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10.06.2004 20:01

Kraftmikroskopie bildet atomare Details mit Abständen von weniger als hundert Picometern ab

Klaus P. Prem Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Augsburg

    Science über Mikroskopiefortschritte an der Universität Augsburg: Zweihundertmillionenfache Vergrößerung und bislang unerreichtes Auflösungsvermögen

    Wie das US amerikanische Wissenschaftsmagazin Science (Science express online-Ausgabe vom 10. Juni 2004) berichtet, hat ein Forscher-Team der Universität Augsburg das räumliche Auflösungsvermögen der Mikroskopie weiter verbessert (S. Hembacher, F.J. Giessibl, J. Mannhart, "Force microscopy with light atom probes", Science express online-Ausgabe vom 10. Juni 2004). Die Wissenschaftler bildeten ein einzelnes Wolframatom mit einem Rasterkraftmikroskop ab und fanden innerhalb des Atoms vier Bereiche erhöhter Elektronendichte die in den Bildern als Elektronenwolken erscheinen (Abbildung 1). Bei einer Breite des Bildes von 5 cm entspricht die Vergrößerung dem zweihundertmillionenfachen. Das Auflösungsvermögen des Bildes beträgt 77 pm, ein bislang unerreichter Wert. Die abgebildete Elektronenstruktur hat ihren Ursprung in den quantenmechanischen Eigenheiten des kristallinen Wolframs. Die Kristallstruktur von Wolfram ist kubisch raumzentriert, jedes Wolframatom ist also von acht nächsten Nachbarn umgeben und bildet zu diesen Bindungen mit lokal erhöhten Elektronendichten aus. Von diesen acht Elektronenwolken können vier Wolken an der Kristalloberfläche beobachtet werden.

    DIE ROLLE VON SONDE UND PROBE EINFACH UMGEDREHT

    In der Rasterkraftmikroskopie werden die zu untersuchenden Proben mit einer sehr feinen Spitze mechanisch abgetastet. Aus der räumlichen Variation der Kräfte zwischen Probe und Spitze wird das Mikroskopiebild gewonnen. Um die bestmögliche Auflösung zu erhalten, war es für die Forscher wichtig, als atomare Sonde ein sehr kleines, leichtes Atom zu verwenden. Kohlenstoffatome in Graphitkristallen sind hierfür hervorragende Kandidataten. Da Graphitkristalle eben sind, drehten die Wissenschaftler die Rolle von Sonde und Probe einfach um: das aus einer scharfen Wolframspitze herausragende letzte Atom wird von einem leichten Kohlenstoffatom des Graphits abgebildet. Dieser Fortschritt wurde durch mehrere Innovationen ermöglicht:

    AUSWERTUNG DER OBERSCHWINGUNGEN

    Die zwischen der Spitze und der Probe wirkende Kraft wurde bislang entweder durch die statische Durchbiegung eines die Spitze tragenden Federbalkens oder durch die Frequenzänderung eines schwingenden Federbalkens (in Abbildung 2 oben links) gemessen. Eigentlich interessiert man sich aber nicht für die gesamte zwischen Spitze und Probe wirkende Kraft, sondern nur für den Anteil zwischen dem Atom, das aus der Spitze am weitesten hervorsteht (Frontatom) und dem ihm nächsten Probenatom. Ein zentrales Problem der Kraftmikroskopie ist das Herauslösen des Frontatom-Beitrags. Anstatt einer statischen Durchbiegung oder einer Frequenzänderung werden in diesem Experiment Oberschwingungen des Federbalkens ausgewertet, die durch die Wechselwirkung zwischen Spitze und Probe entstehen. Diese Oberschwingungen reagieren auf die kurzreichweitigen inneratomaren Kräfte wesentlich empfindlicher als die statische Durchbiegung des Balkens oder seine Frequenzänderung.

    5 GRAD ÜBER DEM ABSOLUTEN TEMPERATURNULLPUNKT IM ULTRAHOCHVAKUUM

    Das Experiment wurde in einem neuartigen Mikroskop (Abbildung 3) durchgeführt, das auf eine Temperatur von nur 5 Grad über dem absoluten Temperaturnullpunkt abgekühlt ist. Außerdem arbeitet das Instrument im Ultrahochvakuum mit einem Druck von etwa 1x10^-13 einer Atmosphäre. Das Mikroskop ist auf ein 30 t schweres Fundament gebaut und von externen Störungen wie etwa Schall und elektromagnetischen Störfeldern durch eine metallische Schallschutzkammer isoliert. Der Aufbau dieses Mikroskops am Institut für Physik der Universität Augsburg wurde durch ein langfristiges gemeinsames Forschungsprojekt (EKM) des Freistaats Bayern und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung mit einer Projektbetreuung durch das VDI gefördert.

    AUFLÖSUNG GEGENÜBER DEM JAHR 2000 VERDREIFACHT

    Bereits im Jahr 2000 fand die Forschergruppe Strukturen innerhalb einzelner Atome - siehe Giessibl, Hembacher, Bielefeldt, Mannhart, "Subatomic Features on the Silicon (111)-(7x7) Surface Observed by Atomic Force Microscopy", Science 289, 422, 2000. Die damaligen Ergebnisse wurden auf Silizium erzielt, einem Material das ausgeprägte kovalente Bindungen zeigt, mit einem großen Abstand der beiden Ladungskeulen von etwa 230 pm. Im neuen Experiment ist die räumliche Auflösung verdreifacht, zudem wurde der kovalente Bindungscharakter erstmals in einem Metall abgebildet.

    Verbesserungen der Mikroskopie waren in vielen Fällen die Grundlage für wesentliche Fortschritte in den Naturwissenschaften. Es wird erwartet, dass auch diese Weiterentwicklung der Rasterkraftmikroskopie von großem Nutzen für die Nanotechnologie sein wird.

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    KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN:
    Lehrstuhl für Experimentalphysik VI/EKM
    Institut für Physik der Universität Augsburg
    D-86135 Augsburg
    Telefax: +49-821-598-3652
    * PD Dr. Franz Gießibl
    Telefon: +49-821-598-3675
    franz.giessibl@physik.uni-augsburg.de
    * Prof. Dr. Jochen Mannhart
    Telefon: +49-821-598-3650
    jochen.mannhart@physik.uni-augsburg.de
    * Dr. Stefan Hembacher
    Telefon: +49-821-598-3662
    stefan.hembacher@physik.uni-augsburg.de
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    FORCE MICROSCOPY RESOLVES ATOMIC DETAILS LESS THAN 100 PICOMETERS APART

    Science, the Washington-based scientific news journal reports in its June 10th online edition of Science Express about a breakthrough in the resolving power of microscopy achieved by a team of physicists at Augsburg University (S. Hembacher, F.J. Giessibl, J. Mannhart, "Force microscopy with light atom probes", www.scienceexpress.org, 10 June 2004). The scientists have imaged an individual tungsten atom by atomic force microscopy and found four distinct peaks that are attributed to highly located electron clouds (Fig. 1). A printed image width of 5 cm corresponds to a magnification of two hundred million. A world-record resolution of 77 pm is demonstrated. The electron structure originates from the quantum-mechanical nature of tungsten bonding. Tungsten develops a body centered cubic crystal structure such that every tungsten atom is surrounded by eight nearest neighbor atoms, causing "arms" of increased charge density which point to the next neighbors. Four of these highly localized electron clouds are visible on surface atoms.

    Reversing the role of tip and sample

    Atomic force microscopy (AFM) works by mechanically profiling samples with extremely sharp tips. An image is created by recording the spatial variations of tip-sample forces. For optimal resolution, the imaging tip atom should be small. Carbon atoms in graphite are excellent candidates for probing charge structures within atoms. Because graphite has planar surfaces, the role of tip and sample is switched in the experiment: the front atom in a sharp tungsten tip is imaged by a light carbon atom of a graphite surface. This progress is possible because of several innovations:

    Detecting higher harmonic oscillations

    So far, the force between tip and sample was detected by the deflection of a cantilever beam that holds a sharp tip or by the frequency change of the oscillating cantilever (see Fig. 2). Ideally, AFM would not map the total force that acts between tip and sample, but only the contribution of the tip's front atom. The isolation of the front atom contribution has been a central problem in AFM. Instead of measuring static deflections or frequency changes, higher harmonics triggered by tip-sample forces are analyzed in the improved technique. These higher harmonics are much more sensitive to short-range interactions than the previously used signals.

    Taking data at temperatures 5 degrees above absolute zero temperature

    The experiment was conducted with a new microscope that is cooled to a temperature of 5 degrees Kelvin and it operates at a pressure of 10^-13 of an atmosphere. The microscope sits on a 30 t foundation and is isolated from sound and electromagnetic stray fields by a metal chamber. The setup of the microscope at the Physics Institute of Augsburg University was funded by a joint research project (EKM) of the state of Bavaria and the federal Bundesministeriums für Bildung und Forschung, managed by VDI.

    Already in 2000, the group found structures within single atoms (Giessibl, Hembacher, Bielefeldt, Mannhart, "Subatomic Features on the Silicon (111)-(7x7) Surface Observed by Atomic Force Microscopy" Science 289, 422, 2000). These results have been observed on Silicon, a material that displays pronounced covalent bonding with large distances of 230 pm between lobes. In the new experiment, the resolution is increased threefold, and the covalent character of metal bonding has been imaged for the first time.

    In many cases, improvements in microscopy have been a foundation for significant further progress in the natural sciences. It is expected that this improvement will also be of great value to nanotechnology.


    Bilder

    Abbildung 1
    Abbildung 1

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    Abbildungen 2 und 3
    Abbildungen 2 und 3

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Mathematik, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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