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21.03.2012 12:46

Öffentliches Leiden im Internet – Welche Medien nutzen Borderline-Patientinnen?

Katja Bär Pressestelle: Kommunikation und Fundraising
Universität Mannheim

    Im Internet kursiert zahlreiches Bildmaterial, in dem selbstverletzendes Verhalten– eines der Hauptsymptome der Borderline-Erkrankung – dargestellt wird. Eine neue Studie der Universität Mannheim soll nun zeigen, inwiefern Borderline-Patientinnen das Netz tatsächlich nutzen, um über ihre Krankheit zu kommunizieren.

    Blutig geritzte Unterarme – medial vermittelt sind sie zum Symbol der Borderline-Störung geworden. Zwar ist Borderline eine psychische Erkrankung mit vielen unterschiedlichen Symptomen und Ausprägungen. Eines der wenigen Krankheitsmerkmale, welches bei fast allen betroffenen Personen auftritt, ist jedoch selbstverletzendes Verhalten. Gleichzeitig kursieren im Netz, vor allem auf der Videoplattform YouTube, Bildmaterial und Fotocollagen, welche selbstverletzendes Verhalten in Szene setzen und sogar teilweise ästhetisieren. In einer neuen Studie möchte die Mannheimer Medienwissenschaftlerin Prof. Dr. Sabina Misoch herausfinden, ob Borderline-Patienten tatsächlich diese Kanäle nutzen, um ihre Krankheit darzustellen und darüber zu kommunizieren.

    Das Ergebnis einer Vorstudie, die die Forscherin für einen Antrag bei der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) durchgeführt hat, weist darauf hin, dass YouTube und Soziale Netzwerke nicht zu den Selbstoffenbarungsplattformen der Borderline-Erkrankten gehören. „Wir sind bei der Auswertung des Bildmaterials auf YouTube zunächst davon ausgegangen, dass es mit Sicherheit von Borderline-Patienten stammt“, sagt die Juniorprofessorin Sabina Misoch. Bei Interviews mit Betroffenen am Mannheimer Zentralinstitut für seelische Gesundheit (ZI) hat die Forscherin jedoch festgestellt: Borderline-Patientinnen haben zwar zum Teil Videos oder Homepages zur Thematik erstellt, jedoch ohne eigenes Fotomaterial zu präsentieren. Wenn sie – und das scheint selten der Fall zu sein – Fotomaterial von Wunden zeigen, dann nicht auf öffentlichen Plattformen wie YouTube oder Facebook, sondern in schwer zugänglichen Foren, die speziell für Betroffene erstellt wurden, um sich über ihre Krankheit auszutauschen.

    „Tatsächlich passen die Veröffentlichungen auf YouTube nicht in das Bild der Borderline-Symptomatik“, erklärt die Forscherin. „Die Patientinnen versteckten ihre Wunden während der Interviews und verletzen sich in der Regel an Stellen ihres Körpers, die für Außenstehende nicht sichtbar sind.“ Ein weiterer Grund, warum nur die wenigsten Borderline-Erkrankten das Netz zur Selbstoffenbarung ihrer Krankheit nutzen, sei die Angst vor Nachahmern. „Die Borderline-Patientinnen, mit denen ich gesprochen habe, finden es unverantwortlich, triggerndes Material zu publizieren. Deshalb veröffentlichen sie auch keine Fotos von Wunden für jedermann sichtbar im Netz“, erklärt Professorin Sabina Misoch.

    Doch von wem stammen die Videos auf YouTube, wenn nicht von Borderline-Erkrankten? Die Medienwissenschaftlerin vermutet jugendliches Probeverhalten: „Es gibt Jugendkulturen, in denen das Ritzen der Unterarme eine Art Ritual ist, ein Zugehörigkeitszeichen oder es kann sich dabei auch um eine Form der adoleszenten Kommunikation von Emotionen handeln.“

    Selbstverletzung im Netz ist ein Thema, das noch weitestgehend unerforscht ist. Durch die Studie eröffnet sich Juniorprofessorin Sabina Misoch ein breites Feld, welches viele neue wissenschaftliche Fragen aufwirft. In der aktuellen Studie zur Mediennutzung von Borderline-Patientinnen, für die sie in Kooperation mit dem ZI in Mannheim (Prof. Dr. Christian Schmahl) bei der DFG einen Antrag auf Forschungsförderung stellen wird, sowie weiteren geplanten Anschlussstudien möchte sie Antworten finden. Das ZI plant, die Erkenntnisse aus der Studie für neue Therapieansätze zu nutzen. Weitere Ergebnisse werden im Laufe des Jahres erwartet.

    Kontakt:

    Prof. Dr. Sabina Misoch
    Lehrstuhl für Medien- und Kommunikationswissenschaft
    Universität Mannheim
    Schloss
    68131 Mannheim
    Telefon: 0621 / 181- 1291 (Sekretariat: -2620)
    E-Mail: misoch@uni-mannheim.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Kulturwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

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