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04.08.2011 12:12

Offener Brief an die Deutsche Flugsicherung gegen Flugroutenpläne am Flughafen Berlin Brandenburg

Bernd Schlütter Hochschulmarketing
Technische Hochschule Wildau [FH]

    Die Technische Hochschule Wildau protestiert in einem offenen Brief an die Deutsche Flugsicherung gegen die Flugroutenplanungen für den Großflughafen Berlin Brandenburg "Willy Brandt". Der südliche Teil von Wildau und der Campus würden stark von Fluglärm und Kerosin-Verbrennungsrückständen betroffen sein.

    Sehr geehrte Damen und Herren,

    auf der 79. Sitzung der Fluglärmkommission am 04.07.2011 präsentierte die Deutsche Flugsicherung neue Flugrouten für den zukünftigen Hauptstadtflughafen Berlin Brandenburg „Willy Brandt“. Diese haben wir Studierende, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Technischen Hochschule Wildau mit großer Sorge zur Kenntnis genommen und wenden uns jetzt als Team der Hochschule mit diesem Brief an die Entscheidungsgremien und die Öffentlichkeit.
    Denn entgegen der ursprünglichen Planung, liegt der Südteil der Gemeinde jetzt unmittelbar im Bereich der neuen Flugrouten. Deshalb wird Wildau – und insbesondere auch der Campus der TH Wildau – voraussichtlich besonders stark vom Fluglärm des BER und von Kerosin-Verbrennungsrückständen betroffen sein. Bei Ostwetterlage (Betriebsrichtung 07) sind von der Südbahn des BBI (Alternative 5) bis zu 107 Abflüge pro Tag geplant, das heißt jede vierte Maschine, die in Schönefeld startet, soll über das Schönefelder Autobahnkreuz und dann entlang der Bundesautobahn A10 in Richtung Osten zwischen Wildau und Königs Wusterhausen geführt werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass in diesem Bereich auch Wendeschleifen geflogen werden.
    Über ein Jahrzehnt konnten wir von einer anderen Gestaltung der Flugrouten ausgehen. Nunmehr entsteht aber der Eindruck, dass es bei der endgültigen Festlegung der Flugrouten nicht mehr um Sachentscheidungen geht, sondern um „Geschacher“. Dabei gewinnt offenbar die jeweils lauteste bzw. besttaktierende Interessengruppe und erreicht einen objektiven Kriterien nicht standhaltenden Planungswechsel in ihrem Sinne.
    Mit der jetzt vorgesehenen Bündelung des Abflugregimes an der BAB A10 werden neben zahlreichen dicht besiedelten Wohngebieten auch die Technische Hochschule Wildau – mit mehr als 4.000 Studierenden die größte (Fach)Hochschule des Landes Brandenburg – und acht weitere Bildungseinrichtungen in ihrem Umfeld zum Überfluggebiet in niedriger Höhe. Der Campus befindet sich nicht einmal 1.000 Meter nördlich der BAB A10. Unter Berücksichtigung der zulässigen Abweichung von der Flugroute und dem so entstehenden Flugroutenkorridor ergibt sich eine Lärmbelastung von bis zu 80 dB.
    Bekanntlich hat sich die Technische Hochschule Wildau in den letzten Jahren durch Engagement und Qualität in allen Bereichen des Hochschulalltags (Lehre, Forschung und Verwaltungsprozesse) zu einer der besten Fachhochschulen in Deutschland – mit internationalem Renommee – entwickelt. Die mit den zu erwartenden Fluglärm- und Kerosinbelastungen verbundenen Einschränkungen in der Lehr- und Forschungsarbeit auf dem Campus sind nicht hinnehmbar. Damit werden jahrelange intensive gemeinsame Anstrengungen des Landes Brandenburg, des Landkreises Dahme-Spreewald, des Regionalen Wachstumskerns „Schönefelder Kreuz“ und der zukünftigen Hochschulstadt Wildau zur Schaffung eines integrierten Wissenschafts- und Wirtschaftsstandortes mit hoher Lebensqualität konterkariert.
    Wenn jetzt der Leiter der Berliner Flugsicherung, Hans Niebergall, erklärt, man habe sich bemüht, „so wenig Menschen wie möglich zu belasten“, so klingt das wie Hohn. Denn durch den aus der Flugroute 5 zu erwartenden Fluglärm sind allein auf dem Campus und in seinem unmittelbaren Umfeld mehr als 6.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene beim Lernen und Studieren beeinträchtigt, ganz abgesehen von den dramatischen Folgen eines – theoretisch denkbaren – Flugzeugabsturzes.
    Die in den vergangenen 15 Jahren für den Hochschulbetrieb rekonstruierten denkmalgeschützten Industriegebäude, aber auch die Neubauten, in die bisher etwa 120 Millionen € aus Mitteln der EU, des Bundes und des Landes investiert wurden (weitere Investitionen in Höhe von ca. 50 Millionen € laufen derzeit – das größte Bauvorhaben im Hochschulbereich des Landes Brandenburg!), sind für eine derartige zusätzliche Belastung nicht ausgelegt und auch nicht nachrüstbar. Neben der historischen Bausubstanz betrifft dies insbesondere auch die hoch empfindlichen Laborausrüstungen, unter anderem für die Mikro- und Nanoelektronik, Oberflächentechnik und Optoelektronik sowie die teilweise an Fachhochschulen einzigartige Analyse- und Messtechnik.
    Dass seit Monaten bezüglich der Flugrouten nicht mit offenen Karten gespielt wird, ist offensichtlich. Nach unseren Information, welche wir mühsam zusammensuchen mussten, denn offiziell informierte uns niemand, hatte das Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg (MIL) noch im März 2011 wohl in einem Schreiben der Gemeinde Wildau bescheinigt, nicht von Fluglärm betroffen zu sein und deshalb den Antrag auf Mitgliedschaft in der Fluglärmkommission (FLK) zurückgewiesen. Aber bereits im April diskutierte die FLK darüber, startende Flugzeuge über Wildau und die benachbarte Stadt Königs Wusterhausen zu leiten. Erst im Mai durfte der 10.000-Einwohner-Ort Wildau (da sind die über 4.000 Studierenden und mehr als 350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TH Wildau nicht eingerechnet!) schließlich Mitglied der Kommission werden.
    Bedauerlich ist es, dass bis heute bei dieser Frage eine wirksame Unterstützung der Hochschule seitens der Verantwortlichen völlig zu vermissen ist. Bekanntermaßen sind aber Planungssicherheit und Vertrauen in politische Entscheidungen Grundpfeiler für die Stabilität unseres Landes. Deshalb fordern wir mit Nachdruck diesen Vertrauensschutz ein. Wir erwarten ein deutliches Votum gegen die Flugrouten über die Technische Hochschule und die Gemeinde Wildau, denn sonst werden die Folgen für die TH Wildau und damit auch für die brandenburgische Hochschul- und Forschungslandschaft verheerend sein. Wir erwarten die Beibehaltung der ursprünglich vorgesehenen und von der Landesregierung im Planfeststellungsverfahren mit festgelegten Flugrouten.

    Mit den besten Grüßen

    Prof. Dr. László Ungvári
    Präsident
    der Technischen Hochschule Wildau

    Prof. Dr. Herbert Sonntag
    1. Vizepräsident
    der Technischen Hochschule Wildau

    Thomas Lehne
    Kanzler
    der Technischen Hochschule Wildau

    Dr. Michael Frey
    Vorsitzender des wissenschaftlichen Personalrates der Technischen Hochschule Wildau

    Der offene Brief wird zur Kenntnisnahme, zur weiteren Verwendung bzw. zur Entscheidungsfindung weitergeleitet an:
    Matthias Platzeck, Ministerpräsident des Landes Brandenburg, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg, Ministerium für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz des Landes Brandenburg, Ministerium Für Infrastruktur und Landwirtschaft des Landes Brandenburg, DFS Deutsche Flugsicherung GmbH, Bundesamt für Flugsicherung, Deutscher Bundestag, Landtag Brandenburg


    Weitere Informationen:

    http://www.th-wildau.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, jedermann
    fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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