Mannheimer Politikwissenschaftler ermittelt Koalitionswahrscheinlichkeiten: Erhält Schwarz-Grün am Sonntag genügend Sitze, ist diese Koalition wahrscheinlicher als ein Bündnis von CDU und SPD
Verliert die Regierung in Düsseldorf am 9. Mai ihre Mehrheit, so spricht nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Dr. Marc Debus von der Universität Mannheim viel für Schwarz-Grün in Nordrhein-Westfalen. Er hat errechnet: Nur wenn Union und Grüne nicht genügend Sitze erreichen, wird das Land wohl von einer großen Koalition geführt werden. Reicht es rechnerisch für Schwarz-Grün, liegt die Wahrscheinlichkeit bei 65 Prozent, dass sie auch miteinander koalieren.
Doch wie kommt Debus zu diesen Prognosen? Mit seinem Kollegen Prof. Dr. Thomas Bräuninger, ebenfalls Uni Mannheim, hat der Wissenschaftler des Mannheimer Zentrums für Europäische Sozialforschung (MZES) ein Modell entwickelt, um die Wahrscheinlichkeiten von Koalitionen zu ermitteln. „Wir haben alle deutschen Landtagswahlen seit 1990 samt den daraus resultierenden Regierungsbildungen ausgewertet. In die Berechnung fließen die Stärke der Parteien im Parlament und ihre programmatischen Positionen, die anhand einer Analyse der Landtagswahlprogramme gewonnen werden, mit ein. Ebenso berücksichtigen wir die Koalitionsaussagen der Parteien und die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat“, erklärt der Politikwissenschaftler des MZES. So könnten rund 75 Prozent aller auf Landesebene gebildeten Regierungsbündnisse korrekt berechnet werden.
Dieses Verfahren wurde auch für die Landtagswahlen in Brandenburg, dem Saarland und in Thüringen im vergangenen Herbst mit Erfolg durchgeführt: Die schließlich gebildeten Koalitionen waren in zwei der drei Fälle – nämlich Thüringen und Saarland – korrekt prognostiziert worden. Für Nordrhein-Westfalen ergibt sich, ausgehend von einer Sitzverteilung, die auf den Umfragewerten des Forsa-Instituts für den „Stern“ vom 28. April beruht, das in der folgenden Tabelle abgetragene Bild, nach dem Jürgen Rüttgers wohl Ministerpräsident bliebe.
Übersicht: Koalitionswahrscheinlichkeiten in NRW, ausgehend von einer Sitz-verteilung beruhend auf den Umfragewerten des Forsa-Instituts für den „Stern“ vom 28.04.2010
Koalitionsoption: CDU und Bündnis 90/Die Grünen
Wahrscheinlichkeit: 65,3%
Koalitionsoption: CDU und SPD
Wahrscheinlichkeit: 29,9%
Koalitionsoption: SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Linke
Wahrscheinlichkeit: 2,8%
Auf der Grundlage der bislang vorliegenden Statements der Parteien kann Debus zum einen solche Koalitionen ausschließen, die CDU, FDP und die „Linke“ umfassen würden. Zum andern haben die Liberalen auf ihrem Landesparteitag am 2. Mai in Aachen Koalitionen mit SPD oder Grünen a priori abgelehnt, womit de facto eine Ampel- und eine Jamaika-Koalition nicht mehr berücksichtigt werden können. Zwar bevorzugen Union und Liberale eine Neuauflage der amtierenden schwarz-gelben Koalition, allerdings haben Grüne wie auch die Christdemokraten in NRW ein gemeinsames Regierungsbündnis nicht ausgeschlossen. Dies gilt auch für eine Koalition aus SPD, Grünen und der „Linken“. Zwar werden letztere von Sozialdemo¬kraten wie Grünen nicht als besonders regierungsfähig wahrgenommen, aber ausschließen will die SPD-Spitzenkandidaten Hannelore Kraft wie auch die Führung der Grünen das Linksbündnis nicht.
Was aber passiert, wenn – wie etwa das ZDF-Politbarometer vom 30. April nahelegt – auch Schwarz-Grün keine Mehrheit erringt? Das Modell ermittelt in diesem Fall eine Wahrschein¬lichkeit von 85,9 Prozent für eine große Koalition aus Union und SPD. Ein Linksbündnis ist nach Debus’ Berechnungen in diesem Szenario mit einer Wahrscheinlichkeit von 7,9% nach wie vor sehr unwahrscheinlich.
Sollte also Schwarz-Gelb in Düsseldorf keine Mehrheit erreichen, dann könnte NRW nach Hamburg das zweite Bundesland werden, in dem CDU und Grüne gemeinsam die Regierung stellen. Sollten es die Mehrheitsverhältnisse erforderlich machen, ist – vor allem aufgrund der Koalitionsaussage der FDP vom vergangenen Wochenende – eine große Koalition das wahrscheinlichste Ergebnis.
Dr. Marc Debus forscht als Fellow und Projektleiter am Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES) der Universität Mannheim, an der er auch unterrichtet.
Literatur: Bräuninger, Thomas & Marc Debus (2009): Schwarz-Gelb, Schwarz-Rot, Jamaika oder die Ampel? Koalitionsbildungen in Bund und Ländern im Superwahljahr 2009. Zeitschrift für Politikberatung 2: 3, 563-567. http://dx.doi.org/10.1007/s12392-009-0215-2
Kontakt und weitere Informationen:
Dr. Marc Debus
Projektleiter und Fellow
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-2809
Telefax: +49-621-181-2845
Marc.Debus[at]mzes.uni-mannheim.de
Nikolaus Hollermeier
Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung (MZES)
Direktorat / Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Universität Mannheim
Telefon: +49-621-181-2839
Telefax: +49-621-181-2866
nikolaus.hollermeier[at]mzes.uni-mannheim.de
http://www.mzes.uni-mannheim.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Gesellschaft, Politik
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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