Es galt als unmöglich, doch Forscher der Universität Bonn haben es geschafft: Sie haben Zellen, die dazu bestimmt waren, die Plazenta zu bilden, zu embryonalen Stammzellen umprogrammiert. Aus diesen Zellen wuchsen gesunde Mäuse heran. Die Studie erschien am 7. Februar als Online-Vorabveröffentlichung der Zeitschrift Molecular and Cellular Biology (doi: 10.1128/MCB.01047-10).
Schwarz-weiß gescheckte Mäuse sind der Beweis, dass es funktioniert: Das Team um Prof. Dr. Hubert Schorle hat vier Gene in Plazentazellen eingefügt und so das Schicksal der Zellen nachträglich geändert. Sie wurden wieder zu embryonalen Stammzellen, obwohl ihr internes Zellprogramm ihnen das eigentlich strengstens verbietet.
„Nach der Befruchtung und den ersten Zellteilungen findet schon sehr früh eine Differenzierung statt“, erläutert Professor Schorle: Einige Zellen werden zur Inneren Zellmasse, aus der sich embryonale Stammzellen gewinnen lassen. Aus ihr entsteht der Embryo mit all seinen verschiedenen Organen und Geweben. „Andere Zellen hingegen bilden die Plazenta, sie sind darauf programmiert, in die Gebärmutter einzuwandern und Blutgefäße zu bilden“, fügt Professor Schorle hinzu. „Diese Zellen haben Mechanismen entwickelt, um die Differenzierung zu embryonalem Gewebe zu unterdrücken.“ Das Dogma war, dass sich diese Barriere zwischen embryonalem und nichtembryonalem Gewebe nicht überwinden lässt. Doch nachdem die Forscher vier Gene in die Plazentazellen eingeschleust hatten, haben die Zellen ihre ursprüngliche Programmierung vergessen. Diese vier Gene sind daher auch als Reprogrammierungsfaktoren bekannt: Sie programmieren auch Körperzellen zu embryonalen Stammzellen um.
Schwarze Fellfarbe: Experiment geglückt!
„Die umprogrammierten Zellen sind voll funktionsfähig und wir konnten komplette Tiere aus diesen Zellen erzeugen“, sagt Peter Kuckenberg, Doktorand in Professor Schorles Arbeitsgruppe. Dabei haben die Forscher umprogrammierte Mäusezellen in eine Blastozyste eingebracht und diese einer Maus eingesetzt. Die Blastozyste ist das Zellstadium nach den ersten Zellteilungen, in dem bereits eine Differenzierung in Innere embryonale Stammzellen und äußere Plazentazellen stattgefunden hat.
Als Farbmarker diente ein Gen für schwarze Fellfarbe. „Unsere Mäusebabys mit schwarz-weiß-geschecktem Fell zeigen, dass sich die umprogrammierten Plazentazellen nun an der Bildung der Embryos, aber nicht mehr an der Entwicklung der Plazenta beteiligen“, erklärt Peter Kuckenberg.
Die Rate, mit der sich Plazentazellen zu embryonalen Stammzellen umprogrammieren ließen, war allerdings geringer als bei Körperzellen. Nach vier Wochen waren lediglich 0,0055% der Plazentazellen umprogrammiert, bei Bindegewebszellen sind es 0,2%. Das zeigt: „Es gibt offensichtlich große Widerstände in den Zellen, das Programm umzustellen“, erläutert Professor Schorle das Ergebnis. Körperzellen sind aus embryonalen Stammzellen entstanden, sie lassen sich daher leichter dazu bewegen.
Fernziel: Maßgeschneiderte Behandlung
„Als nächstes wollen wir versuchen, Körpergewebe direkt in Plazentagewebe zu überführen“, sagt Professor Schorle. Die Forscher wollen herausfinden, welche Gene dafür verantwortlich sind. Das Ziel ist es, ein Testverfahren aufzubauen, um Medikamente auf ihre Verträglichkeit bei Schwangerschaften zu untersuchen. Außerdem wird diese Technik helfen, Komplikationen bei Patienten mit Risikoschwangerschaften abzuschätzen und die Behandlung gezielt auf den Patienten abzustimmen.
P. Kuckenberg, M. Peitz, C. Kubaczka, A. Becker, A. Egert, E. Wardelmann, A. Zimmer, O. Brüstle, H. Schorle: Lineage Conversion of Murine Extraembryonic Trophoblast Stem Cells to Pluripotent Stem Cells, Molecular and Cellular Biology, 2011.
Kontakt:
Prof. Dr. Hubert Schorle
Institut für Pathologie
Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-16342
E-Mail: hubert.schorle@ukb.uni-bonn.de
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