idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
27.01.2010 10:21

Kritische globale Erwärmung auch bei geringem Kohlendioxid-Anstieg

Susanne Schuck Presse und Kommunikation
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel

    Auf Einladung der renommierten Fachzeitschrift Nature Geoscience fassen Professor Ralph Schneider und Professorin Birgit Schneider, Institut für Geowissenschaften der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft", in der aktuellen Ausgabe des Journals die jüngsten Ergebnisse weltweiter Forschungsarbeiten zum Klima der Vergangenheit zusammen und ziehen ein beunruhigendes Fazit: Das tatsächliche Ausmaß des zu erwartenden Klimawandels wird nach wie vor unterschätzt.

    Die aktuelle Klimapolitik verfolgt das Ziel, die Erderwärmung bis zum Ende des 21. Jahrhunderts auf maximal zwei Grad zu beschränken, um die globalen Auswirkungen des Klimawandels noch beherrschen zu können. Nach Einschätzung des Weltklimarates (IPCC - Intergovernmental Panel on Climate Change) muss dafür die Konzentration an Kohlendioxid (CO2) in der Luft auf einen Wert von maximal 450 ppm (parts per million, Teilchen pro eine Million Luftteilchen) begrenzt werden. Heute liegt der Wert bereits bei 386 ppm und damit gut 100 ppm über dem Wert seit Beginn der Industrialisierung.

    Neue wissenschaftliche Studien zeigen jetzt, dass es in der Erdgeschichte bereits im Pliozän vor fünf Millionen Jahren ein wesentlich wärmeres Klima als heute gegeben hat, obwohl gleichzeitig die CO2-Konzentrationen kaum höher lagen. "Diese Studien weisen deutlich darauf hin, dass der Klimawandel unterschätzt wird", warnt Ralph Schneider. "Wir blicken in die Erdgeschichte zurück, um in die Zukunft zu sehen", erläutert Schneider: "Dabei wird deutlich, dass in der Klimapolitik viel konsequenter gehandelt werden muss, damit die Erde als Lebensraum für den Menschen in der jetzigen Form erhalten bleibt."

    Grund für das deutlich wärmere Klima vor fünf Millionen Jahren sind Rückkopplungen zwischen einzelnen Komponenten des Klimasystems und zwar speziell dem Grönlandeis, der Vegetation in den hohen Breiten und dem Ozean, der große Mengen Kohlenstoff speichert. Das Abschmelzen des grönländischen Eisschildes führt dazu, dass weniger Sonnenlicht von der Erdoberfläche reflektiert wird. Gleichzeitig dehnen sich die Nadelwälder weit nach Norden aus. Beides führt dazu, dass die Erde mehr Sonnenlicht aufnimmt und sich die Atmosphäre erwärmt. Im Oberflächenwasser des Ozeans löst sich Kohlendioxid aus der Luft, welches über die Ozeanzirkulation in größere Tiefen transportiert und somit der Atmosphäre dauerhaft entzogen wird. Bei steigender Temperatur des Ozeans sinkt die Löslichkeit von Kohlenstoff im Wasser, so dass mehr Kohlenstoff in der Atmosphäre verbleibt und dort den Treibhauseffekt beschleunigt.

    "Diese Wechselwirkung von Ozean und Atmosphäre wird den globalen Temperaturanstieg bereits innerhalb von etwa 100 Jahren verstärken", verdeutlicht Birgit Schneider, die als Klimamodelliererin im Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft" eng mit Ralph Schneider zusammenarbeitet. "In den Klimamodellen, die dem IPCC zur Verfügung stehen, werden diese Rückkopplungsmechanismen bislang vernachlässigt", so Birgit Schneider weiter.

    Für die politischen Entscheidungen in den nächsten Jahren sind die Prozesse im Ozean zunächst bedeutender als die der Eisschilde, da hier die Veränderungen schneller wirken. Um herauszufinden, wie stark und wann sich eine geringere Kohlenstofflöslichkeit im Ozean auf das globale Klima auswirkt, entwickelt die Arbeitsgruppe im Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft" das computergestützte Klimamodell "Kiel Climate Model System" weiter. Auf dem Hochleistungsrechner an der CAU testen die Forscher, wie sich z.B. der Ozean in verschiedenen Klimaszenarien mit höheren Temperaturen und Kohlendioxidkonzentrationen verhält. Die Ergebnisse aus den Modellsimulationen vergleichen sie mit Daten aus Tiefseeablagerungen, die Aufschluss darüber geben, wie das Klimasystem in der Vergangenheit funktioniert hat. So sichern sie die Modellergebnisse ab.

    "Die marine Paläoklimaforschung, die sich über Jahre hier an der Uni Kiel etabliert hat, liefert wichtige Impulse, um derzeitige Einschätzungen über Klimawandelprognosen deutlich zu präzisieren und damit die Basis für zukünftige Anpassungsmaßnahmen zu verbessern", macht Ralph Schneider deutlich.

    Originalarbeit
    Schneider, B & R. Schneider: Palaeoclimate: Global warmth with little extra CO2, Nature Geoscience January 2010, Vol. 3, No. 1,
    online unter: http://www.nature.com/ngeo/journal/v3/n1/full/ngeo736.html

    Hintergrundinformation
    Die Forschungsarbeiten werden finanziell unterstützt von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft") und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (Projekt BioAcid). Mehr über die Arbeitsgruppe "Marine Klimaforschung" http://www.ifg.uni-kiel.de/marineklimaforschung und über den Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft" unter http://www.ozean-der-zukunft.de

    Zwei Fotos stehen zum Download bereit:

    http://www.uni-kiel.de/download/pm/2010/2010-015-1.jpg
    Bildunterschrift: Birgit Schneider und Ralph Schneider diskutieren Modellszenarien für das Klima der Vergangenheit.
    Foto: CAU, Stefanie Maack, 2010

    http://www.uni-kiel.de/download/pm/2010/2010-015-2.jpg
    Bildunterschrift: Paläoklimaforscher rekonstruieren die Vergangenheit des Klimas anhand von Bodenproben aus mehreren Tausend Metern Tiefe.
    Foto: CAU, Elfi Mollier-Vogel, 2009

    Kontakt:
    Prof. Ralph Schneider, Institut für Geowissenschaften, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel,
    Tel.: 0431/880-1457, E-Mail: schneider@gpi.uni-kiel.de
    Prof. Birgit Schneider, Institut für Geowissenschaften, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel,
    Tel.: 0431/880-3254, E-Mail: bschneider@gpi.uni-kiel.de
    Stefanie Maack, Institut für Geowissenschaften, Christian-Albrechts-Universität zu Kiel,
    Tel.: 0431/8803253 oder 0431/880-1782, E-Mail: stm@gpi.uni-kiel.de
    Friederike Balzereit, Öffentlichkeitsarbeit, Exzellenzcluster "Ozean der Zukunft",
    Tel.: 0431/880-3032, E-Mail: fbalzereit@uv.uni-kiel.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-kiel.de/aktuell/pm/2010/2010-015-klima.shtml


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geowissenschaften, Meer / Klima, Politik, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).