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03.11.2004 16:27

10 Jahre Online-Journalismus

Volker Schulte Stabsstelle Universitätskommunikation / Medienredaktion
Universität Leipzig

    Als erstes deutsches Medium stellte "Der SPIEGEL" im Herbst 1994 einige seiner Inhalte ins Internet. Der neue Journalismuszweig hat sich inzwischen auch in der Ausbildung an der Universität Leipzig etabliert. Ein Gespräch mit dem Journalistikwissenschaftler Prof. Dr. Marcel Machill.

    Online-Journalismus hat sich nach Ansicht des Journalistikwissenschaftlers Prof. Dr. Marcel Machill zur gleichberechtigten Säule neben Printmedien, Rundfunk und Nachrichtenagenturen entwickelt - auch in der Ausbildung an der Universität Leipzig. Die ersten zehn Jahre des Journalismus im WWW wertete Machill als Erfolgsgeschichte mit Höhen und Tiefen, sieht jetzt im Jahr 2004 aber weiteres Entwicklungspotenzial. Derzeit arbeiten in Deutschland rund 600 Journalisten ausschließlich für das Internet.
    "Die technischen Möglichkeiten des neuen Mediums werden zu wenig ausgeschöpft. Viele Auftritte gleichen 'Bleiwüsten', wie wir sie von Zeitungsseiten kennen: Viel Text, schlecht umbrochen und wenig auflockernde Elemente", so Machill. Das Problem: Professioneller Online-Journalimus braucht eine Redaktion, und das kostet Geld. Viele Nutzer sind aber nicht bereit, für die Internet-Inhalte zu zahlen, und auch die Werbeerlöse sind äußerst schmal. Nach einem vorläufigen Höhepunkt des Internet-Booms zur Jahrtausendwende, als manche Zeitungsverlage eigene Online-Redaktionen gegründet hatten, müssten die Medienhäuser angesichts der Krise nun sparen.
    Als erstes deutsches Medium stellte das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der SPIEGEL" im Herbst 1994 einige seiner Inhalte ins Internet. Im Frühjahr 1995 folgten die überregionale Tageszeitung "taz" und die "Schweriner Volkszeitung". Neben diesen Pionieren hätte es ein Großteil der deutschen Verlage Machill zufolge versäumt, den Internethype richtig zu nutzen, vor allem auch hinsichtlich der Anzeigenplattformen. "Viele haben den Nutzen des Internets zu spät erkannt und sich damit ins Aus manövriert." Im Internet gründete sich rasch eine neue Community, das Angebot reichte von persönlichen Nachrichten bis zu Kleinanzeigen. Das Anzeigen-Monopol der Zeitungen, die sich zu zwei Dritteln aus Annoncen finanzieren, brach damit weg und damit ihre ökonomische Grundlage. Nach einer Studie der Katholischen Universität Eichstätt wurden 1999 bereits 400 Online-Medien in Deutschland registriert.
    Das Internet, gerne als Medium der unbegrenzten Möglichkeiten bezeichnet, hob auch die Grenzen von Raum und Zeit auf und entwickelte sich zur starken Konkurrenz für den Auslandsrundfunk. "Wer in den 80er Jahren in Übersee unterwegs war, schätzte die Berichterstattung der 'Deutschen Welle'. Jetzt seien Informationen aus der Heimat an fast jedem Ort weltweit durch wenige Mausklicks im Internet abrufbar", sagt Machill.
    Ein Grund für den raschen Erfolg des Online-Journalismus sieht Machill auch in den kostenlosen Angeboten. 95 Prozent nutzen das Internet, aber nur noch 52 Prozent lesen eine Tageszeitung. Spiegel-Online zum Beispiel hat eine höhere Reichweite als die gedruckte Version. Einer der prominentesten Nutzer ist Bundesaußenminister Joschka Fischer, der sowohl in seinem Berliner Büro als auch auf Auslandsreisen regelmäßig in das Online-Angebot des Nachrichtenmagazins schaue. "Im Moment ist die Bereitschaft sehr gering, für Online-Inhalte zu zahlen", weiß Machill.
    Der offene Zugang und die aufgehobene, einst eingeengte Vermittlungskapazität bergen aber auch Nachteile. "Eine umfassende Qualitätskontrolle ist unmöglich", sagt Machill. Daher griffen die meisten Nutzer auch im Internet bei der Nachrichtensuche auf bekannte Marken zurück. "Auch Online verlassen sich die Menschen auf angesehene Gatekeeper wie eben den SPIEGEL, das Angebot der Tagesschau-Redaktion oder auch der Bildzeitung bei Boulevard-Informationen."
    Konnte sich das Publikum bei traditionellen Medien nur als Erwiderung in Leserbriefen an die Öffentlichkeit wenden, steht jetzt Journalismus von jedermann auf der Tagesordnung. In so genannten Weblogs, die Tagebüchern gleichen, kann jeder ohne technisches Vorwissen zu extrem niedrigen Kosten publizieren und sich so ein globales Medium aufbauen. Binnen weniger Minuten ist es theoretisch möglich, eine gut machte Website zu veröffentlichen und so eine Millionenleserschaft zu erreichen. Während Weblogs in Deutschland gerade beginnen sich zu etablieren, sind sie in den USA bereits eine feste Größe in der Medienlandschaft. "Aber nicht alles ist wirklich Journalismus, das ist immer auch eine Frage der Qualität. Nicht umsonst bieten wir an der Universität Leipzig eine neun Semester lange Hochschulausbildung zum Diplom-Journalisten an", sagt Machill.
    Seit 2002 spielt Online-Journalismus an der Universität Leipzig eine starke Rolle. Parallel zu den Lehrredaktionen Print, Radio und Fernsehen, in denen angehende Journalisten unter nahezu realen Bedingungen arbeiten, wurde vor zwei Jahren eine Online-Lehrredaktion gegründet. "Das Interesse der Studenten ist sehr groß", so Machill. In einem Forschungsseminar werde derzeit untersucht, inwieweit Nachrichten-Suchmaschinen die manuelle Selektion übernehmen könnten. Mit ersten Ergebnissen wird im Frühjahr 2005 gerechnet.

    tdh


    Weitere Informationen:
    Prof. Dr. Marcel Machill
    Telefon: 0341 97-35758
    E-Mail: machill@uni-leipzig.de
    www.uni-leipzig.de/journalistik/machill


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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