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29.04.2011 10:54

Blick über den Säulenrand

Rudolf-Werner Dreier Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau

    Neue Erkenntnisse zum Aufbau des Gehirns geben Aufschlüsse über seine Arbeitsweise

    Mehr als 50 Jahre herrschte in der Hirnforschung die Vorstellung, dass sich die Nervenzellen in der Großhirnrinde in Form mikroskopisch kleiner Säulen organisieren. Vor allem in diesen Säulen, so die Lehrmeinung, würden Verbindungen zwischen Nervenzellen geknüpft. Der Freiburger Wissenschaftler Dr. Clemens Boucsein und seine Kollegen der Bernstein Center Freiburg und Berlin zeigen in einem Artikel der Fachzeitschrift „Frontiers in Neuroscience“, dass diese Annahme revidiert werden muss. Die Kommunikation der Zellen außerhalb der Säulen spielt eine viel größere Rolle als bislang angenommen.

    In der Neurowissenschaft war eine der großen Entdeckungen des 20. Jahrhunderts, dass in der Großhirnrinde übereinander liegende Nervenzellen auf denselben Reiz reagieren. Untersuchungen zur Vernetzung dieser Nervenzellen stärkten die Vorstellung, dass es sich bei den säulenartig angeordneten Einheiten um die Grundbausteine der Großhirnrinde handeln könnte.

    Doch diese Sichtweise steht nun auf dem Prüfstand, denn neue Methoden erlauben es jetzt, auch weit entfernte Verbindungen zu untersuchen. Boucsein und seine Kollegen haben an der Universität Freiburg eine Methode entwickelt, durch Laserblitze einzelne Nervenzellen zu aktivieren und so zu analysieren, mit welchen Zellen sie verknüpft sind. Die Experimente brachten ein erstaunliches Ergebnis: Weniger als die Hälfte der Eingänge, die eine Nervenzelle in der Großhirnrinde erhält, stammt von Partnern innerhalb derselben Säule. Weit mehr Verbindungen kommen von Zellen aus der näheren und weiteren seitlichen Umgebung.

    Die Experimente zeigten zudem, dass die seitlichen Verknüpfungen zeitlich sehr genau arbeiten. Für die Wissenschaftler ist das ein Hinweis darauf, dass das Gehirn den genauen Zeitpunkt eines elektrischen Impulses zur Kodierung von Informationen nutzt – eine Vermutung, für die immer mehr Hinweise gefunden werden. Durch diese neuen Einsichten in Aufbau und Arbeitsweise des Gehirns wird die Vorstellung einer Säulenstruktur der Großhirnrinde von der eines dicht gewebten Teppichs weitläufig miteinander verknüpfter Zellen abgelöst.

    Boucsein C, Nawrot MP, Schnepel P und Aertsen A (2011) Beyond the cortical column: abundance and physiology of horizontal connections imply a strong role for inputs from the surround. Front. Neurosci. 5:32. doi: 10.3389/fnins.2011.00032

    Kontakt:
    Dr. Clemens Boucsein
    Bernstein Center
    Universität Freiburg
    Tel.: 0761/203-2862
    Fax: 0761/203-2860
    E-Mail: boucsein@biologie.uni-freiburg.de


    Bilder

    Breiter Zylinder statt schlanker Säule: Nervenzellen der Großhirnrinde erhalten viele Kontakte aus dem weiteren Umfeld (gelb) und nicht bloß aus einer schmalen Säule (blau) um die Zelle. Quelle: Boucsein/Uni Freiburg
    Breiter Zylinder statt schlanker Säule: Nervenzellen der Großhirnrinde erhalten viele Kontakte aus d ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

    Breiter Zylinder statt schlanker Säule: Nervenzellen der Großhirnrinde erhalten viele Kontakte aus dem weiteren Umfeld (gelb) und nicht bloß aus einer schmalen Säule (blau) um die Zelle. Quelle: Boucsein/Uni Freiburg


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