Wenn man einem Computer zehnmal die gleiche Aufgabe stellt, so laufen zehnmal genau die gleichen Rechenschritte ab. Im Gehirn ist das anders: Die Verarbeitung funktioniert jedes Mal unterschiedlich. Informatiker der TU Graz haben nun eine Erklärung dafür gefunden, wie das Gehirn trotz dieser scheinbar unzuverlässigen Verarbeitungsweise gezielt Informationen verarbeiten und Schlüsse ziehen kann.
Ihre Theorie mit entscheidender Relevanz für die Weiterentwicklung von Computern haben die Forscher in der aktuellen Ausgabe des renommierten Journals „PLoS Computational Biology“ veröffentlicht und präsentieren sie von 12. bis 16. November auf der „Neuroscience 2011“, der weltweit größten Konferenz in diesem Bereich, in Washington.
Das Muster der elektrischen Impulse der Neuronen im menschlichen Gehirn variiert so stark, dass es schwierig ist, Ähnlichkeiten darin zu entdecken. „Dieses Phänomen ist ein Hinweis darauf, dass Informationsverarbeitung im Gehirn fundamental anders organisiert ist als im Computer, zumindest als in den bisher gebauten Computern“, erklärt Wolfgang Maass, der das Institut für Grundlagen der Informationsverarbeitung der TU Graz leitet. Gemeinsam mit seinem Team hat er eine Theorie entwickelt, die zeigt, dass auch Neurone, die mehr oder weniger zufällig Impulse, so genannte "spikes", an andere Neurone aussenden, sehr gezielt Berechnungen durchführen können.
Modell für Rechner der Zukunft
„Der Grund ist, dass solche ‘unzuverlässigen‘ Neurone so zu einem Netzwerk verschaltet werden können, dass das Gehirn eine große Zahl an verschiedenen Möglichkeiten quasi spontan, also zufallsgesteuert, durchspielen kann, um eine geeignete Lösung eines Problems zu ermitteln“, erklärt Maass. Diese Theorie erklärt eine große Zahl von experimentellen Ergebnissen der Neurowissenschaft und Kognitionswissenschaft, so die Forscher. Daneben gibt sie den Informatikern aber auch neue Ideen, wie man zukünftige Rechner aus sehr billigen und extrem kleinen ‘unzuverlässigen‘ Rechenelementen bauen kann, die möglicherweise lediglich aus einigen wenigen Molekülen bestehen.
Prototyp in Arbeit
Die These der Grazer Forscher besagt, dass ein geeignetes Netzwerk neuartiger elektronischer Bausteine mit neuronenartigem Verhalten ebenfalls in der Lage sein kann, aus einer großen Anzahl von unsicheren Fakten und Vermutungen intelligente Schlüsse zu ziehen. Ein Prototyp eines solchen neurartigen Rechners entsteht derzeit in Zusammenarbeit der Informatiker aus Graz mit Physikern der Universität Heidelberg im Rahmen des EU-Projekts BrainScales. Schon bald wollen die Forscher nachprüfen können, ob die Vorhersagen der neuen Theorie auch für Rechner gelten, die aus in Silizium nachgebildeten künstlichen Neuronen bestehen.
Link zur Publikation:
http://www.ploscompbiol.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pcbi.1002211
Konferenz „Neuroscience 2011“:
http://www.sfn.org/am2011/index.aspx?pagename=aboutTheMeeting_main
EU-Projekts BrainScales:
https://brainscales.kip.uni-heidelberg.de/index.html
Rückfragen:
O.Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr.rer.nat. Wolfgang Maass
Institut für Grundlagen der Informationsverarbeitung
Email: maass@igi.tugraz.at
Tel +43 (316) 873 5822
TU Graz - Mitglied der TU Austria
http://www.tuaustria.at/
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Elektrotechnik, Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Psychologie
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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