Nach einer von Kieler Wissenschaftlern des Exzellenzclusters "Ozean der Zukunft" erarbeiteten Studie wird Europa die Zielvorgabe zum Wiederaufbau der Fischbestände um mehr als 30 Jahre verfehlen. Noch 2002 waren sich die europäischen Länder beim Weltgipfel in Johannesburg einig, die Fischbestände sind bis 2015 soweit aufzubauen, dass sie den höchsten langfristigen Ertrag liefern können. Die Studie wurde kürzlich in der Fachzeitschrift "Fish and Fisheries" veröffentlicht.
Kiel, 21.01.2010. Noch 2002 waren sich die europäischen Länder beim Weltgipfel in Johannesburg einig. Die Fischbestände sind bis 2015 soweit aufzubauen, dass sie den höchsten langfristigen Ertrag liefern können. Das Ziel ist nach Analysen von Kieler Wissenschaftlern des Exzellenzclusters "Ozean der Zukunft" schon heute nicht mehr zu halten: Mit Seelachs, Ostsee-Sprotte und Stöcker erreichen nur drei von 54 untersuchten Fischarten im Nordost-Atlantik eine ausreichende Bestandsgröße. Der Zustand von zwölf Fischarten wie zum Beispiel Kabeljau, Scholle oder Heilbutt ist so schlecht, dass sie sich auch bei Einstellung der Fischerei nicht bis 2015 erholen könnten. Weitere Bestände ließen sich allein bei einer entsprechend reduzierten Fangquote rechtzeitig stabilisieren.
Diese Ergebnisse veröffentlichten Dr. Rainer Froese, Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) und Prof. Dr. Alexander Proelß, Walter-Schücking-Institut für Internationales Recht an der Christan-Albrechts Universität zu Kiel, in der Fachzeitschrift "Fish and Fisheries". Die Kieler Wissenschaftler, die im Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft" fächerübergreifend forschen, legen in ihrer Analyse der Fischbestände außerdem dar, dass die regelmäßige, andauernde Überfischung zahlreicher Fischarten das im europäischen Recht verankerte Vorsorgeprinzip verletzt.
"Das Vorsorgeprinzip ist ein verbindliches Rechtsprinzip, an das sich die europäischen Organe wie Kommission und Ministerrat halten müssen. Mit der derzeitigen Praxis verstößt die Europäische Union nicht nur gegen das Völkerrecht, sondern auch gegen das eigene EU-Recht", erklärt Prof. Dr. Alexander Proelß vom Walter-Schücking-Institut für internationales Recht an der Universität Kiel. Die Pflicht, Fischbestände nach dem Leitbild des größtmöglichen erreichbaren Dauerertrags zu bewirtschaften, wurde zunächst im internationalen Seerechtübereinkommen (UNCLOS) 1982 festgelegt, das 1994 in Kraft getreten war. Im "Johannesburg Plan of Implementation" (2002) vereinbarten auch die Europäische Union sowie Norwegen, Russland und Island, ihre Fischereiressourcen bis 2015 nach dem Ansatz des größtmöglichen erreichbaren Dauerertrags zu bewirtschaften. "Bisher wurden die Vorgaben aber weder effektiv in nationales Recht umgesetzt, noch haben sie Einfluss auf die bestehende europäische Fischereipolitik", stellt Proelß fest.
Im Gegenteil: Die Fangquoten für 2010 liegen wieder weit über den Mengen, die einen Aufbau der Bestände zulassen würden. "Wird die heutige Praxis fortgesetzt, verfehlt Europa das vom ihm selbst propagierte Ziel des Wiederaufbaus der Fischbestände um mehr als 30 Jahre", sagt Dr. Rainer Froese, Fischereibiologe am Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR). Dabei könnten die Bestände und damit die Fangmenge für einzelne Fischarten bei nachhaltigem Management deutlich höher ausfallen. "Nach unseren Berechnungen wären bis zu 79 Prozent mehr Erträge zu erzielen", so Froese weiter. "In den Gewässern der europäischen Union werden die Bestände aber so gemanagt, dass sie gerade nicht zusammenbrechen. Diese Politik ist weder wirtschaftlich, noch ökologisch vertretbar."
Dr. Rainer Froese und Prof. Dr. Alexander Proelß arbeiten im Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft" gemeinsam mit Ökonomen des Instituts für Volkswirtschaftlehre sowie weiteren Fischereiexperten aus Wirtschaft und Verbänden an Lösungsansätzen, die europäische Fischereipolitik so zu gestalten, dass die Ziele der Europäischen Union erfüllt werden können.
Originalarbeit
Froese, R., and A. Proelß, Rebuilding fish stocks no later than 2015: will Europe meet the deadline? Fish and Fisheries, doi: 10.1111/j.1467-2979.2009.00349.x
Link: http://www3.interscience.wiley.com/journal/123242614/abstract
Kontakt
Dr. Rainer Froese, Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR),
rfroese@ifm-geomar.de, Tel: 0431-600-4579
Prof. Dr. Alexander Proelß, Walter-Schücking-Institut für Internationales Recht, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, aproelss@internat-recht.uni-kiel.de, Tel.: 0431-880-2083
Dr. Andreas Villwock, Öffentlichkeitsarbeit, Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR), avillwock@ifm-geomar.de, Tel.: 0431-600-2808
Friederike Balzereit, Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft",
fbalzereit@uv.uni-kiel.de, Tel.: 0431-880-3032
Fischen für die Forschung. Fischereibiologen untersuchen Fischbestände.
Foto: Archiv, IFM-GEOMAR.
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Mittlere Bestandsgrößen für 54 europäische Fischbestände. Damit 75% der Bestände nachhaltig befischt ...
Quelle: IFM-GEOMAR.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Meer / Klima, Recht
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Fischen für die Forschung. Fischereibiologen untersuchen Fischbestände.
Foto: Archiv, IFM-GEOMAR.
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Mittlere Bestandsgrößen für 54 europäische Fischbestände. Damit 75% der Bestände nachhaltig befischt ...
Quelle: IFM-GEOMAR.
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