Zoos beherbergen eine Reihe verschiedener Tierarten, die in freier Wildbahn nie aufeinander treffen würden. Als im Jahr 2010 im Wuppertaler Zoo ein Eisbär starb und ein weiterer schwer erkrankte, waren Zootierärzte auf der Suche nach der Krankheitsursache ratlos. Ein internationales Forscherteam unter Leitung des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung konnte nun nachweisen, dass die Bären mit einem rekombinanten, von Zebras stammenden Virus infiziert waren, das nun offenbar auf andere Tierarten übergesprungen ist. Das berichtet die Fachzeitschrift Current Biology.
Die Haltung unterschiedlicher Tierarten aus der ganzen Welt stellt einen bedeutenden Teil der Funktion von Zoos dar, die Öffentlichkeit über die biologische Vielfalt zu informieren und zum Schutz bedrohter Tierarten beizutragen. Bisher wurde allerdings kaum in Betracht gezogen, dass diese Artenvielfalt unvorhersehbare Folgen in Bezug auf die Übertragung von Krankheitserreger zwischen verschiedenen Zootierarten haben könnte. Normalerweise sind Krankheitserreger an einen bestimmten Wirt angepasst; allerdings können einige bei passender Gelegenheit auch neue Wirtsarten infizieren. Die vorliegende Studie von Forschern des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung Berlin (IZW), der Freien Universität Berlin, der Universität Sydney und des Zoologischen Gartens Wuppertal berichtet von einem solchen Fall der Virenübertragung von einer Tierart auf die andere. Im Jahr 2010 starb ein Eisbärweibchen namens Jerka im Wuppertaler Zoo an einer Gehirnentzündung, trotz aller Bemühungen der Zootierärzte, sie zu retten. Ihr männlicher Artgenosse Lars zeigte ähnliche Krankheitssymptome, überlebte aber dank raschen Eingreifens und langfristiger tierärztlicher Betreuung. Dr. Arne Lawrenz, Tierarzt im Wuppertaler Zoo, beschreibt die Situation wie folgt: "Die Symptome waren ziemlich schockierend, und zu diesem Zeitpunkt war die Krankheitsursache völlig unklar. Tagelang versuchten wir, den Zustand der beiden Tiere zu stabiliseren. Im Fall von Jerka blieben leider alle Bemühungen erfolglos. Ihr Artgenosse Lars erholte sich glücklicherweise nach einigen Wochen und erfreut sich noch heute bester Gesundheit."
Gehirnentzündungen können durch eine Reihe von Viren und Bakterien verursacht werden, und die Identifizierung neuartiger Pathogene bei Wildtieren ist eine schwierige, oft unlösbare Aufgabe. Durch aufwendige Untersuchungen von Jerka, Lars und neun weiteren Eisbären konnte ein Herpesvirus als Ursache festgemacht werden, das normalerweise in Zebras vorkommt. Eine überraschende Entdeckung war auch, dass der Eisbär Struppo, der Jahre zuvor in einem anderen Zoo an Nierenversagen gestorben war und nie Kontakt mit Jerka oder Lars hatte, ebenfalls dieses Virus in sich trug. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass das Virus bereits zuvor in einem unabhängigen Ereignis von einer Tierart auf die andere übergesprungen ist, und dass dies in Zukunft wieder passieren könnte.
Interessanterweise stellte sich heraus, dass es sich bei diesem Virus um eine Rekombinante handelt, d.h. eine Kombination des genetischen Materials zweier verschiedener Viren, die beide Zebras infizieren. Dieses rekombinante Virus entstand dadurch, dass das Equine Herpesvirus EHV9 einen Teil seiner DNA auf das verwandte Virus EHV1 übertrug. Zwar ist Rekombination bei Herpesviren nicht ungewöhnlich, aber der Genabschnitt, der hier betroffen ist, ist bekannt als Ursache für neurologische Erkrankungen vor allem bei Pferden. Ob sich dieses Virus erst kürzlich in den Zebras im Zoo oder bereits vor langer Zeit in Afrika entwickelt hat, und ob dieses Rekombinationsereignis dafür verantwortlich ist, dass das Virus auf neue Wirte überspringen und tödliche Krankheiten verursachen kann, ist noch nicht bekannt.
"Als wir mit den Untersuchungen begannen, gab es eine schier endlose Liste von Erregern, die Jerka's Tod verursacht haben könnten", berichtet Prof. Alex Greenwood vom IZW, Erstautor der vorliegenden Studie. "Zunächst erschien es einfach, da wir schnell Anzeichen für EHV entdeckten. Aber als wir die virale DNA-Sequenz untersuchten, stellte sich heraus, dass sowohl EHV1 als auch EHV9 in Frage kamen. Erst mit weiteren Sequenzdaten wurde klar, dass hier ein Virus vorlag, der aus Teilen beider Viren zusammengesetzt war."
Noch ist auch unbekannt, wie sich die Eisbären infiziert haben. Eisbären und Zebras werden im Wuppertaler Zoo von verschiedenen Tierpflegern betreut. Darüber hinaus befindet sich das Gehege der Zebras etwa 70 Meter entfernt von dem der Eisbären; es ist also unwahrscheinlich, dass die Übertragung durch direkten Kontakt erfolgte. Allerdings sind Bären und Zebras nicht die einzigen Wirte, da die Ursprungsviren EHV 1 und EHV 9 als Erreger von schweren Gehirnentzündungen bei anderen Zootierarten wie Gazellen und Meerschweinchen gefunden wurden. Prof. Klaus Osterrieder von der Freien Universität Berlin erklärt: "Diese Viren scheinen viele Artgrenzen überwinden zu können - genaugenommen wissen wir jetzt nicht einmal, ob sie überhaupt Artgrenzen haben. Rätselhaft ist auch, dass diese Viren in der Umwelt nicht besonders stabil sind. Es ist also wichtig, herauszufinden, wie sie sich trotzdem zwischen Tierarten bewegen können." Eine Möglichkeit, die die Autoren der Studie derzeit erforschen, ist, dass die Viren durch freilebenden Mäuse oder Ratten übertragen wurden.
Wenn Zoos sich der Möglichkeit bewusst sind, dass Pathogene zwischen Arten übertragen werden können, können sie Krankheitsausbrüche genau beobachten und ihre Tiere schützen. Allerdings ist diese wichtige Aufgabe sehr umfassend und schwierig, da Krankheitserreger bei manchen Arten oder Individuen keine Symptome verursachen und bei anderen für unerklärte Todesfälle verantwortlich sein können. Für die meisten Krankheitserreger weiß man sehr wenig über ihre Fähigkeit, neue Arten als Wirte zu nutzen. Weitere Forschung auf dem Gebiet der Wildtierkrankheiten, besserer Informationsaustausch zwischen Zoos und anderen Einrichtungen sowie sorgfältige Kontrollen sind nötig, um den Erfolg der Artenschutzmission von Zoos zu sichern. Zumindest ein Fall wurde aber erfolgreich aufgeklärt, sagt Dr. Arne Lawrenz vom Zoo Wuppertal: "Zusammen mit unseren Kollegen haben wir unsere Eisbären in Wuppertal auf EHV untersucht, um sicher zu gehen, dass sie das Virus nicht haben. Diese Untersuchungen werden wir regelmäßig wiederholen. Jetzt, da wir mehr darüber wissen, sind wir besser vorbereitet und können bereits im Vorfeld aktiv werden".
Veröffentlichung:
Greenwood AD, Tsangaras K, Ho SYW, Szentiks CA, Nikolin VM, Ma G, Damiani A, East ML, Lawrenz A, Hofer H, Osterrieder N, A potentially fatal mix of herpes in zoos. Current Biology, (2012)
Sie können den Artikel von der Current Biology-Pressestelle anfordern. Bitte wenden Sie sich an
Mary Beth O'Leary, (moleary@cell.com, +1-617-397-2802) oder
Elisabeth (Lisa) Lyons (elyons@cell.com, +1-617-386-2121).
Kontakt:
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW)
Prof. Alex Greenwood, +49 30 5168 255, greenwood@izw-berlin.de
Steven Seet, +49 30 5168 108, seet@izw-berlin.de
Anke Schumann, +49 30 5168 127, Schumann@izw-berlin.de
www.izw-berlin.de
Zoo Wuppertal
Dr. Arne Lawrenz, +49 202 5633600, Arne.Lawrenz@stadt.wuppertal.de
Freie Universität Berlin, Institut für Virologie
Prof. Klaus Osterrieder, +49 30 2093 6564, no.34@fu-berlin.de
http://dx.doi.org/10.1016/j.cub.2012.07.035 - Veröffentlichung, online ab 16.08.2012 um 18:00 Uhr
http://www.izw-berlin.de
Eisbär Lars
Foto: Zoo Wuppertal/Barbara Scheer
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Modell für die Rekombination und Übertragung von Equine Herpesvirus 1, einem von Zebras stammenden V ...
IZW/Zoo Wuppertal
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Lehrer/Schüler, Studierende, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Eisbär Lars
Foto: Zoo Wuppertal/Barbara Scheer
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Modell für die Rekombination und Übertragung von Equine Herpesvirus 1, einem von Zebras stammenden V ...
IZW/Zoo Wuppertal
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