Stammzellen, die aus Embryonen gewonnen werden. Therapien mit gentechnisch veränderten Zellen. Frauen, die ihre eigenen Enkel zur Welt bringen: In der Biotechnologie ist die Forschung häufig schneller als das Gesetz. Juristen der Uni Würzburg arbeiten deshalb an einer Art Leitfaden, der dem Gesetzgeber die Reaktion auf neue Entwicklungen erleichtern soll. Das Bundesforschungsministerium unterstützt das Projekt mit 150.000 Euro.
Eine Frau in Mexiko bringt einen Jungen zur Welt, der sowohl ihr Sohn als auch ihr Enkel ist. Die 50-Jährige hatte sich als Leihmutter für ihren homosexuellen Sohn zur Verfügung gestellt und sich die mit dessen Samen befruchtete Eizelle einer Freundin einpflanzen lassen.
Eine Privatklinik in Deutschland bietet teure Stammzelltherapien an, obwohl seriöse Wissenschaftler die Behandlungen für wirkungslos und riskant halten. Tatsächlich stirbt im August nach einer Injektion ins Gehirn ein 18 Monate altes Kind.
In den USA nehmen 20 Jungen mit einer lebensbedrohlichen, angeborenen Immunschwäche-Krankheit an einer Gentherapie-Studie teil. Frühere Studien mussten gestoppt werden, weil sich bei einigen der so behandelten Kindern Leukämien entwickelt hatten. Eines dieser Kinder ist inzwischen an den Folgen der Erkrankung gestorben.
Diese drei aktuellen Beispiele zeigen, dass die Entwicklung in der Biotechnologie noch immer rasant fortschreitet. Techniken, die vor wenigen Jahren nicht einmal denkbar waren, sind heute weltweit im Einsatz. Und der Gesetzgeber, der diesen Einsatz regeln sollte, droht in monatelangen Diskussionen den Anschluss zu verlieren.
Das Forschungsprojekt
Abhilfe könnte ein neues Forschungsprojekt an der Universität Würzburg schaffen. Sein Titel: „Biotechnologische Herausforderungen und rechtliche Reaktionsmöglichkeiten. Vorstudien zu einer Gesetzgebungslehre der Humanbiotechnologie“. Die Leitung hat der Jurist Professor Eric Hilgendorf. Es läuft im Rahmen des Förderschwerpunktes „Ethische, rechtliche und soziale Aspekte der modernen Lebenswissenschaften und der Biotechnologie“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung.
„Das Forschungsprojekt hat zum Ziel, eine Gesetzgebungslehre für den Bereich der Biotechnologie zu entwickeln“, sagt Hilgendorf. Anders formuliert: Die Juristen arbeiten an einem Leitfaden, der es dem Gesetzgeber ermöglichen soll, in bestimmten Fällen nach einem bestimmten Schema vorzugehen und somit schneller zum gewünschten Erfolg zu kommen.
Kein leichtes Unterfangen: „Es gibt bisher für solche Verfahren wenig wissenschaftliches Fundament“, sagt Hilgendorf. Und deshalb tauchen viele Probleme erst dann auf, wenn es bereits zu spät ist – weil mögliche Folgen nicht schon von Anfang an berücksichtigt wurden.
Wie die Wissenschaftler vorgehen
Wo ist es in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen gut gelaufen, wo nicht? Welche Gründe könnte es dafür gegeben haben? Das sind Fragen, die die Juristen an konkreten Beispielen untersuchen werden – etwa im Bereich der Gesetzgebung zur Gentechnik oder der Forschung mit embryonalen Stammzellen. „Wir schauen nach, welche Faktoren ausschlaggebend für erfolgreiche Regelungen in diesen Bereichen sind“, so Hilgendorf.
Zusätzlich interessiert die Wissenschaftler, „welche Regelungsform für welche Regelungsmaterie am geeignetsten ist“. Soll heißen: In einem Bereich, in dem sich das Wissen und die Technik rasant entwickelt, ist es beispielsweise nicht unbedingt sinnvoll, in einem parlamentarischen Verfahren Gesetze zu erlassen. Der Prozess würde einfach zu lange dauern; die Ergebnisse wären zu schnell überholt. Eher könnte es sich anbieten, mit Verordnungen zu arbeiten.
Wichtig ist für die Juristen auch die Frage, wie sich möglichst schnell ein Konsens erreichen lässt. „Immer dann, wenn ein Thema moralisch aufgeladen ist, wird es schwierig, einen Konsens in allen damit in Verbindung stehenden ethischen Fragen zu finden“, so Hilgendorf. Weil es aber in der Biotechnologie häufig um Leben und Tod geht, bleibt die Moral selten außen vor.
Trotzdem wollen Hilgendorf und seine Mitarbeiter auch für solche Fälle nach Wegen suchen, wie sich der Ablauf vereinfachen lässt. Eine Möglichkeit könnte sein, das Verfahren zu prozeduralisieren. Wenn dann der Prozess ordnungsgemäß durchgeführt wurde, sollten alle Beteiligten mit dem Ergebnis leben können. Eine andere Variante könnte sein: mehr Bürgerbeteiligung einbauen.
Das mögliche Ergebnis
Auf zweieinhalb Jahre ist das Würzburger Forschungsprojekt angelegt. Wenn alles wie geplant verläuft, soll der Gesetzgeber dann „klare und nachprüfbare Kriterien“ an die Hand bekommen, die ihm sagen, auf welche Weise er das jeweilige Problem am besten lösen kann. Zumindest das theoretische Fundament sollte dafür gelegt sein.
Kontakt
Prof. Dr. Dr. Eric Hilgendorf, Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtstheorie, Informationsrecht und Rechtsinformatik, Tel.: (0931) 31-82303, E-Mail: hilgendorf@jura.uni-wuerzburg.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Recht
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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