Beim Prinzip des "Pay-What-You-Want" ("Zahle, was du willst"), kann der Kunde völlig frei über den Preis für eine Ware oder Dienstleistung entscheiden – auch darüber, nichts zu bezahlen. So bot die Rockband Radiohead 2007 ihr Album "In Rainbows" im Internet zum Download an, bezahlt wurde nach Belieben. Erstaunlicherweise zahlten die Fans, und auch nicht wenig. Zwar schaffen es Anbieter nicht immer, mit dem Bezahlsystem ihre Kosten zu decken, aber in manchen Hotels, Restaurants oder Kinos funktioniert Pay-What-You-Want (kurz: PWYW) seit Jahren erfolgreich, denn die wenigsten Kunden entscheiden sich dafür, die in Anspruch genommene Leistung gar nicht zu entlohnen. Warum aber zahlt jemand für etwas, was er auch umsonst haben könnte?
Ein internationales Forscherteam, zu dem auch Wirtschaftswissenschaftler Gerhard Riener von der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gehört, ist dieser Frage nachgegangen. Das erstaunliche Ergebnis: Treibende Kraft dahinter ist nicht nur – wie bisher angenommen, der Sozialdruck von außen – sondern auch das innere Bestreben, ein positives Selbstbild aufrechtzuerhalten. Nach mehreren Experimenten mit leicht unterschiedlichen PWYW-Strategien konnten die Forscher zeigen, dass unter bestimmten Umständen mehr Menschen zugreifen, wenn ein Angebot einen festgesetzten günstigen Preis hat, als wenn sie den Preis selbst bestimmen dürfen. Gerhard Riener dazu: "Besonders ausgeprägt ist der Effekt, wenn die potentiellen Kunden das Gefühl haben, ein Angebot ist relativ wertvoll – sie aber nicht bereit sind, viel Geld auszugeben. In diesem Fall verzichten sie eher komplett auf den Kauf, als einen ihnen unfair erscheinenden geringen Preis dafür zu zahlen."
Im ersten Fall erhielten die Besucher eines amerikanischen Freizeitpark nach einer Achterbahnfahrt die Möglichkeit, ein von ihnen geschossenes Foto entweder zu einem regulären Preis von 15 Dollar, oder zu einem Sonderpreis von fünf Dollar oder zu einem freiwilligen, selbstbestimmten Preis zu erwerben. Letztere Variante wurde noch erweitert – ein Teil der Besucher bekam die Zusatzinformation, dass die Hälfte des freiwilligen Betrages an eine bekannte Wohltätigkeitsorganisation gespendet würde. Wie erwartet stiegen die Verkäufe, wenn das Sonderangebot ausgerufen wurde. Kannten die Käufer den regulären Preis und das Sonderangebot und wurden dann zum PWYW aufgefordert, griffen sie seltener zu, selbst die mit dem Sonderangebot identischen fünf Dollar war ihnen dann zu wenig. Offenbar erschien den Testpersonen ein selbst gewählter geringer Preis für das wertvollere Angebot – Foto plus Spende – so unfair, dass sie lieber vollständig auf den Kauf verzichteten.
Diese Skrupel verschwinden allerdings, wenn ein niedriger Preis bereits vorgegeben ist, wie der zweite Test zeigte. Darin boten die Wissenschaftler Teilnehmern einer Bootstour wiederum Fotos zum Kauf an, einem Teil entweder für einen Sonderangebot von fünf Dollar oder für einen selbstgewählten Preis. Aus der "Sonderangebots-Gruppe" griffen 64% zu, aus der „PWYW-Gruppe“ nur 55%.
Das dritte Experiment belegte die Vermutung, dass es tatsächlich ein inneres Bedürfnis und nicht nur der moralische Druck von außen ist, der Menschen zu einem fairen Bezahlverhalten animiert. In dem Wiener pakistanischen Restaurant "Deewan" – einem PWYW-Restaurant – wurden die Gäste in zwei Gruppen eingeteilt: Die eine sollte ihren selbstbestimmten Betrag direkt beim Personal zahlen, die andere den Betrag in einen Umschlag stecken. Überraschenderweise zahlten die anonym bleibenden Kunden im Schnitt nicht weniger sondern sogar mehr. Riener erläutert: „Offenbar möchte man vor sich selbst als gut und fair darstehen. Gelingt das nicht, verzichtet man lieber auf ein Angebot. Wenn Menschen ein PWYW-Unternehmen mögen, zahlen sie vermutlich eher einen angemessenen Preis, als einfach so wenig wie möglich!“
Die Studie "Pay-what-you-want, identity, and self-signaling in markets" von Ayelet Gneezy, Uri Gneezy, Gerhard Riener und Leif D. Nelson ist nun im Fachblatt Proceedings of the National Academy of Science (PNAS) veröffentlicht (doi: 10.1073/pnas.1120893109).
Kontakt:
Jun.-Prof. Dr. Gerhard Riener
Junior Professor für experimentelle Wirtschaftsforschung
Düsseldorf Institute for Competition Economics (DICE)
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Tel.: +49211-811 0252
E.Mail: riener@dice.uni-duesseldorf.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Psychologie, Wirtschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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