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04/21/2015 12:51

Das Floß auf der Zellmembran

Dr. Florian Aigner Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien

    Einem lange umstrittenen Rätsel der Zellmembran kam man an der TU Wien auf die Spur: Die molekularen Flöße, sogenannte „Lipid Rafts“, die angeblich über die Membran der Zelle wandern, gibt es nicht.

    Wie ein Floß, das durch das Wasser gleitet, sollen sich winzige Gebilde aus Fettmolekülen und Proteinen angeblich ihren Weg durch unsere Zellmembranen bahnen. Diese „Raft-Hypothese“ galt seit Jahren als weitgehend akzeptiert. Untersuchungen an der TU Wien zeigen nun allerdings: In lebenden Zellen gibt es die lange gesuchten „Lipidflöße“ gar nicht. Dieses Ergebnis wurde nun im Fachjournal „Nature Communications“ publiziert.

    Die Zellmembran ist im Fluss

    „Die Zellmembran, die äußere Hülle der Zelle, darf man sich nicht wie eine statische, feste Oberfläche vorstellen“, sagt Eva Sevcsik von der Biophysik-Gruppe am Institut für Angewandte Physik der TU Wien. „Die Membran ist sehr fluide, ihre Moleküle, also Lipide und Proteine, bewegen sich ständig.“

    Die Proteine können bestimmte Funktionen haben: sie dienen etwa als Andockstationen für Stoffe von außen, oder als Kanäle, die Moleküle ins Innere der Zelle leiten. Weil verschiedene Proteine einander oft beeinflussen, lag die Vermutung nahe, dass sie sich auch gemeinsam durch die Membran bewegen – wie ein Nano-Floß, das über die Oberfläche der Zelle gleitet.

    Diese Hypothese gewann unter Zellbiologen zunehmend an Popularität, und die „Rafts“ werden mittlerweile mit einer Vielzahl an zellulären Prozessen in Verbindung gebracht. Das Problem dabei: Indizien für diese Hypothese gibt es nur aus Studien an Modellsystemen oder toten Zellen. Direkt beobachten ließen sich diese Flöße in einer lebenden Zelle bisher nie.

    Als Grund dafür wurde angenommen, dass die Flöße zu klein und kurzlebig sind, sodass sie mit konventionellen Mikroskopietechniken nicht detektiert werden können. In den Biophysik-Labors der TU Wien ging man diesem Rätsel nun mit einer Kombination an modernsten Techniken auf den Grund: „Einerseits verwenden wir hochsensitive Mikroskopietechniken, mit denen wir einzelne Moleküle beobachten. Andererseits können wir mithilfe von mikro- und nanostrukturierten Oberflächen die Zellmembran von außen beeinflussen“, erklärt Eva Sevcsik. „Daher waren wir in der Lage, die Organisation der Zellmembran mit einer komplett neuen Herangehensweise zu erforschen“.

    Molekulares Lego

    Dabei werden Oberflächen mit einer speziellen Mikrostruktur ausgestattet, auf der man menschliche Zellen züchten kann, die auf diese Struktur reagieren. „Das ist wie molekulares Lego“, sagt Eva Sevcsik. „Wir platzieren auf der mikrostrukturierten Oberfläche molekulare Bausteine, die genau zu bestimmten Proteinen in der Zellmembran passen.“ Diese Proteine verteilen sich daher nicht mehr über die gesamte Membran, sie reichern sich genau entlang der vorgegebenen Oberflächenstrukturen an.

    Man kann sich also ein Protein aussuchen, das als wichtiger Bestandteil der gesuchten Nano-Flöße gilt, es an ganz bestimmen Orten festhalten, und beobachten, wie andere Proteine und Lipide darauf reagieren.
    Sichtbar gemacht werden diese mit speziellen Mikroskopie-Techniken: Man platziert in ganz geringen Mengen fluoreszierende Marker an Proteine oder Lipide, und filmt die einzelnen Moleküle dabei, wie sie sich in der Membran bewegen. „Wenn wir die Bewegung einzelner Proteine untersuchen, können wir bestimmen, ob wir es mit Lipidflößen zu tun haben oder nicht“, sagt Eva Sevcsik. „So ein auf unseren Strukturen verankertes Floß würde wandernden Proteinen nämlich mehr Widerstand entgegensetzen als die Umgebung – die Wanderung wäre dort langsamer. In unseren Messungen ist diese Diffusionsbewegung aber überall gleich.“

    Schlechte Karten für die Raft-Hypothese

    Dass sich die Raft-Hypothese so lange halten konnte, obwohl es keine stichhaltigen Beweise für sie gab, ist für Eva Sevcsik gar nicht besonders überraschend: „Es ist verlockend, seine Ergebnisse im Kontext einer anerkannten Hypothese zu interpretieren – ein generelles Problem in der Wissenschaft“, meint sie. „Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, die Raft-Hypothese ganz unvoreingenommen zu prüfen.“

    Die Raft-Hypothese, wie man sie bisher kannte und lehrte, scheint ins Wanken zu kommen. Doch wenn es keine floßartig treibenden Nano-Strukturen in der Zellmembran gibt, gibt es dann andere Mechanismen, die für Ordnung zwischen den Proteinen und Lipiden sorgen? „Möglicherweise spielt das Aktin-Cytoskelett dabei eine wichtigere Rolle als man bisher dachte“, vermutet Sevcsik. Es liegt direkt unter der Zellmembran und verleiht der Zelle Stabilität. Seine Funktion will Sevcsik nun mit biophysikalischen Methoden genauer unter die Lupe nehmen.

    Rückfragehinweis:
    Dr. Eva Sevcsik
    Institut für Angewandte Physik
    Technische Universität Wien
    Lehargasse 4, 1060 Wien
    T: +43-1-58801-13486
    eva.sevcsik@tuwien.ac.at


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    Eva Sevcsik im Biolabor der TU Wien
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    Criteria of this press release:
    Journalists, all interested persons
    Biology, Chemistry, Physics / astronomy
    transregional, national
    Research results
    German


     

    Eva Sevcsik im Biolabor der TU Wien


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