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12.01.2003 08:03

Strahlungsresistenter Organismus offenbart seinen Schutzmechanismus

Ariela Rosen Publications and Media Relations Department
Weizmann Institut

    Das Geheimnis seiner Staerke ist ein Ring

    Forscher des Weizmann Instituts haben herausgefunden, was das Bakterium Deinococcus radiodurans zum bestgeschuetzten Lebewesen vor Strahlungsschaeden macht. Die DNS der Mikrobe ist zu einem dichten Ring gewunden. Diese Ergebnisse, die am 10. Januar in der Zeitschrift Science erscheinen, loesen ein Raetsel, das die Wissenschaft schon seit geraumer Zeit beschaeftigt hat.

    Das rote Bakterium kann eine Strahlung von 1,5 Millionen Rad aushalten -- tausend Mal mehr als jede andere Lebensform auf der Erde, und dreitausend Mal mehr als der Mensch. Der gesunde Appetit des Bakteriums macht es zu einem verlaesslichen Arbeiter auf Kernmuellhalten, wo es radioaktiven Abfall frisst und in leichter verarbeitbare Produkte umwandelt. Aufgrund seiner extremen Widerstandsfaehigkeit gegenueber jeglicher Belastung wie Trockenheit oder extreme Kaelte zaehlt das Bakterium zu den wenigen Lebensformen, die auch am Nordpol zu finden sind. Wen wundert es da, dass es weltweit so viel Beachtung findet! Kuerzlich spielte es sogar die Hauptrolle in einer Debatte zwischen der amerikanischen Weltraumbehoerde NASA und russischen Wissenschaftlern: Letztere behaupteten, die Mikrobe stamme vom Mars, wo eine hoehere Strahlung herrscht.

    Da die DNS der Teil einer Zelle ist, der durch Strahlung als erster geschaedigt wird, wobei der fatalste Schaden der Bruch beider DNS-Straenge ist, interessierte sich die Forschung vor allem fuer die DNS-Reparaturmechanismen des Bakteriums, um hinter das Geheimnis seiner Widerstandskraft zu kommen. Zellen, auch menschliche Zellen, koennen nur sehr wenige solcher DNS-Brueche reparieren. Mikroben zum Beispiel koennen nur drei bis fuenf solcher Brueche heilen. D. radiodurans hingegen kann ueber 200 Reparaturen durchfuehren. Forscher vermuteten demnach, die Mikrobe muesse ueber besonders wirksame Enzyme zur DNS-Reparatur verfuegen. Eine Reihe von Experimenten zeigte jedoch, dass sich die Reparaturenzyme des Bakteriums von denen herkoemmlicher Bakterien kaum unterscheiden.

    Durch Untersuchungen mit verschiedenen optischen Methoden und Elektronen-Mikroskopen fand Prof. Avi Minsky der Abteilung Organische Chemie des Weizmann Instituts heraus, dass die DNS des Bakteriums zu einem einzigartigen Ring geformt ist, der verhindert, dass die durch Strahlung abgebrochenen DNS-Stuecke in der Zellfluessigkeit fortgeschwemmt werden. Im Gegensatz zu anderen Organismen, bei denen DNS-Fragmente durch Strahlung verloren gehen, verliert diese Mikrobe ihre genetische Information nicht, weil sie die abgetrennten DNS-Teile -- wenn noetig, zu Hunderten - eng verschlossen im Ring behaelt. Die Fragmente werden schliesslich wieder in der korrekten, urspruenglichen Ordnung in die DNS-Straenge eingefuegt.

    So aufregend diese Ergebnisse sein moegen - sie werden kaum helfen, Menschen vor Strahlen zu schuetzen. 'Unsere DNS ist grundsaetzlich anders strukturiert', sagt Minsky. Die Ergebnisse koennten jedoch zu Aufschluss ueber die Frage geben, wie Spermazellen ihr Erbgut schuetzen, da in ihnen ebenfalls eine ringartige Struktur beobachtet wurde.

    Eine Kiste voller Ueberlebenstricks

    Minskys Team fand ausserdem, dass die Mikrobe bei der DNS-Reparatur zwei Phasen durchlaeuft. Waehrend der ersten Phase repariert sich die DNS selbst wie beschrieben innerhalb des Rings. Dann aber fuehrt sie ein hoechst ungewoehnliches Kunststueck aus.

    Das Bakterium besteht aus vier Kammern, von denen jede eine Kopie der DNS enthaelt. Minskys Gruppe fand zwei kleine Verbindungswege zwischen den Kammern. Nach etwa anderthalb Stunden Reparaturzeit im Ring oeffnet sich dieser und die DNS wandert in eine angrenzende Kammer zu der dort ansaessigen Kopie. Nun setzt ein 'normaler' Reparaturvorgang ein, wie wir ihn sowohl beim Menschen und als auch bei Bakterien kennen: Reparaturenzyme vergleichen beide DNS-Kopien und bessern fehlerhafte Stellen aus. Da die DNS bereits eine Reparaturphase hinter sich hat, in der viele Brueche repariert wurden, kann diese Phase relativ problemlos durchgefuehrt werden.

    Und ein Back-Up-System -- fuer alle Faelle

    Natuerlich fragten sich die Wissenschaftler der Gruppe sofort, wie das Bakterium, dessen DNS zu einem dichten Ring geschlungen ist, unter normalen Bedingungen leben und funktionieren kann. DNS-Straenge muessen sich aufdrehen, um ihre Aufgabe, die Proteinproduktion, zu erfuellen. Wie ist das moeglich, wenn sie sich kaum bewegen koennen? Diese Frage fuehrte zur Entdeckung einer weiteren Ueberlebensstrategie des Mikroorganismus: Von vier Kopien der DNS sind immer zwei oder drei zu einem festen Ring gewunden, waehrend sich die anderen Kopien frei bewegen koennen. So gibt es jederzeit DNS-Kopien, die Proteine produzieren, und andere, die inaktiv, aber gut geschuetzt sind.

    Minsky und andere Forscher glauben, dass sich die beachtlichen Eigenschaften des Bakteriums bei der Anpassung an Belastungen auf der Erde und als Reaktion auf harte Umweltbedingungen entwickelten, unter denen es moeglicherweise entstand. Es ist eine der wenigen Lebensformen, die in extrem trockenen Gebieten gefunden werden. Der einzigartige Schutzmechanismus, der entstand, um sich gegen Austrocknung zu schuetzen, erweist sich auch beim Schutz vor Strahlung als wirksam.

    Deinococcus radiodurans wurde vor Jahrzehnten in Lebensmitteldosen entdeckt, die zur Sterilisierung bestrahlt worden waren. Rote Flecken in den Dosen erwiesen sich als Kolonien des Bakteriums, und bald stellte sich die Frage, wie sie ueberleben konnten. Obwohl diese Frage nun beantwortet ist, werden die Spekulationen ueber den Ursprung dieser Mechanismen sicherlich weitergehen.

    Bilder unter http://wis-wander.weizmann.ac.il/ oder auf Anfrage bei news@weizmann.ac.il

    Prof. Abraham Minskys Forschung wird vom Verband der Chemischen Industrie, von Teva Pharmaceuticals, Israel, und vom Helen-und-Milton-A.-Kimmelmann-Zentrum fuer Biomolekulare Struktur und Montage unterstuetzt.
    Prof. Minsky ist Inhaber des Professor-T.-Reichstein-Lehrstuhls.

    Das Weizmann Institut in Rehovot, Israel, gehort weltweit zu den fuhrenden multidisziplinaren Forschungseinrichtungen. Seine 2500 Wissenschaftler, Studenten, Techniker und anderen Mitarbeiter sind in einem breiten Spektrum naturwissenschaftlicher Forschung tatig. Zu den Forschungszielen des Instituts gehoren neue Moglichkeiten im Kampf gegen Krankheit und Hunger, die Untersuchung wichtiger Fragestellungen in Mathematik und Informatik, die Erforschung der Physik der Materie und des Universums und die Entwicklung neuer Werkstoffe und neuer Strategien fur den Umweltschutz.


    Weitere Informationen:

    http://wis-wander.weizmann.ac.il/


    Bilder

    1. Seitenansicht eines Deinococcus radiodurans. Man erkennt zwei Kammern und einen blau gefaerbten DNS-Ring. 2. Deinococcus radiodurans 3. Ausschnitt eines Deinococcus radiodurans. Man sieht die DNS in den vier Kammern.
    1. Seitenansicht eines Deinococcus radiodurans. Man erkennt zwei Kammern und einen blau gefaerbten D ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    1. Seitenansicht eines Deinococcus radiodurans. Man erkennt zwei Kammern und einen blau gefaerbten DNS-Ring. 2. Deinococcus radiodurans 3. Ausschnitt eines Deinococcus radiodurans. Man sieht die DNS in den vier Kammern.


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