idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
20.04.2010 14:22

Freie Universität stellt neue Online-Datenbank über den Verbleib "entarteter Kunst" vor

Melanie Hansen Kommunikations- und Informationsstelle
Freie Universität Berlin

    Wissenschaftler der Freien Universität haben am Dienstag in Berlin eine Datenbank vorgestellt, in der die Schicksalswege aller in der NS-Zeit als "entartet" aus Museumsbesitz beschlagnahmten Kunstwerken rekonstruiert werden. Die Dokumentation der Forschungsstelle "Entartete Kunst" am Kunsthistorischen Institut umfasst mehr als 21.000 Datensätze zu Gemälden, Plastiken und Druckgraphiken, die 1937 von den Nationalsozialisten im Rahmen der gleichnamigen Aktion als "entartet" verfemt und beschlagnahmt wurden. Betroffen waren damals etwa 1.400 Künstler. Die Ergebnisse der Recherchen werden vom 21. April an erstmals kostenfrei im Internet abrufbar sein.

    Die Forschungsstelle "Entartete Kunst" wurde Ende 2002 eingerichtet. Sie wird seit ihrer Gründung im Wesentlichen von der Ferdinand-Möller-Stiftung und der Gerda Henkel Stiftung finanziert. Im Mittelpunkt der Forschung stehen die Methoden nationalsozialistischer Kunstpolitik, insbesondere die Vorgeschichte, Geschichte und die Auswirkungen der Beschlagnahme moderner Kunstwerke in deutschen Museen durch die Nationalsozialisten im Jahr 1937. Eingebunden darin sind Recherchen zu den antimodernen Propagandaausstellungen seit 1933 und zu der Wanderausstellung "Entartete Kunst" von 1937 bis 1941. In diesem Zusammenhang ergründen die Wissenschaftler der Forschungsstelle das Schicksal der betroffenen Künstler, die Strategien der Museumsleiter und die Rolle der Kunsthändler innerhalb des Verwertungssystems.

    Ob Ernst Barlach, Max Beckmann, Marc Chagall, Otto Dix, Ludwig Godenschweg, Ernst Ludwig Kirchner, Franz Marc, Emil Nolde, Oskar Schlemmer oder Milly Steeger - viele berühmte Bilder, Plastiken und Arbeiten auf Papier sind verschollen. Sie hinterlassen schmerzliche Lücken in den Beständen deutscher Museen. Ursache dafür ist die Kunstpolitik im "Dritten Reich": 1937 wurde in Deutschland in beispielloser Weise moderne Kunst als "entartet" diffamiert. Nationalsozialisten beschlagnahmten aus den Museen mehr als 20.000 Werke. Dadurch waren die modernen Kunstrichtungen dem Blick der Öffentlichkeit fast vollständig entzogen. Doch wo sind die Werke geblieben? Welche Schicksalswege erwartete sie nach der Beschlagnahme?

    Die an der Freien Universität Berlin auf Initiative der Ferdinand-Möller-Stiftung angesiedelte Forschungsstelle "Entartete Kunst" geht diesen Fragen nach. Unter der Leitung von Prof. Dr. Klaus Krüger versucht ein Team von Wissenschaftlern um den Kunsthistoriker Andreas Hüneke, die Beschlagnahme-Aktion zu rekonstruieren. Hüneke beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit der nationalsozialistischen Aktion "Entartete Kunst". Für das Inventar werden alle damals betroffenen Objekte in einer multirelationalen Datenbank (MuseumPlus) geführt. Jedes Werk erhält eine für seine Identifikation notwendige Dokumentation und wird mit Abbildungen verknüpft. Im Mittelpunkt der Recherchen steht dabei der Besitzerwechsel der beschlagnahmten Werke bis zum heutigen Standort - eine vielschichtige und im Einzelnen auch politisch brisante Suche nach den verschollenen Kunstwerken.

    Anders als bei Raub- oder Beutekunst, bei der es sich um "NS-verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter" handelt, können bei den 1937 als "entartete" Kunst aus Museumsbesitz beschlagnahmten Werken heute keine Restitutionsansprüche geltend gemacht werden: Das NS-Gesetz von 1938 zur entschädigungslosen Einziehung sogenannter "entarteter" Kunst wurde nicht aufgehoben; öffentliche Einrichtungen wie Museen können sich nicht auf eine rassische oder politische Verfolgung berufen. Wer im Besitz eines dieser Kunstwerke ist, gilt damit noch immer als rechtmäßiger Eigentümer. In Einzelfällen allerdings - wenn in den Museen Leihgaben aus Privatbesitz beschlagnahmt wurden - gibt es eine unmittelbare Verbindung zu Rückgabeansprüchen ehemals verfolgter Sammler und ihrer Nachkommen, die die Öffentlichkeit immer wieder bewegen. Die Forschungsstelle "Entartete Kunst" sieht sich mit ihrer Datenbank auch hierfür als ein wichtiger Auskunftsgeber.

    Gerade im Hinblick auf die von Kulturstaatsminister Bernd Neumann geforderte Stärkung der Erfor-schung der Herkunft der Kunstwerke in Deutschland wird die Datenbank ein unerlässliches Hilfsmittel für Museumsmitarbeiter sein. Derzeit enthält das Inventar 21.103 Datensätze, die mit 12.221 Bilddateien verknüpft sind. Die Datenbank ist als ein "work in progress" angelegt; sie wird auch nach der Veröffentlichung weiter bearbeitet und ergänzt. Die bisher erfassten Daten werden nicht auf einmal sondern nacheinander im Internet freigeschaltet. Am 21. April 2010 erfolgt zunächst die Publikation von ca. 2.500 Datensätzen. Im Abstand von drei bis vier Monaten ist mit neu überprüften und aktualisierten Datensätzen des gleichen Umfangs zu rechnen. Die Datenbank steht jedem Anwender gebührenfrei zur Verfügung. Die Mitarbeiter der Forschungsstelle erhoffen sich durch die Veröffentlichung des Beschlagnahme-Inventars Informationen der Nutzer zu den bis heute verschollenen Werken und unbekannt gebliebenen Künstlern.

    Über die Forschungsstelle "Entartete Kunst":

    Die Forschungsstelle "Entartete Kunst" wurde Ende des Jahres 2002 auf Anregung der Ferdinand-Möller-Stiftung an der Freien Universität Berlin unter der Leitung von Prof. Dr. Uwe Fleckner gegründet. Seit 2007 wird sie von Prof. Dr. Klaus Krüger die Forschungsstelle geleitet. Im Mittelpunkt der Forschungen stehen Vorgeschichte, Geschichte und Auswirkungen der Beschlagnahme moderner Kunstwerke in deutschen Museen durch die Nationalsozialisten im Jahr 1937. Eingebunden darin sind Fragen nach den Methoden nationalsozialistischer Kunstpolitik, insbesondere im Zusammenhang mit den antimodernen Propaganda-Ausstellungen seit 1933 und der Wanderausstellung "Entartete Kunst" von 1937 bis 1941. In diesem Zusammenhang recherchiert die Forschungsstelle über das Schicksal der betroffenen Künstler und ihre Reaktionen auf offene oder verdeckte Repressalien, die Strategien der Museumsleiter und die Rolle der Kunsthändler innerhalb des Verwertungssystems sowie die Wege der 1937 beschlagnahmten Kunstwerke bis zu ihrem heutigen Standort.

    Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter:

    o Prof. Dr. Klaus Krüger (Leiter der Forschungsstelle "Entartete Kunst" / Geschäftsführender Direktor des KHI / Forschungsdekan des FB Geschichts- und Kulturwissenschaften)
    o Andreas Hüneke (Gründungsmitglied und wiss. Mitarbeiter)
    o Dr. Meike Hoffmann (wiss. Mitarbeiterin und Projektkoordinatorin)
    o Susanna Köller M. A. (akademische Mitarbeiterin)
    o Dr. des Petra Gördüren (Redaktionelle Betreuung der Schriftenreihe)
    o Julia Zietlow (studentische Hilfskraft)
    o Nadine Bauer (studentische Hilfskraft)

    Förderer:

    Die Forschungsstelle "Entartete Kunst an der Freien Universität Berlin ist als ein langfristiges Drittmittelprojekt angelegt und wurde bzw. wird durch folgende Stiftungen gefördert:
    o Ferdinand-Möller-Stiftung, Berlin
    o Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf
    o Hermann Reemtsma Stiftung, Hamburg
    o International Music and Art Foundation, Vaduz
    o Kulturstiftung der Länder, Berlin
    o zetcom AG, Bern u. Berlin
    o Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaften, Freie Universität Berlin

    Schriftenreihe:

    Die Forschungsstelle "Entartete Kunst" gibt eine eigene Schriftenreihe heraus. Im Akademie Verlag Berlin sind bisher folgende Bände erschienen:
    o Uwe Fleckner (Hrsg.):Angriff auf die Avantgarde. Kunst und Kunstpolitik im Nationalsozialis-mus, Bd. 1, Berlin 2007.
    o Maike Steinkamp: Das unerwünschte Erbe. Die Rezeption "entarteter" Kunst in Kunstkritik, Ausstellungen und Museen der SBZ und frühen DDR, Bd. 2, Univ.-Diss. Hamburg, Berlin 2008.
    o Uwe Fleckner (Hrsg.): Das verfemte Meisterwerk. Schicksalswege moderner Kunst im Dritten Reich, Bd. 4, Berlin 2009.

    Akademische Feier zur Freischaltung:

    Mittwoch, den 21. April, 16.15 Uhr, Freie Universität Berlin, Koserstraße 20, Hörsaal B

    Kontakt und Adresse:

    o Prof. Dr. Klaus Krüger (Leiter, 030 / 838-53865, kkrueger@zedat.fu-berlin.de)
    o Andreas Hüneke (wiss. Mitarbeiter, 0331 / 295957 / ahueneke@googlemail.com)
    o Dr. Meike Hoffmann (wiss. Mitarbeiterin und Projektkoordinatorin, 0178 / 1672851; E-Mail: meikeh@zedat.fu-berlin.de)

    o Freie Universität Berlin, Kunsthistorisches Institut, Forschungsstelle "Entartete Kunst", Koserstraße 20, 14195 Berlin, Telefon: 030 /838-54523, E-Mail: fsek@zedat.fu-berlin.de


    Weitere Informationen:

    http://www.geschkult.fu-berlin.de/e/khi/forschung/entartete_kunst/index.html
    http://Adressen der Datenbank im Internet: (ab 21. April frei zugänglich)
    http://- http://entartetekunst.geschkult.fu-berlin.de
    http://- http://datenbank-entartetekunst.geschkult.fu-berlin.de
    http://- http://datenbank-fsek.geschkult.fu-berlin.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Kunst / Design, Politik
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).