idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Grafik: idw-Logo

idw - Informationsdienst
Wissenschaft

Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
20.12.2011 09:24

Tuberkulose: Erklärung für erfolgreiche Verbreitung multiresistenter Bakterien gefunden

Susanne Weller Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Exzellenzcluster Entzündungsforschung

    Tuberkulose ist nach wie vor eine der wichtigsten Infektionskrankheiten. In den letzten Jahren ist die weltweit zunehmende Medikamentenresistenz des Erregers, dem Mycobacterium tuberculosis, zu einer ernsthaften Bedrohung des Behandlungserfolgs geworden. Ein Forscherteam um Sébastien Gagneux (Basel) und Stefan Niemann (Borstel) hat jetzt heraus gefunden, warum sich die Bakterien so erfolgreich verbreiten können – und liefert damit einen Ansatz für bessere Kontrollmöglichkeiten. Die Ergebnisse der Untersuchung sind in Nature Genetics veröffentlicht: http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/full/ng.1038.html

    Basel / Borstel / Kiel, 20. Dezember 2011 In Deutschland erkranken zirka 4.500 Personen pro Jahr neu an einer Tuberkulose. Die Krankheit wird durch das Mycobacterium tuberculosis ausgelöst und kann normalerweise gut mit Antibiotika bis zur vollständigen Heilung behandelt werden, unbehandelt oder bei Antibiotikaresistenzen kann die Krankheit tödlich verlaufen. Über antibiotikaresistente Bakterien ist bereits bekannt, dass sie oft weniger virulent (d.h. sie haben eine geringere Darwinsche Fitness) als empfindliche (auf Antibiotika reagierende) Erreger sind, weil die Mutationen, die zu den Resistenzen führen, einen negativen Effekt auf den normalen bakteriellen Stoffwechsel haben. Damit sinkt die Überlebensdauer der Bakterien, dennoch haben multiresistente Tuberkulosebakterien in den letzten Jahren stark zugenommen. Die Wissenschaftler Sébastien Gagneux, Tropen- und Public Health Institut, Basel (Schweiz), Stefan Niemann, Forschungszentrum Borstel und Mitglied im Exzellenzcluster Entzündungsforschung, und ihre Arbeitsgruppen haben jetzt eine mögliche Erklärung für die erfolgreiche Verbreitung dieser multiresistenten Bakterien gefunden. „Bislang wurde angenommen, dass die weltweite Zunahme der multiresistenten Tuberkulose vor allem auf Probleme in den Gesundheitssystemen zurückzuführen ist. Unsere Resultate deuten nun darauf hin, dass auch biologische Faktoren der Erreger eine Rolle spielen“, erläutert Sébastien Gagneux.

    Die Forscher haben so genannte kompensatorische Mutationen in der RNA-Polymerase entdeckt, die zur einer Verbesserung der Fitness multiresistenter Mycobacterium-tuberculosis-Erreger beitragen, ohne aber zu einem Verlust der Resistenz zu führen. Spezifischer Anteil der Arbeiten aus Borstel war die Untersuchung der Bedeutung dieser Mutation bei einer grossen Anzahl klinischer Isolate. Genomanalysen von multiresistenten Stämmen ergaben, dass Kompensationsmutationen in den Ländern am häufigsten auftreten, in denen das Problem der multiresistenten Tuberkulose am bedeutendsten ist. „Dies deutet darauf hin, dass diese Kompensationsmutationen bei der Übertragung multiresistenter Mycobacterium-tuberculosis-Erreger generell eine wichtige Rolle spielen”, so Stefan Niemann.

    In weiterführenden Studien in Borstel wird nun die Verbreitung von multiresistenten Stämmen mit besonders hoher Fitness durch kompensatorische Mutationen in Ländern mit hoher Tuberkulose-Inzidenz untersucht. Diese Erkenntnisse werden es ermöglichen, Kontrollstrategien anzupassen, um der Verbreitung von besonders virulenten und multiresistenten Tuberkulosestämmen entgegenzuwirken.

    Über die Ergebnisse der Studie „Compensatory evolution in rifampicin-resistant Mycobacterium tuberculosis“ berichtet das Fachmagazin Nature Genetics aktuell auf seiner Website. Der Link zum Abstract: http://www.nature.com/ng/journal/vaop/ncurrent/full/ng.1038.html

    Der Exzellenzcluster Entzündungsforschung
    Der Exzellenzcluster Entzündungsforschung, angesiedelt an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, verfolgt einen einzigartigen interdisziplinären Forschungsansatz, um die Ursachen der chronischen Entzündung zu entschlüsseln und Therapien zur Heilung zu entwickeln. Der Forschungsverbund bündelt die Kompetenzen von rund 200 GenetikerInnen, BiologInnen, ErnährungswissenschaftlerInnen und ÄrztInnen der Universitäten zu Kiel und Lübeck, des Forschungszentrums Borstel und des Max-Planck-Instituts Plön. Mehrere Millionen Menschen leiden allein in Deutschland an chronischer Entzündung der Lunge (Asthma), der Haut (Schuppenflechte), des Darms (Morbus Crohn) und des Gehirns (Morbus Parkinson). Auslöser ist eine Fehlsteuerung des Immunsystems: Unaufhörlich aktiviert es entzündliche Botenstoffe und Abwehrzellen und zerstört dadurch gesundes Gewebe. Dieses Phänomen der modernen Zivilisation ist zur Herausforderung für die Medizin des 21. Jahrhunderts geworden. 2007 erklärten deshalb die Bundesregierung und die Deutsche Forschungsgemeinschaft die Entschlüsselung des komplexen Entzündungsmechanismus zu einem nationalen wissenschaftlichen Schwerpunkt.

    Pressekontakt Exzellenzcluster Entzündungsforschung: Susanne Weller, M: +49.172.308 41 36, E: s.weller@weller-media.com


    Bilder

    Stefan Niemann, Forschungszentrum Borstel
    Stefan Niemann, Forschungszentrum Borstel
    Foto: Stefan Niemann
    None

    Sébastien Gagneux, Tropen- und Public Health Institut, Basel
    Sébastien Gagneux, Tropen- und Public Health Institut, Basel
    Foto: Sébastien Gagneux
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Medizin
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).