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Wissenschaft
Pflegeexperten stellen Rahmenempfehlungen zum Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz vor
Projekt-Abschlussveranstaltung in Köln:
"Die Perspektive der Menschen mit Demenz in den Mittelpunkt stellen"
Pflegeexperten stellen Rahmenempfehlungen zum Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Menschen mit Demenz vor
Köln (KDA) - 15. Mai 2006 - Die Lebensqualität von Menschen mit Demenz in Alten- und Pflegeheimen kann erheblich gesteigert und der Alltag des sie betreuenden Personals erheblich verbessert werden, wenn pflegerische Maßnahmen wie zum Beispiel Bewegungsförderung und Erinnerungspflege regelmäßig angewendet werden. Demenz-Expertinnen und -Experten haben gemeinsam mit dem Institut für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke und dem Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) Rahmenempfehlungen entwickelt, wie man mit dem "herausfordernden Verhalten" von Menschen mit Demenz umgeht. Diese wurden heute auf einer Pressekonferenz in Köln vorgestellt und im Rahmen einer Tagung mit circa 500 Fachleuten diskutiert.
Nach Schätzungen sind in der stationären Altenpflege etwa 60 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner an einer Demenz erkrankt. Viele von ihnen zeigen dabei - laut internationalen Studien liegt die Häufigkeit zwischen 38 und 76 Prozent - ein so genanntes herausforderndes Verhalten. Darunter werden Verhaltensweisen wie zum Beispiel ein erhöhter Bewegungsdrang mit "Umherwandern", lautes Rufen und Aggressivität verstanden, die die in der Pflege und Begleitung Demenzkranker Tätigen oft als sehr belastend empfinden. Viele stehen diesen Verhaltensweisen hilflos gegenüber.
Aus diesem Grund hat das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) das Institut für Pflegewissenschaft und das KDA beauftragt, wissenschaftlich fundierte Rahmenempfehlungen zu erarbeiten.
"Die Rahmenempfehlungen basieren auf umfangreichen internationalen Literaturrecherchen", erklärt Margareta Halek vom pflegewissenschaftlichen Institut der Universität Witten/Herdecke, die die Literaturauswertung durchgeführt hat. "Zur fachlichen Beratung und Unterstützung der zweijährigen Projektarbeiten ist zusätzlich eine begleitende Expertengruppe mit zehn Fachleuten aus der pflegerischen, sozialen sowie medizinischen Praxis und Wissenschaft eingerichtet worden", so Halek weiter.
Insgesamt wurden sieben Rahmenempfehlungen entwickelt: Verstehende Diagnostik, Assessmentinstrumente, Validieren, Erinnerungspflege, Berührung - Basale Stimulation - Snoezelen, Bewegungsförderung sowie pflegerisches Handeln in akuten psychiatrischen Krisen von Demenzkranken.
"Die verstehende Diagnostik stellt die Perspektive des Menschen mit Demenz in den Mittelpunkt des Pflegeprozesses. Assessmentinstrumente helfen, wichtige individuelle Beobachtungen der Betreuenden zu objektivieren und tragen somit wesentlich zu einer fundierten Grundlage verstehender Diagnostik bei. Eine validierende, wertschätzende Grundhaltung ist gekennzeichnet durch Einfühlungsvermögen in die Situation der Betroffenen, einer Akzeptanz der Demenz sowie der daraus resultierenden Lebensweise", erklärt Prof. Dr. Sabine Bartholomeyczik vom pflegewissenschaftlichen Institut der Universität Witten/Herdecke, die das BMG-Projekt geleitet hat, die Besonderheiten der einzelnen Rahmenempfehlungen. Erinnerungspflege sei wichtig, weil das Erinnern lebensgeschichtlicher Ereignisse und gelebter Beziehungen die Identität und das soziale Zugehörigkeitsgefühl stärke. "Wir empfehlen auch den behutsamen Einsatz von Berührungen, Basaler Stimulation und Snoezelen, weil man Menschen mit Demenz auch im fortgeschrittenen Stadium auch über ihre Sinne ansprechen und erreichen kann", so die Pflegewissenschaftlerin weiter. Sie und die anderen Mitglieder der Expertenrunde sprechen sich auch dafür aus, dass Bewegungsförderung in alle täglichen Aktivitäten integriert wird, wobei sie von täglich mindestens einer "halbstündigen durchgängigen Bewegungssequenz" ausgehen. In Bezug auf akute psychiatrische Krisen bei Menschen mit Demenz empfiehlt die Expertengruppe einen wertschätzenden und akzeptierenden Umgang. "Es sollte versucht werden, das dem Verhalten zu Grunde liegende Gefühl zu thematisieren, um so von der Handlung abzulenken, ohne die Betroffenen in ihrer Realität zu kontrollieren", erklärt Diplom-Psychologin und KDA-Pflegefachfrau Christine Sowinski, die ebenfalls zur Expertengruppe gehört, diese Rahmenempfehlung.
"Was viele Pflegende vielleicht schon häufig intuitiv angewendet haben, ist zum Teil richtig, manchmal aber auch nicht. So ist es eine wichtige Regel, Konfrontation zu vermeiden. Der intuitive Impuls, auf eine aggressiv wirkende Äußerung mit Abgrenzung zu reagieren, ist bei Demenzerkrankten oft kontraproduktiv. Der Umgang mit Menschen mit Demenz will gelernt sein. Hier helfen wissensbasierte Rahmenempfehlungen, wie sie im Projekt erarbeitet wurden", verdeutlicht Klaus Besselmann, Fachbereichskoordinator Soziales und Pflege im KDA und ebenfalls Mitglied der Expertengruppe, die Bedeutung des Projekts.
Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an Ines Jonas vom KDA-Fachbereich Öffentlichkeitsarbeit: ines.jonas@kda.de oder Tel.: 0221/931847-0
Kuratorium Deutsche Altershilfe
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Bauwesen / Architektur, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Medizin, Psychologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Studium und Lehre, Wissenschaftliche Tagungen
Deutsch
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