Die Unterscheidung einer privaten und einer öffentlichen Sphäre des Lebens ist für westlich geprägte Gesellschaften konstituierend, vor allem für die Organisation des politischen Lebens sowie als Instrumentarium für juristische Entscheidungen - gleichzeitig stellen Öffentlichkeit und Privatsphäre wichtige Lebensbereiche aller Mitglieder einer Gesellschaft dar. Spätestens seit Louis D. Warren und Samuel D. Brandeis in ihrem Artikel A Right to Privacy 1890 eine konzise Definition des Privaten gegeben haben, ist die Unterscheidung von Öffentlichkeit und Privatsphäre Gegenstand der Rechtswissenschaften, Sozialwissenschaften oder auch der politischen Philosophie. Die technischen und sozialen Entwicklungen seit dem Erscheinen des Artikels erfordern nun eine neue Diskussion über das, was die Ausdrücke 'privat' und 'öffentlich' bezeichnen sollen, wie diese beiden Begriffe heute zueinander stehen und worin sie sich unterscheiden. Denn Informations- und Kommunikationstechnologie macht möglich, was bei Jeremy Bentham zwar bereits an- und später bei Michel Foucault weitergedacht wurde, aber doch erst jetzt tatsächlich realisierbar wird: die völlige und allgegenwärtige Überwachung und Kontrolle letztlich jeden Aspekts unseres Lebens.
Wie sich dies auf unsere Gesellschaften und insbesondere auf unser Verständnis der Privatsphäre auswirken wird, ist dabei beileibe nicht klar. Die liberale Auffassung, dass es einen Raum des Privaten geben müsse, damit sich Menschen zu autonomen, selbstbewussten, kritikfähigen und kreativen Personen entwickeln könnten, ist zunächst eine Idee, die eng mit der abendländischen Kultur verbunden zu sein scheint. In anderen Kulturen jedoch finden sich andere, aber funktional äquivalente soziale Umgangsformen, Normen oder Institutionen, die an die Stelle der Privatsphäre treten. Westlich geprägte Gesellschaften werden daher sicherlich bei Umgestaltungen im Raum des Privaten nicht zusammenbrechen, aber sie werden sich verändern.
Entscheidend wird jedoch mit Sicherheit einerseits sein, wie sich in Zukunft die Technologien entwickeln werden, die zur Überwachung und Kontrolle genutzt werden können, andererseits aber, wie sich die betroffenen Menschen und ihre Gesellschaften als Ganzes dazu verhalten werden. Die Verwendung entsprechender Technologien wird beileibe nicht mehr nur von staatlichen Institutionen vorangetrieben, wie dies bspw. in den 1980er Jahren in Deutschland befürchtet wurde, sondern Überwachung und Kontrolle wird zunehmend von privaten Akteuren ausgeübt - von Unternehmen, Arbeitgebern und nicht zuletzt von uns selbst. Insbesondere ökonomische Interessen befördern die Sammlung von Informationen über Konsumenten, Arbeitnehmer oder einfach anderen Personen: wer bspw. das bisherige Konsumverhalten seiner Kunden gut kennt, kann dieses Wissen möglicherweise zur Steuerung zukünftigen Konsums nutzen.
Diesen nur kurz skizzierten Fragen soll in diesem Workshop nachgespürt werden. In Vorträgen und Diskussionen wird versucht werden, sich dem Thema Privatsphäre sowohl aus einer interdisziplinären Perspektive zu nähern - es werden Sozial-, Politik- und Medienwissenschaftler sowie Juristen, Informatiker und Philosophen sprechen - als auch eine kulturübergreifende Position einzunehmen, um unter anderem eine Antwort darauf zu finden, ob Privatsphäre tatsächlich ausschließlich kulturspezifisch gegeben ist oder ob verschiedene Varianten davon existieren, die in unterschiedlichen sozialen Formen auftreten können.
Information on participating / attending:
Date:
02/10/2006 - 02/11/2006
Event venue:
ZiF, Wellenberg 1
33615 Bielefeld
Nordrhein-Westfalen
Germany
Target group:
Scientists and scholars
Relevance:
transregional, national
Subject areas:
Law, Philosophy / ethics, Politics, Religion, Social studies
Types of events:
Entry:
02/02/2006
Sender/author:
Dr. Hans-Martin Kruckis
Department:
Medien und News
Event is free:
no
Language of the text:
German
URL of this event: http://idw-online.de/en/event16181
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