Viele Krankheiten beruhen auf Defekten im Erbmolekül DNA. Gentherapien könnten helfen. Dann werden gesunde Kopien der fehlerhaften Gene in die Zellen geschleust, um diese zu ersetzen. Wissenschaftler des Klinikums der Universität München um Privatdozent Dr. Carsten Rudolph haben nun erstmals gezeigt, dass modifizierte mRNAs – chemisch der DNA nahe verwandte Botenmoleküle - eine bessere und sichere Alternative zu den bisher üblichen DNA-basierten Verfahren sein könnten: Im Gegensatz zu diesen bergen sie nicht das Risiko, Krebs auszulösen, und sie lösen schwächere Immunreaktionen aus als DNA und nicht-modifizierte mRNAs.
Im Mausmodell konnten die Wissenschaftler bereits zeigen, dass die Methode die Überlebenszeit bei einem erblichen Lungendefekt signifikant verlängerte. „Dies beweist das therapeutisches Potenzial unserer mRNAs", betont Rudolph. (Nature Biotechnology, 7. Februar 2011)
Gentherapien eröffnen neue Behandlungsansätze für bislang unheilbare angeborene oder erworbene Erkrankungen. Allerdings können die derzeit üblichen Verfahren schwere Nebenwirkungen nach sich ziehen, wenn etwa künstliche Viren als Vehikel für den Transport der gesunden Gene in die Zellen dienen – so können unter anderem Leukämien und heftige Immunreaktionen ausgelöst werden. Nicht-virale Verfahren dagegen sind oft wenig effizient. Diese Nachteile umgeht die neue mRNA-Technologie.
„Durch die chemische Modifizierung der mRNA ist es uns gelungen, die typische Aktivierung des Immunsystems zu vermeiden, sodass keine Entzündungsreaktionen ausgelöst werden“, sagt Rudolph. „Die modifizierte mRNA kann also – im Gegensatz zu konventioneller mRNA – auch mehrfach angewendet werden und ist zudem chemisch stabiler. Bereits geringe Mengen haben damit schon einen Effekt.“
Die neue als „Transkript-Therapie“ bezeichnete Technologie eröffnet Chancen auf neue Behandlungsmethoden: Mithilfe der modifizierten mRNAs könnten genetische Informationen in die Zelle geschleust werden und die Produktion therapeutisch wirksamer Proteine initiieren. Dies ist nicht nur auf Erbkrankheiten beschränkt, sondern auch eine Alternative zu etablierten Proteintherapien. Die Wirksamkeit der Methode zeigten die Forscher im Mausmodell: Eine einzige Injektion einer mRNA, die den Bauplan für das Hormon Erythropoetin enthielt, das die Bildung roter Blutkörperchen anregt, erhöhte den Anteil der roten Blutkörperchen vier Wochen nach der Injektion signifikant.
Das Potenzial der Technologie bewies auch eine Studie an Mäusen mit einem erblich bedingten Lungendefekt, der durch das Fehlen des Surfactantproteins B (SP-B) gekennzeichnet ist und normalerweise tödlich verläuft: Atmeten die Mäuse regelmäßig ein Aerosol mit SP-B codierender mRNA ein, blieb die normale Lungenfunktion bis zum Studienende erhalten. Mögliche Einsatzgebiete der neuen Methode sieht Rudolph vor allem in der regenerativen Medizin und bei der Behandlung von Stoffwechselerkrankungen. Rudolph hofft, im Laufe der nächsten Jahre die Wirksamkeit der modifizierten mRNA auch in klinischen Studien erproben zu können. (göd)
Publikation:
Expression of therapeutic proteins after delivery of chemically modified mRNA in mice.
Kormann MS, Hasenpusch G, Aneja MK, Nica G, Flemmer AW, Herber-Jonat S, Huppmann M, Mays LE, Illenyi M, Schams A, Griese M, Bittmann I, Handgretinger R, Hartl D, Rosenecker J, Rudolph C.
Nature Biotechnology, 7. Februar 2011
doi: 10.1038/nbt.1733
Ansprechpartner:
PD Dr. Carsten Rudolph
Forschungszentrum der Kinderklinik und Poliklinik
Dr. von Haunersches Kinderspital (Klinikum der Universität München)
Tel.: 089 / 5160 - 7711
Fax: 089 / 5160 - 4421
E-Mail: Carsten.Rudolph@med.uni-muenchen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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