idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
26.02.2010 15:34

Wenn Diabetesforscher Schwein haben - Ein einzigartiges Modell für eine Volkskrankheit

Luise Dirscherl Stabsstelle Kommunikation und Presse
Ludwig-Maximilians-Universität München

    Der Typ-2-Diabetes ist eine Volkskrankheit mit erheblichen gesundheitlichen und wirtschaftlichen Konsequenzen: Jeder zweite Herzinfarkt oder Schlaganfall, aber auch andere schwere Folgeschäden gehen auf das Konto dieser schweren Stoffwechselstörung. Alleine in Deutschland sind mehr als sieben Millionen Menschen von dieser Erkrankung betroffen, weltweit könnte die Zahl der Diabetiker bis im Jahr 2030 auf 370 Millionen steigen.

    Beim Typ-2-Diabetes setzt eine Kombination genetischer und umweltbedingter Faktoren die Wirkung des Hormons Insulin im Körper herab und führt so zu einem chronisch erhöhten Blutzuckerspiegel. Ein Team um die LMU-Tiermediziner Professor Eckhard Wolf und Professor Rüdiger Wanke hat nun erstmals ein genetisch modifiziertes Schweinemodell generiert, das wichtige Aspekte des Typ-2-Diabetes widerspiegelt. "Der Mensch und das Schwein sind sich physiologisch sehr ähnlich", betont Wolf. "Unser einzigartiges Modell ist deshalb hervorragend geeignet, neue Therapien und diagnostische Verfahren zu entwickeln und zu testen." (Diabetes Online Ahead of Print, 26. Februar 2010)

    Ist der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit erhöht, wird von Betazellen der Bauchspeicheldrüse bedarfsgerecht Insulin ausgeschüttet. Das Hormon lässt den überschüssigen Zucker unter anderem von Muskelzellen aufnehmen. Diese Regulation ist bei einem Typ-2-Diabetes gestört, denn dann sprechen die Zellen nicht mehr richtig auf das Insulin an. Es kommt zu einem chronisch erhöhten Blutzuckerspiegel, der schwere Folgeschäden wie etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Nierenversagen und Erblindung nach sich ziehen kann. Bis vor wenigen Jahrzehnten als "Altersdiabetes" bekannt, tritt die bislang unheilbare Erkrankung zunehmend häufiger auch bei jungen Erwachsenen, Jugendlichen und sogar Kindern auf. Je jünger aber die Patientengruppe, desto wahrscheinlicher entwickeln sich im Lauf der Jahre und Jahrzehnte mit dem chronischen Leiden die schweren Folgeerkrankungen.

    Die beiden körpereigenen Inkretinhormone GIP, kurz für "Glukose-abhängiges Insulin-freisetzendes Polypeptid", und GLP-1, kurz für "Glukagon-ähnliches Peptid-1", werden nach der Nahrungsaufnahme vom Darm abgegeben und gelangen über die Blutbahn zur Bauchspeicheldrüse, wo sie Bildung und Ausschüttung von Insulin stimulieren. GLP-1 Präparate werden bereits erfolgreich in der Diabetestherapie eingesetzt. Die Wirkung von GIP ist bei den Patienten dagegen stark eingeschränkt. Es wird kontrovers diskutiert, ob dies eine Ursache oder eine Folge des Diabetes ist. "Unser genetisch modifiziertes Schweinemodell zeigt ebenfalls eine stark reduzierte GIP-Wirkung", berichtet Dr. Simone Renner, Erstautorin der Studie und Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie. "Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass dies nicht nur zu einer Reduktion der Zuckerverwertung und Insulinfreisetzung, sondern auch zu einer verminderten Betazellmasse führen kann - und damit eher Ursache als Folge ist. Es steht zu hoffen, dass unser Modell helfen wird, neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung zeitnah und sicher in klinische Anwendungen umzusetzen."

    Das Schwein scheint dafür besonders gut geeignet, weil sein Stoffwechsel dem des Menschen sehr ähnelt. So zeigt das nun vorliegende Modell neben der verminderten GIP-Wirkung auch weitere wichtige Ähnlichkeiten mit dem Typ-2-Diabetes des Menschen, etwa eine mit dem Alter schlechter werdende Glukoseverwertung, die mit einer verminderten Insulinausschüttung einhergeht. Auch die Masse der Insulin produzierenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse ist aufgrund einer gestörten Vermehrung reduziert. Insgesamt bietet das neue Schweinemodell vielfältige Optionen für die Diabetesforschung, etwa die weitere Entwicklung und die Überprüfung von Therapieansätzen, die auf den Inkretinhormonen basieren und bereits jetzt eine wichtige Rolle spielen. Ebenfalls denkbar ist die Entwicklung bildgebender Verfahren, mit denen die Masse der Betazellen am lebenden Patienten dargestellt werden kann. Die Münchner Forscher verfügen mittlerweile über insgesamt vier Schweinemodelle für die Diabetesforschung und damit über eine weltweit einzigartige Ressource. (suwe)

    Publikation:
    "Glucose intolerance and reduced proliferation of pancreatic ?-cells in transgenic pigs with impaired GIP function",
    Simone Renner, Christiane Fehlings, Nadja Herbach, Andreas Hofmann, Dagmar C. von Waldthausen, Barbara Keßler, Karin Ulrichs, Irina Chodnevskaja, Vasiliy Moskalenko, Werner Amselgruber, Burkhard Göke, Alexander Pfeifer, Rüdiger Wanke, Eckhard Wolf,
    Diabetes Online Ahead of Print, 26. Februar 2010
    DOI: 10.2337/db09-0519

    Ansprechpartner:
    Prof. Dr. Eckhard Wolf
    Lehrstuhl für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie
    Veterinärwissenschaftliches Department
    Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München
    Tel.: 089 / 2180 - 76800
    Fax: 089 / 2180 - 76849
    E-Mail: ewolf@lmb.uni-muenchen.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Medizin, Tier / Land / Forst
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).