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30.08.2010 13:31

Lebensstil und Kopfschmerzen: Direkter Zusammenhang - Interview zum Dt. Kopfschmerztag 5. September

Rita Wilp Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft

    Am 5. September 2010 findet der jährliche Deutsche Kopfschmerztag statt. Er
    macht auf die oft unterschätzte Krankheit mit ihren vielen unterschiedlichen
    Ausprägungen aufmerksam. Privatdozentin Dr. Stefanie Förderreuther,
    Generalsekretärin der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft, gibt
    dazu im Interview Auskunft. Informationen auch unter www.dmkg.de

    Frage: Etwa fünf Prozent der Deutschen leiden unter täglichen Kopfschmerzen,
    70 Prozent haben chronisch wiederkehrende oder anfallsartige Kopfschmerzen.
    Gibt es bestimmte Lebensgewohnheiten, die den Kopfschmerz fördern?

    Dr. Förderreuther: Ja, dazu ist gerade eine Veröffentlichung in der
    renommierten Zeitschrift "Neurology" erschienen. Über 5.800 norwegische
    Jugendliche im Alter zwischen 16 und 19 Jahren wurden zu ihrem Lebensstil
    und dem Auftreten von Kopfschmerzen befragt. Es zeigte sich, dass
    wiederkehrende Kopfschmerzen signifikant häufiger mit Übergewicht, geringen
    sportlichen Aktivitäten und Rauchen assoziiert waren. In einer etwas
    kleineren Erhebung aus Deutschland, an 1.260 Gymnasiasten der 10. und 11.
    Klasse, wurden vergleichbare Ergebnisse gezeigt: Das häufige Konsumieren von
    alkoholischen Getränken und Kaffee, Rauchen und wenige körperliche
    Aktivitäten standen signifikant mit dem Auftreten von Migräne und
    Spannungskopfschmerzen in Zusammenhang. Migräne und Spannungskopfschmerzen
    können zwar schon im Kindesalter auftreten, aber bei den meisten Patienten
    beginnen sie erst nach der Pubertät. Durch eine gesunde Lebensweise kann man
    offenbar durchaus Einfluss auf diese Kopfschmerzen nehmen. Die genetische
    Vorbelastung spielt zwar sicher mit eine Rolle, aber sie ist eben nicht der
    einzige Faktor. Da wir die genetischen Faktoren nicht beeinflussen können,
    ist es besonders wichtig, sich auf solche Dinge zu konzentrieren. Je früher
    wir Kopfschmerzen gezielt behandeln - also gerade schon bei den
    Jugendlichen - umso geringer sind die Risiken für eine spätere
    Chronifizierung.

    Frage: Kann man Kopfschmerzen überhaupt vorbeugen?

    Dr. Förderreuther: In einem gewissen Maß kann man natürlich vorbeugen. Die
    meisten Menschen können sehr gut erkennen, dass es Auslöser gibt, die man
    beeinflussen kann. Dazu gehören in erster Linie beruflicher und privater
    Stress. Die beruflichen Anforderungen werden immer höher. Viele meiner
    Patienten erzählen, dass in ihrer Abteilung Personal gespart wurde, dass sie
    jetzt noch mehr Aufgaben zu erledigen haben und nicht mehr wissen, wie sie
    ihr Pensum erledigen sollen. Im Nacken sitzt dann oft die Angst um den
    Arbeitsplatz - da ist es dann natürlich nicht leicht, eine Änderung
    herbeizuführen.

    Zu den Auslösern gehören aber auch Unregelmäßigkeiten im Tagesablauf wie das
    Weglassen einer Mahlzeit, zu wenig Flüssigkeitszufuhr, aber auch zu viel
    oder zu wenig Schlaf. Bei Menschen, die in der Woche immer früh aufstehen
    und am Wochenende regelmäßig Kopfschmerzen bekommen, kann es schon helfen,
    am Wochenende den Wecker zur gewohnten Zeit läuten lassen und kurz wach zu
    werden. Danach können sie weiterschlafen und ersparen sich so vielleicht den
    einen oder anderen Kopfschmerztag. Bewegungsmangel, zuviel Alkohol, alles
    das sind Faktoren, die man angehen kann. Oft hilft es, einmal einen
    Kopfschmerzkalender zu führen, um Auslöser zu erkennen. Was viele Patienten
    nicht wissen ist, dass die häufige und übermäßige Einnahme von
    Schmerzmitteln im Endeffekt Kopfschmerzen chronifiziert.

    Frage: Ist die regelmäßige medikamentöse Behandlung von Kopfschmerzen
    sinnvoll?

    Dr. Förderreuther: Bei jeder Kopfschmerztherapie ist es wichtig, zwischen
    der Akutbehandlung der Kopfschmerzen und der vorbeugenden Therapie zu
    unterscheiden. Die Akuttherapie ist wichtig, um den akuten Schmerz zu
    lindern. Ein Problem ist, dass alle Substanzen, die man zur Behandlung von
    Kopfschmerzen einsetzen kann, bei Kopfschmerzpatienten zur Entwicklung eines
    Medikamenten-induzierten Kopfschmerzes führen können. Das passiert immer
    dann, wenn Schmerzmittel immer häufiger und in immer höheren Dosierungen,
    schließlich sogar schon prophylaktisch genommen werden. Besonders gefährlich
    sind spezifische Migränemedikamente, die sogenannten Triptane. Werden sie
    über Monate an mehr als zehn Tagen im Monat genommen, führt dies bereits zu
    einer Zunahme der Migräneattacken. Einzige Rettung aus diesem Teufelskreis
    ist dann ein regelrechter Medikamentenentzug. Viel besser ist es, es gar
    nicht erst so weit kommen zu lassen. In der vorbeugenden Kopfschmerztherapie
    kennen wir nicht medikamentöse Maßnahmen - die vielen Patienten allerdings
    zu aufwendig sind. Oft ist es schwer die Patienten dazu zu motivieren:
    Erlernen von Entspannungstechniken und deren regelmäßige Anwendung,
    regelmäßiger Ausdauersport wie Joggen, Radfahren, Schwimmen dreimal die
    Woche über mindestens eine halbe Stunde oder aber auch
    verhaltenstherapeutisch orientierte Verfahren wie das Erlernen von
    Stressbewältigungsstrategien.

    Wenn dies nicht reicht oder nicht realisiert wird, kommen meist Medikamente
    zur Prophylaxe ins Spiel. Ziel einer medikamentösen Prophylaxe ist es, die
    Frequenz mit der Kopfschmerzen auftreten zu reduzieren und die Kopfschmerzen
    selbst etwas zu mildern. Eine "Heilung" kann in aller Regel nicht erreicht
    werden. Entscheidet sich ein Patient für eine medikamentöse Prophylaxe, dann
    stehen verschiedene Substanzen zur Verfügung. Allen gemeinsam ist, dass sie
    nicht vom ersten Tag an wirken. Erst nach sechs bis acht Wochen kann der
    Effekt beurteilt werden. Wirkt eine Substanz, behandelt man in aller Regel
    für weitere sechs bis neun Monate und prüft dann, ob es auch wieder ohne
    Prophylaxe geht. Eine Prophylaxe ist also keine Therapie, die dann
    lebenslang durchgeführt werden muss.

    Frage: Welche Hilfestellung bietet die DMKG?

    Dr. Förderreuther: Die DMKG hat Leitlinien für die Behandlung von
    Kopfschmerzen erarbeitet, die den aktuellen wissenschaftlichen Stand der
    Therapie zusammenfassen. Auf den Internetseiten der DMKG www.dmkg.de können
    diese Leitlinien zur Migränetherapie, zum Spannungskopfschmerz und anderen
    Kopf- und Gesichtsschmerzen heruntergeladen werden. Für die Patienten ist
    die Leitlinie zur Selbstmedikation am interessantesten. Die Patienten können
    auf unseren Seiten auch Kopfschmerzkalender herunterladen und geordnet nach
    Postleitzahlen Kopfschmerzexperten in ihrer Nähe finden. Jeder, der häufig
    mit Kopfschmerzen zu tun hat, sollte sich einmal untersuchen und beraten
    lassen. Nur mit der richtigen Diagnose kommt man auch zu richtigen Therapie.
    Patienten finden auch aktuelle Presseerklärungen unserer Fachgesellschaft zu
    Themen auf dem Gebiet der Kopfschmerzen.

    Anprechpartnerin:

    Generalsekretärin und Pressesprecherin DMKG e.V.
    Privatdozentin Dr. med Stefanie Förderreuther
    Neurologische Klinik der Universität München
    Konsiliardienst am Standort Innenstadt
    Ziemssenstr. 1
    Telefon +49 89 5160 23 07
    Telefax +49 89 5160 4915
    E-Mail dmkg@med.uni-muenchen.de


    Weitere Informationen:

    http://www.dmkg.de


    Bilder

    PD Dr. Stefanie Förderreuther, Generalsekretärin DMKG e.V.
    PD Dr. Stefanie Förderreuther, Generalsekretärin DMKG e.V.
    Foto: DMKG
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    PD Dr. Stefanie Förderreuther, Generalsekretärin DMKG e.V.


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