Klimawissenschaft auseinander?
    Bislang galt der Satz von Nicholas Stern: "Klimapolitik ist wissenschaftsgetriebene Politik". 1990 erschien der erste Sachstandsbericht des IPCC; danach (1992) fielen die bahnbrechenden Beschlüsse von Rio de Janeiro (UNFCCC). 1995 erschien der zweite Sachstandsbericht des IPCC mit deutlich schärferen Warnungen an die Politiker; 1997 wurde das Kyoto-Protokoll verabschiedet. Vor kurzem (2007) erschien der vierte Sachstandsbericht mit jetzt alarmierenden Hinweis auf die Gefahren des Klimawandels und Änderungen, die bereits unterwegs sind. Und wenige Jahre später fällt der Beschluss der Großen für das Zweigradziel (Kopenhagen) und drastische Einsparziele bis 2050 (L'Aquila). So weit so gut. Doch das Scheitern in Kopenhagen macht deutlich, was in der Gleichung von Stern nicht aufgeht. Der Klimawandel erfolgt in einem Tempo, mit der die gesellschaftlichen Institutionen nicht mithalten können. Der Weltklimarat hat die Marke vorgegeben: Ab dem Jahr 2020 muss die globale Emission abnehmen, wenn man das Zweigradziel auch nur annährend erreichen möchte. Doch davon ist man nach Kopenhagen weiter entfernt denn je; die Wende wurde gleich in der ersten Verhandlungswoche aus den Verhandlungsentwürfen gestrichen. Das Zweigradziel für die langfristige globale Temperaturerhöhung wurde zwar im Kreis der Großen verabschiedet (und findet breite Zustimmung auch bei den Entwicklungsländern), aber die Schritte zur Erreichung des Ziels wurden im Kopenhagen-Übereinkommen offen gelassen. Ohnehin ist das Zweigradziel nur eine Metapher. Wir können das Erdsystem nicht auf zwei Grad genau aussteuern. Die eigentliche Botschaft des Zweigradziels lautet: Wir müssen uns extrem anstrengen, um endlich zur Trendwende bei der globalen Emissionsentwicklung zu kommen. Das haben die Länder dieser Welt allesamt in Kopenhagen nicht getan, vor allem nicht die großen Emittenten China und USA. Mit der Rückkehr der Chinesen zum Business as Usual in der Klimapolitik, d.h. zu den eingefahrenen UN-Klimapolitikpfaden am Samstag, wird deutlich, dass die Uhren der Klimapolitik und Klimawissenschaft anders ticken. Der Klimawandel erfolgt in einem Tempo, mit dem die internationale Klimapolitik nicht mithalten kann. Das Thema Anpassung an den Klimawandel wird dadurch immer dringlicher.
    Prof. Reimund Schwarze

    Prof. Reimund Schwarze lehrt Finanzwissenschaft und Umweltökonomie an der Universität Frankfurt/Oder. Seit Oktober 2007 arbeitet er am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) im Bereich "Ökonomie des Klimawandels". Er ist Sprecher für dieses Thema im Rahmen der Klimainitiative der Helmholtz-Gemeinschaft. Im Dezember 2009 war er Teilnehmer der COP 15 in Kopenhagen.
    Telefon: 0341/235-1635
    http://www.ufz.de/index.php?de=15992


    Weitere Informationen:

    http://blog.ufz.de/klimawandel/ - Berichte und Infos direkt von der Klimakonferenz aus Kopenhagen


    Bilder

    Kleiner Fehler mit großer Symbolwirkung: Auf dem Globus im Konferenzgebäude der COP-15 fehlen bereits einige kleine Inselstaaten wie die Cook Islands, Tuvalu oder Samoa. Diese Korallenriffe sind durch den Anstieg des Meeresspiegels akut bedroht. Daher wollten die so genannten Kleinen Inselstaaten ursprünglich statt des 2-Grad-Zieles ein 1,5-Grad-Ziel durchsetzen. "Es sieht so aus, dass uns dreizig Silberlinge angeboten werden, um unser Volk und unsere Zukunft zu betrügen. Unsere Zukunft steht nicht zum Verkauf." Mit diesen Worten hatte Ian Fry, Delegierter der Südseeinsel Tuvalu, am Samstagmorgen um 3:15 die Kopenhagen-Deklaration zurückgewiesen und damit eine hitzige Debatte zu vorgerückter Stunde ausgelöst. Einige Stunden später war klar: Die Konferenz nimmt den Minimalkonsens, den die Staats- und Regierungschef der größten Industrie- und Schwellenländern intern in einem kleinen Kreis ausgehandelt hatten, lediglich nur zur Kenntniss. Der Eklat war damit perfekt.
    Kleiner Fehler mit großer Symbolwirkung: Auf dem Globus im Konferenzgebäude der COP-15 fehlen bereit ...
    Foto: Tilo Arnhold/UFZ
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    Der Ökonom Prof. Reimund Schwarze war im Dezember 2009 als Teilnehmer bei den Verhandlungen der COP 15 in Kopenhagen dabei.
    Der Ökonom Prof. Reimund Schwarze war im Dezember 2009 als Teilnehmer bei den Verhandlungen der COP ...
    Foto: André Künzelmann/UFZ (Nutzungsbeschränkung: kostenfrei bei redaktioneller Nutzung, Verwendung nur unter Angabe der Quelle und nur im Zusammenhang mit dem UFZ)
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Meer / Klima, Politik, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

    Kleiner Fehler mit großer Symbolwirkung: Auf dem Globus im Konferenzgebäude der COP-15 fehlen bereits einige kleine Inselstaaten wie die Cook Islands, Tuvalu oder Samoa. Diese Korallenriffe sind durch den Anstieg des Meeresspiegels akut bedroht. Daher wollten die so genannten Kleinen Inselstaaten ursprünglich statt des 2-Grad-Zieles ein 1,5-Grad-Ziel durchsetzen. "Es sieht so aus, dass uns dreizig Silberlinge angeboten werden, um unser Volk und unsere Zukunft zu betrügen. Unsere Zukunft steht nicht zum Verkauf." Mit diesen Worten hatte Ian Fry, Delegierter der Südseeinsel Tuvalu, am Samstagmorgen um 3:15 die Kopenhagen-Deklaration zurückgewiesen und damit eine hitzige Debatte zu vorgerückter Stunde ausgelöst. Einige Stunden später war klar: Die Konferenz nimmt den Minimalkonsens, den die Staats- und Regierungschef der größten Industrie- und Schwellenländern intern in einem kleinen Kreis ausgehandelt hatten, lediglich nur zur Kenntniss. Der Eklat war damit perfekt.


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