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26.06.2001 00:00

Zeitreise mit virtuellen Fremdenführern

Bernad Lukacin Presse und Öffentlichkeitsarbeit
Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD

    Mit Geistern Kontakt aufnehmen zu können, diesen Wunsch hegt so mancher Besucher im Verlies einer mittelalterlichen Burg, vor den Ruinen einer römischen Garnisonsanlage oder auf einem historischen Stadtplatz. Welch interessante Geschichten könnten diese Zeugen längst vergangener Epochen erzählen - über ihre Könige und Kaufleute oder die Schrecken des Krieges, insbesondere aber über ihr persönliches Schicksal in dieser Zeit. Wenn sie sich nur zeigen und mit den Menschen von heute reden würden! Ein solches Medium, um mit der Geisterwelt Verbindung aufzunehmen, haben die Forscherinnen und Forscher im Projekt GEIST gefunden: Kein Zauberstab, keine Glaskugel, sondern ein mobiles »Augmented Reality«-Informationssystem ist das magische Instrument für die Touristen von morgen. Virtuelle historische Figuren oder geschichtliche Vorgänge werden ihnen über eine Datenbrille in die reale Umgebung eingeblendet, so dass der Stadtrundgang gleichzeitig zum Rahmen einer spannenden Erzählung wird, die in der Vergangenheit spielt. Die einzelnen Szenarien sind unterschiedlich konzipiert, damit Jugendliche und Erwachsene, Kunstliebhaber, Architekturfans oder Touristen, die generelle Hintergrundinformationen suchen, die passende Handlung auswählen können. Mit dem innovativen Informationssystem wird zukünftig nicht nur die Städtetour, sondern auch der Geschichtsunterricht in der Schule zum Erlebnis.

    Beispiel Heidelberg: Eine männliche Gestalt schwebt im Raum, direkt vor dem Eingang des Klingentores in der Altstadt. Er erzählt den Besuchern vom bewegten Leben in der berühmten Stadt am Neckar, wo er als Wächter vor 380 Jahren den Zugang kontrollierte. Dabei wandelt sich das Tor vor den Augen der Touristen, sie sehen das virtuelle Modell des Bauwerkes aus der Zeit um 1620. Szenenwechsel: Schüler erhalten vor dem Heidelberger Schloss ihr »Zauberwerkzeug« ausgehändigt. Darauf tauchen die Geister von Hans und Käthe vor dem Auge der Schüler auf, die Stadt im Hintergrund brennt und die beiden Jugendlichen fühlen sich schuldig. Sie fordern die Jugendlichen von heute auf, sie zu erlösen, indem sie an verschiedenen Stationen in der Stadt die Geschehnisse von damals rekonstruieren und das Rätsel aufklären.

    Die Geschichte von Städten und Regionen lebendig und anschaulich zu präsentieren - dieses Ziel verfolgen die Partner im Projekt GEIST. Das Verbundprojekt startete im März und hat ein Volumen von zirka 5,6 Millionen Mark bei einer Laufzeit von drei Jahren. Die Arbeit der interdisziplinären Forschergruppe wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit insgesamt rund 4 Millionen Mark gefördert. Die jeweiligen Kompetenzen und das spezifische Know-how der Konsortialpartner ergänzen sich in idealer Weise: Die Projektkoordination liegt beim Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD in Darmstadt, deren Forscherinnen und Forscher langjährige Erfahrungen auf den Gebieten Geo-Informationssysteme und -Positionsbestimmung sowie Augmented Reality-Technologie besitzen. Expertenwissen zu Digital Storytelling bringt das Darmstädter Zentrum für Graphische Datenverarbeitung (ZGDV) in das Projekt ein. Für die korrekte und fundierte Darstellung der Historie sorgt das European Media Lab mit einer geschichtlichen Wissensdatenbank.

    Erproben wird die Forschergruppe des GEIST-Projektes ihr innovatives geschichtliches Informationssystem zunächst in Heidelberg mit Altstadt und Schloss. Denn dieser Originalschauplatz ist prädestiniert, um Geister aus unterschiedlichen Epochen zum Leben zu erwecken: Kriegerische Nachbarn aus der Pfalz und Frankreich, die um Besitz und Macht kämpfen; Romantiker und Dichter, die Liebesgeschichten durchleiden; Handwerker und Kaufleute und andere Protagonisten, die hautnah von den Wirren des Dreißigjährigen Krieges erzählen. GEIST erzählt Geschichten in Form eines historischen Stadtrundganges. Den Rahmen der Handlung bilden einzelne Stationen wie Bauwerke oder Ruinen. Alles was ein Besucher benötigt, um in einer Stadt die Geister sichtbar zu machen, bekommt er im Büro der Touristik-Information: Einen tragbaren Klein-Computer, der mit GPS, Kompass und entsprechender Software bestückt ist, sowie eine Datenbrille und Kopfhörer. »Das mobile Augmented Reality-System illustriert die Erzählungen über die Stadtgeschichte, indem Ruinen oder neue Gebäude mit grafischen Rekonstruktionen zerstörter Bauwerke überlagert werden' die in einer früheren Zeit an dieser Stelle standen. Computeranimierte Charaktere repräsentieren Menschen, die einstmals in dieser Stadt lebten«, so Dr. Uwe Jasnoch, Leiter der Abteilung Graphische Informationssysteme am Fraunhofer IGD. Im Projekt GEIST werden er und seine Mitarbeiter insbesondere für die Entwicklung eines videobasierten mobilen Tracking-Systems verantwortlich sein. Mit dem Verfahren lässt sich die Position und die Blickrichtung des Betrachters präzise ermitteln - eine Voraussetzung, um die grafischen Gebäuderekonstruktionen exakt mit dem existierenden Bauwerk überlagern zu können.

    Darüber hinaus kommt der attraktiven und inspirierenden Darstellung der virtuellen Charaktere eine wichtige Rolle zu. Die Geister sollen die Betrachter nicht nur visuell ansprechen, sondern gleichzeitig mit ihrem Verhalten im interaktiven Dialog für Spannung sorgen und die Teilnehmer zum Weitersuchen motivieren. Dabei gilt es, durch »Interactive Storytelling« die dramaturgisch vorgedachten Geistergeschichten mit den Aktionen der Touristen in einer intelligenten Spielsteuerung zu verbinden. »Touristen werden die neue Technologie gerne nutzen, wenn sie Teil einer Gesamtgeschichte ist, die den Einzelnen einbezieht und fesselt«, sagt Ulrike Spierling, Leiterin der Abteilung Digital Storytelling am ZGDV in Darmstadt. Ihre Gruppe wird in GEIST dafür sorgen, dass die Betrachter persönlich in die Handlung eingebunden werden und zu Protagonisten der Geschichte werden. Sie erleben geschichtliche Zusammenhänge anhand von individuellen Geschichten einzelner Personen (Geister), die ihnen begegnen. Fesseln wird Erwachsene und Jugendliche zum einen die Geisterwelt und zum anderen die Möglichkeit, selbst aktiv zu werden und an den Originalschauplätzen mit den tragbaren Geräten auf Spurensuche zu gehen. Verwirklicht wird hier der moderne Ansatz des »Edutainment«: Die amerikanische Wortsynthese aus Education und Edutainment verspricht spielerisches Lernen, beziehungsweise Wissensvermittlung, die Spaß macht. Da Betrachter in GEIST Geschichten und Geschichte persönlich erleben, können sie sich auf diese Weise Zusammenhänge besser klarmachen als bei üblichen Formen des Lernens, für die wiederum dadurch eine Motivation erzeugt wird.

    Die Forschungsergebnisse des Projektes GEIST können zukünftig auch für andere Anwendungen interessant sein. Beispielsweise wäre das videobasierte mobile Tracking-System sehr geeignet für den Einsatz in mobilen Geographischen Informationssystemen.
    Detaillierte Informationen zu GEIST finden Sie demnächst unter der URL:

    http://www.tourgeist.de/

    Kontakt
    Dr. Uwe Jasnoch
    Fraunhofer IGD Darmstadt
    Telefax: 06151/155-251
    E-Mail: uwe.jasnoch@igd.fhg.de

    Kurzprofil INI-GraphicsNet:
    Das internationale Netzwerk der Graphischen Datenverarbeitung (INI-GraphicsNet) besteht aus dem Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD, dem Zentrum für Graphische Daten-verarbeitung (ZGDV) e.V., beide in Darmstadt und Rostock, und dem Fachgebiet Graphisch-Interaktive Systeme (GRIS) der Technischen Universität Darmstadt. Weitere Institutionen des Netzwerkes sind das Fraunhofer-Anwendungszentrum für Computergraphik in Chemie und Pharmazie (AGC) in Frankfurt, das Fraunhofer Center for Research in Computer Graphics (CRCG) in Providence, Rhode Island (USA), das Fraunhofer Centre for Advanced Media Technology (CAMTech) in Singapur und das Centro de Computação Gráfica (CCG) in Guimarães und Coimbra (Portugal).

    Innerhalb des Netzverbundes sind an den sechs Standorten über 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie rund 560 wissenschaftliche Hilfskräfte beschäftigt. Bei einem Haushalt von über 41 Millionen EURO bildet das INI-GraphicsNet weltweit den größten Forschungsverbund auf dem Gebiet der Graphischen Datenverarbeitung.


    Weitere Informationen:

    http://www.tourgeist.de/


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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