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26.01.1999 15:32

Was passiert mit dem deutschen Plutonium?

Inge Arnold Stabsabteilung Presse, Kommunikation und Marketing
Forschungszentrum Karlsruhe in der Helmholtz-Gemeinschaft

    Konzept der Bundesregierung zum Atomausstieg führt in eine unüberschaubare "Plutoniumspeicherwirtschaft"

    Die Pläne der Bundesregierung, in einem neuen Atomgesetz die Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen zu verbieten und nur noch die direkte Endlagerung zuzulassen, hat eine Reihe von technischen Konsequenzen, die bisher in der überwiegend politisch geführten Diskussion völlig vernachlässigt wurden. Bis zum Jahr 2000 werden in deutschen Kernreaktoren rund 80 Tonnen Plutonium in abgebrannten Brennelementen angefallen sein. Schon jetzt muß Deutschland rund 30 Tonnen reines Plutonium entsorgen. Dieses Plutonium soll nach den heutigen Diskussionen über den neuen Atomgesetz-Entwurf der direkten Endlagerung zugeführt werden. Das bedeutet, daß es irgendwo in Deutschland einen Plutoniumspeicher geben wird, der mindestens 80 Tonnen Plutonium enthält. Wer kann für die Sicherheit dieses Speichers über Jahrzehnte und Jahrhunderte bei wechselnden Gesellschaftsformen garantieren? Wie kann man über Jahrtausende den vollen Erhalt der Informationen über die Sicherheit des Plutonium-Endlagers gewährleisten?

    Derzeit lagern in den Wiederaufarbeitungsanlagen LaHague und Sellafield rund 30 Tonnen reines Plutonium, die aus aufgearbeiteten deutschen Brennstäben angefallen sind und die von Deutschland wieder zurückgenommen werden müssen. Dazu kommen 2 Tonnen Plutonium, die in Form von unbestrahlten SNR-300 und KNK-II Brennelementen in Hanau lagern. Bezüglich einzuhaltender Sicherheits-standards ist dieses Material genauso zu behandeln wie die jeweils 50 Tonnen Plutonium aus amerikanischen und russischen Atomwaffenarsenalen. In den USA werden für die Ent-sorgung des Waffenplutoniums nur zwei Verfahren zugelassen, um den von der Inter-nationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) geforderten Sicherheitsstandard aufrechtzu-erhalten: Entweder die Mischung des Plutoniums mit Hochradioaktivem Abfall (HAW = High Active Waste) und anschließende Verglasung oder die Verarbeitung zu Mischoxid (MOX)-Brennelementen mit anschließender Rückführung in Kernreaktoren. Für das erste Verfahren liegen in Deutschland keine Erfahrungen vor, die zweite Variante, mit der Deutschland weltweit die meisten Betriebserfahrungen besitzt, ist bei einem schnellen Ausstieg aus der Atomenergie nicht zu realisieren. Dazu kommt, daß es für die direkte Endlagerung dieses Plutoniums bisher kein Konzept für die Spaltstoffüberwachung (sogenannte Safeguards) durch die IAEO oder Euratom gibt.
    In deutschen Kernkraftwerken fallen beim derzeitigen Betrieb jährlich weitere etwa 4-5 Tonnen Plutonium in den abgebrannten Brennelementen an. Bis zum Jahre 2000 ergibt sich - mit den schon vorhandenen über 30 Tonnen reinem Plutonium - eine Gesamtmenge von rund 80 Tonnen Plutonium in Deutschland. Wenn dieses Plutonium in ein Endlager verbracht wird, müssen ver-schiedene Randbedingungen erfüllt sein, die aus heutiger Sicht schwer vorstellbar sind: Der Plutonium-Speicher muß über Jahrhunderte und Jahrtausende überwacht werden, die Informationen über das Endlager müssen in vollem Umfang erhalten werden. Über sich ändernde Gesellschaftsformen und damit auch von Besitzständen muß die Gefahr des Mißbrauchs wirkungsvoll ausgeschlossen werden. Die glücklicherweise weitgehend friedlich verlaufene Auflösung der früheren Sowjetunion und die damit verbundene Verlagerung der Waffenarsenale zeigt, welche Auswirkungen Veränderungen von Staatsgefügen haben können.
    Professor Dr. Manfred Popp, Vorsitzender des Vorstandes des Forschungszentrums Karlsruhe, bemerkt dazu: "Die Pläne der Bundesregierung, durch eine schnelle Neu-fassung des Atomgesetzes den Ausstieg aus der Atomenergie einzuleiten und gleichzeitig den Ausstieg aus der Wiederaufarbeitung zu forcieren, ließen vielen wissenschaftlich-technischen Fragen in der Diskussion bisher keinen Raum. Wir wollen nicht das Primat der Politik in Energiefragen in Frage stellen, wir müssen aber vor den Folgen von schnellen Richtungswechseln warnen. Es sollten keine überstürzten Entscheidungen von so großer Tragweite getroffen werden, ohne daß die Konsequenzen aufgezeigt und gegeneinander abgewogen wurden."
    Das Plutonium-Problem wird durch einen Vortrag von Professor Dr. Günther Keßler, Leiter des Instituts für Neutronenphysik und Reaktortechnik, und Professor Dr. Jae-Il Kim, Leiter des Instituts für Nukleare Entsorgungstechnik, beide im Forschungszentrum Karlsruhe, im Rahmen der Wintertagung des Deutschen Atomforums am Mittwoch, dem 27. Januar 1999, um 8.30 Uhr, im Hotel Bristol, Bonn, behandelt.
    Joachim Hoffmann 26. Januar 1999


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Elektrotechnik, Energie, fachunabhängig
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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