Internationale Experten diskutieren in Freiburg über Bakterien, die schwere Magen-Darm-Erkrankungen auslösen
Wer im Urlaub unter Durchfall leidet, hat sich möglicherweise mit einem Campylobacter infiziert. Vor allem aus Spanien, Nordafrika, Indien und Nepal, so haben Experten beobachtet, schleppen Touristen immer wieder den Durchfallerreger ein, der in manchen Fällen bis zum so genannten Guillain-Barré-Syndrom mit lebensbedrohlichen Lähmungserscheinungen, wie etwa der Atmung, führen kann. 600 Fälle des Syndroms kommen jährlich in der Bundesrepublik vor. Auch hier zu Lande sind kontaminiertes Geflügel, unhygienische Melkanlagen und das Baden in Baggerseen Gründe für Campylobacter-Infektionen.
Über neueste Forschungen auf dem Gebiet der Infektionen mit Campylobacter und Helicobacter - deren Bekämpfung durch zunehmende Antibiotikaresistenzen die Wissenschaftler vor neue Herausforderungen stellt - diskutieren rund 700 Experten aus 54 Ländern beim 11th International Workshop on Campylobacter, Helicobacter and Related Organisms, der von Sonntag, den 2. September, bis Dienstag, den 4. September 2001, im Freiburger Konzerthaus stattfindet. Damit ist der Kongress, der die letzten beiden Male in Baltimore und Kapstadt abgehalten wurde, erstmals in Deutschland. Die Vorträge im Konzerthaus beginnen am Sonntag, den 2. September, um 8.15 Uhr, und enden am Dienstagabend, um 18.30 Uhr, mit der Vergabe der Young Scientists Awards.
Die Genom-Sequenzierung sowohl von Campylobacter als auch von Helicobacter hat in Fachkreisen einen Forschungs-Boom an beiden Bakterien ausgelöst. Erst 1982 entdeckt, ist Helicobacter pylori das derzeit am meisten erforschte Bakterium. Rund 50 Prozent der Deutschen, so schätzen Experten, sind mit dem Keim infiziert. Zu Beschwerden muss es nicht zwangsläufig kommen, denn der Erreger kann sich über viele Jahre der Immunabwehr entziehen, bis eine symptomatische Infektion auftritt. Helicobacter sind für Magenschleimhautentzündung sowie für Geschwüre des Zwölfingerdarms und des Magens verantwortlich und können bis zum Magenkrebs führen. Zwischen 60 und 80 bösartiger Magen-Lymphome pro Jahr können durch die Eradikation des Helicobacters, der mit Antibiotika behandelt wird, geheilt werden. Problematisch bei der Therapie vieler Patienten ist die verstärkt auftretende Antibiotika-Resistenz sowohl bei Helicobacter als auch bei Campylobacter, die unter anderem auch durch antibiotikahaltige Tiernahrung begünstigt werden kann. Forscher untersuchen derzeit verwandte Helicobacterarten, die möglicherweise - so haben Studien an Tieren ergeben - Auslöser für ein Leberkarzinom sein können.
Campylobacter haben mittlerweile in Deutschland die Salmonellen als häufigste Durchfallserreger abgelöst. Doch während Salmonellen sich in gut gekühlten Lebensmitteln nicht vermehren, halten sich die eher wärmeempfindlichen Campylobacter bei Kühlschranktemperatur in Hackfleisch bis zu fünf Tagen, in Wasser bis zu einer Woche und in Milch sogar bis zu zwei Wochen. Wissenschaftler sind derzeit dabei, an einer Campylobacter-Impfung zu arbeiten, die Experten für wichtiger halten, als die Polio-Impfung, die Kinder obligatorisch als Säuglinge bekommen. Komplikationen einer Campylobacter-Infektion können neben dem mit lebensbedrohlichen Lähmungen einhergehenden Guillain-Barré-Syndrom auch Gelenkentzündungen und schwere Dickdarmentzündungen sein.
Allein in den USA wurden 20 Millionen Lebensmittelvergiftungen pro Jahr durch Campylobacter gezählt. Experten fordern daher auch hier zu Lande - wie schon bei der Bekämpfung der Salmonellosen - eine intensive Aufklärung der Verbraucher und zudem Interventionsmaßnahmen, die die Verbreitung des Erregers eindämmen. Das könnte zum Beispiel die Aufzucht von Schlachtgeflügel unter Quarantänebedingungen sein. Die vielfach gewünschte Freilandhaltung von Geflügel sei aus hygienischen Gesichtspunkten nicht realisierbar, so die Experten, da für die Tiere im Freien durch den Kontakt mit frei lebenden Vögeln und Nagetieren, alles wichtige Campylobacter-Infektionsquellen, verstärkte Infektionsrisiken bestehen. Fleisch sollte immer durchgegart werden, denn Untersuchungen in Supermärkten haben gezeigt, dass 60 bis 80 Prozent der Fleischware Campylobacter-Keime enthält. Um Übertragungen durch Milch zu reduzieren, fordern die Wissenschaftler eine Verbesserung der Melkhygiene und warnen zudem davor, Rohmilch zu trinken.
Schuld am erhöhten Infektionsrisiko ist möglicherweise auch unser hoch entwickelter, nahezu keimfreier Lebensstandard: Untersuchungen haben nämlich ergeben, dass Kinder, die in ländlicher Umgebung aufwachsen, ab dem sechsten Lebensjahr kaum Probleme mit dem Keim haben, wenn sie beispielsweise an den Genuss roher Kuhmilch von klein auf gewöhnt sind.
Kontakt:
Professor Dr. Manfred Kist
Leiter des nationalen Referenzzentrums Helicobacter
Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Hermann-Herder-Straße 11
79085 Freiburg
Telefon: 0761/203-6590
Fax: 0761/ 203-6562
E-mail: kistman@sun11.ukl.uni-freiburg.de
Criteria of this press release:
Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Scientific conferences
German
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