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27.08.2014 19:00

Der Ursprung der Solarenergie

Dr. Bernold Feuerstein Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Max-Planck-Institut für Kernphysik

    Borexino schaut zu, wie in der Sonne zwei Protonen verschmelzen

    Mit dem Borexino-Detektor im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor konnten Physiker die beim Verschmelzen zweier Wasserstoffkerne im Sonneninneren entstehenden Neutrinos direkt und in Echtzeit beobachten. Damit ist es zum ersten Mal in der Geschichte der Sonnenforschung gelungen, die Sonnenenergie im Moment ihrer Freisetzung zu messen. Diese Reaktion ist der erste Schritt der Kernfusion in Sternen wie unserer Sonne. (Nature, 28.08.2014).

    Bisherige Analysen der Sonnenenergie beruhten auf Messungen der Sonnenstrahlung, die uns Licht und Wärme bringt. Im Sonneninneren entsteht die Strahlung zusammen mit Neutrinos bei der Fusion von Wasserstoff zu Helium. Der erste Schritt dabei ist das Verschmelzen von zwei Wasserstoffkernen (Protonen) zu einem Atomkern von schwerem Wasserstoff (Deuterium). Diese Reaktion ist Ausgangspunkt einer Kette von thermonuklearen Reaktionen, die etwa 99 Prozent der Sonnenenergie liefern und für die 15 Millionen Grad im Inneren unserer Sonne verantwortlich sind. Die Energie, welche die Sonnenoberfläche zum Leuchten bringt und die wir derzeit wahrnehmen können, ist jedoch bereits vor sehr langer Zeit im Inneren der Sonne freigesetzt worden. Denn im Durchschnitt braucht Strahlung über 100.000 Jahre, um aus dem dichten Sonneninneren an die Sonnenoberfläche zu gelangen.

    Ganz anders verhalten sich die nun gemessenen Neutrinos: Weil Neutrinos mit anderer Materie kaum in Wechselwirkung treten und sich deshalb frei bewegen können, verlassen sie auch das Sonneninnere wenige Sekunden nach ihrer Erzeugung. Sonnenneutrinos aus dem primären Fusionsprozess konnten die Wissenschaftler der Borexino-Kollaboration nun erstmals direkt messen. In den früheren radiochemischen Experimenten GALLEX und SAGE wurden zwar auch solare Neutrinos aus der Wasserstofffusion beobachtet, allerdings konnte man damals nicht deren Energie messen und hatte somit keine Information, aus welchen der Fusionsreaktionen die Neutrinos stammen. Borexino, das auch die Energie der Neutrinos bestimmen kann, hat seit seiner Inbetriebnahme 2007 schon Neutrinos aus den anderen Reaktionen des Fusionszyklus nachgewiesen.

    Das Ergebnis der jetzigen Borexino-Messung ist beruhigend: Ein Vergleich mit der Strahlungsenergie der Sonnenoberfläche zeigt, dass die Energiefreisetzung im Sonneninneren seit mindestens 100.000 Jahren unverändert ist und im Einklang mit aktuellen theoretischen Sonnenmodellen steht. Die Sonne wird uns also weiterhin zuverlässig mit Energie versorgen.

    Da Neutrinos Materie nahezu ungehindert durchdringen, sind zu ihrem Nachweis große und empfindliche Detektoren sowie lange Messzeiten erforderlich. Neutrinos aus der für die Sonnenenergie entscheidenden Kernreaktion zu messen, ist besonders schwierig, weil diese wesentlich weniger Energie haben als alle anderen Sonnenneutrinos. Die jetzt veröffentlichte Beobachtung konnte nur gelingen, weil der Borexino-Detektor einer der radioaktiv reinsten Plätze auf der ganzen Erde ist. Dies wurde durch aufwändige Reinigung der Detektormaterialien erreicht. Dazu kommt eine mehrschichtige Abschirmung, um Störungen durch andere kosmische Teilchen extrem zu reduzieren. Nachgewiesen werden die Neutrinos in Borexino über ihre elastische Streuung an Elektronen in rund 300 Tonnen Szintillatorflüssigkeit. Mehr als 2000 hochempfindliche Lichtsensoren registrieren das dabei entstehende Szintillationslicht.

    Das Borexino-Experiment ist im italienischen Gran-Sasso-Untergrundlabor rund 1400 Meter unter der Erde installiert und misst das Energiespektrum ankommender Neutrinos von der Sonne, aus dem Inneren der Erde oder von entfernten Kernreaktoren. Borexino ist eine Kooperation von Wissenschaftlern aus Italien, Deutschland, Frankreich, Polen, den USA und Russland. Aus Deutschland sind Gruppen von der Technischen Universität München, dem Max-Planck-Institut für Kernphysik Heidelberg (MPIK), von den Universitäten Mainz und Hamburg und von der Technischen Universität Dresden beteiligt. In den kommenden vier Jahren sollen die bisherigen Messungen weiter verbessert und neue Neutrino-Beobachtungen durchgeführt werden, die für die Teilchen- und Astrophysik von großer Bedeutung sein werden.

    Wissenschaftler des MPIK und haben entscheidend zur Konzeption und Realisierung von Borexino beigetragen. Das MPIK konnte dabei seine Expertise in Low-Level-Messtechniken, der Edelgas-Massenspektrometrie, und in der Reinigung von Gasen einbringen und weiterentwickeln und hat wesentliche Komponenten hergestellt. MPIK-Wissenschaftler sind an der Durchführung von externen Kalibrationen sowie der Auswertung und Interpretation der Daten beteiligt.

    Originalveröffentlichung:
    Observation of the neutrinos from primary proton-proton fusion in the Sun,
    Borexino Collaboration,
    Nature 512 (2014) 383, doi: 10.1038/nature13702

    News & Views: What makes the Sun shine, W. Haxton, Nature 512 (2014) 378

    Kontakt:

    Dr. Werner Maneschg
    Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg
    Tel: +49 6221 516287
    E-Mail: werner.maneschg@mpi-hd.mpg.de

    Dr. Hardy Simgen
    Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg
    Tel: +49 6221 516530
    E-Mail: hardy.simgen@mpi-hd.mpg.de

    Prof. Dr. Stefan Schönert
    Physik-Department E15, Technische Universität München
    Tel: +49 89 289-12511
    E-Mail: schoenert@ph.tum.de


    Bilder

    Das Innere des Borexino-Detektors mit den Lichtsensoren zum Registrieren des von Neutrinos ausgelösten Szintillationslichts und die Sonnenoberfläche.
    Das Innere des Borexino-Detektors mit den Lichtsensoren zum Registrieren des von Neutrinos ausgelöst ...
    © Borexino-Kollaboration
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
    Physik / Astronomie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Das Innere des Borexino-Detektors mit den Lichtsensoren zum Registrieren des von Neutrinos ausgelösten Szintillationslichts und die Sonnenoberfläche.


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