Als die Germanistin Käte Hamburger gegen Ende ihres Lebens einmal zu den Ursachen der hohen wissenschaftlichen Produktivität von Juden in Deutschland befragt wurde, antwortete sie: „Man sprach Deutsch, sprach manchmal besser Deutsch als die Deutschen“. Tatsächlich hatte die deutsche Sprache eine in der Geschichte der europäischen Juden beispiellose Anziehungskraft ausgeübt; die historischen und politischen Bedingungen dieser Anziehung und Anverwandlung haben eine besondere Sprachkultur von Juden ausgeprägt, die literarisch und wissenschaftlich ausgesprochen produktiv geworden ist – auch und insbesondere in den ‚Geisteswissenschaften‘, wie sie sich um 1900 ausbilden.
Hier, in einer spezifisch ‚deutschen‘ Form der Wissenschaft, zeigen sich sowohl die Probleme jüdischen Sprechens in Deutschlands wie auch die Potentiale und Grenzen der ‚Geisteswissenschaften‘. Denn das Verhältnis der Geisteswissenschaften zur Sprachlichkeit ist von denselben Ambivalenzen geprägt wie das Verhältnis der deutschen ‚Kulturnation‘ zu ihrem ‚anderen‘: Einerseits sind die Geisteswissenschaften gerade darum bis heute wichtig, weil ihnen die Sprache nicht nur ein Hilfsmittel, sondern zentrales Medium des Wissens ist. Andererseits wird in ihnen ‚die Sprache‘– emphatisch betont und oft ontologisiert – nicht selten als eine einige, einzige, und homogene gedacht.
Die jüdischen Geisteswissenschaftler sahen sich daher in einer ambivalenten Situation: Zum einen erschien das Verstehen deutschen Geistes ein Weg zur oft ersehnten Integration, auf der anderen Seite wurde die spezifisch jüdische Sprachkultur dabei latent oder auch manifest negiert. Diese prekäre Lage erwies sich kulturell und wissenschaftlich als außerordentlich produktiv und kann als entscheidender Faktor für den zentralen Beitrag jüdischer Wissenschaftler zur Erfolgsgeschichte der Geisteswissenschaften gelten.
Die Konferenz wird die Bedingungen und Voraussetzungen der kulturellen Produktion von Juden im Feld der Geisteswissenschaften diskutieren. Sie soll anhand von exemplarischen Fallstudien einzelne Wissenschaften und Wissenschaftler untersuchen und insbesondere herausarbeiten, wie dabei der je bestimmte Umgang mit Sprache im Rahmen der deutschen Sprachkultur von Juden epistemologisch fruchtbar wird. Sie soll über die Bedeutung der Sprachlichkeit für die ‚Geisteswissenschaften‘ reflektieren und damit zur aktuellen Diskussion über Deutsch als Wissenschaftssprache ebenso beitragen wie zur Debatte über die Geisteswissenchaften.
Vortragende u.a.: Birgit Erdle, Andreas Kilcher, Christoph König, Vivian Liska, Thomas Meyer, Hinrich Seeba, Martin Treml, Sigrid Weigel, Liliane Weissberg
Die Tagung wird organisiert von Daniel Weidner (ZfL) und Stephan Braese (Aachen), mit freundlicher Unterstützung der Axel Springer Stiftung http://www.axelspringerstiftung.de/.
Information on participating / attending:
Date:
01/17/2013 10:00 - 01/19/2013 18:00
Event venue:
ZfL, Schützenstr. 18, 10117 Berlin, 3. Et., Trajekte-Tagungsraum 308
10117 Berlin
Berlin
Germany
Target group:
Scientists and scholars, Students
Email address:
Relevance:
international
Subject areas:
Cultural sciences, Language / literature, Social studies
Types of events:
Conference / symposium / (annual) conference
Entry:
09/27/2012
Sender/author:
Sabine Zimmermann
Department:
Zentrum für Literatur- und Kulturforschung Berlin (ZFL)
Event is free:
yes
Language of the text:
German
URL of this event: http://idw-online.de/en/event41094
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