Die Fraunhofer-Gesellschaft leidet seit Jahren unter der Bindung an das Vergütungssystem des öffentlichen Dienstes. Sie ist dadurch bei der Einwerbung von Führungskräften gegenüber der Industrie immer weniger wettbewerbsfähig. Jetzt bahnt sich ein Durchbruch zu leistungsorientierter Vergütung an.
»Die tun so, als ob sie uns bezahlen, und wir tun so, als ob wir arbeiten.« Dieses geflügelte DDR-Wort bringt auf den Punkt, was geschieht, wenn Lohn und Leistung entkoppelt werden. Die Fraunhofer-Gesellschaft fordert deshalb seit Jahren ein auf ihre Belange zugeschnittenes Vergütungssystem als wesentlichen Faktor für eine weitere Steigerung ihrer Effizienz. Wesentliche Merkmale sind wirtschaftsähnliche Vergütungen und die Flexibilisierung der Beschäftigungsverhältnisse.
Diese Forderung stieß bislang auf ein Dogma, die Lehre vom Besserstellungsverbot. Danach darf niemand, der in öffentlich geförderten Organisationen arbeitet, besser vergütet werden als Angehörige des öffentlichen Dienstes selbst. Für Führungskräfte übersetzt sich das in die C-Besoldung des Hochschulbereichs oder die B-Besoldung der oberen Ministerialbürokratie; für alle anderen gilt der Bundesangestelltentarif. Diese Vergütungssysteme sind keineswegs schlecht, aber auf lebenslange, unbefristete Beschäftigung bei einem Arbeitgeber angelegt, wenig leistungsbezogen und außerhalb des klassischen öffentlichen Dienstes kaum wettbewerbsfähig.
Nun erhält jedoch die Fraunhofer-Gesellschaft wichtige Unterstützung bei ihrem Anliegen: Die vom Forschungsministerium eingesetzte Kommission zur Evaluierung der Fraunhofer-Gesellschaft unterstreicht in ihrem Bericht den Zusammenhang zwischen Effizienz und leistungsgerechter und wettbewerbsfähiger Vergütung. Sie empfiehlt der Bundesministerin daher, die Fraunhofer-Gesellschaft aus dem Besserstellungsverbot auszunehmen und wirtschaftsorientierte Vergütungen zuzulassen. Zum selben Ergebnis kommt eine Betriebswirtschaftliche Projektgruppe für Unternehmensentwicklung, München, die Vergütungen von Führungskräften der Fraunhofer-Gesellschaft mit erfolgreichen Wettbewerbern im europäischen und amerikanischen Ausland verglich.
Da die Fraunhofer-Gesellschaft nicht nur hochqualifizierte Führungskräfte, sondern auch motivierte Mitarbeiter benötigt, möchte sie zugleich vom Bundesangestelltentarif zu einem privatwirtschaftsähnlich ausgestalteten Haustarif übergehen. Der Gesamtbetriebsrat hat seine Unterstützung zugesagt.
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, ist bereit, einen solchen Weg in Betracht zu ziehen. Entscheidend ist, daß die öffentliche Hand nicht zusätzlich belastet wird: Die Fraunhofer-Gesellschaft will die Mehrkosten ausschließlich aus Wirtschaftserträgen finanzieren. Offen ist indessen die Frage: Soll die Fraunhofer-Gesellschaft einen Haustarifvertrag abschließen dürfen, oder einem neuen »Wissenschaftstarif« unterworfen werden?
»Natürlich könnte man alle Forschungsorganisationen in einen neuen Einheitsanzug stecken«, sagt Dr. Dirk-Meints Polter, Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft für Personal und Recht. »Doch deren Missionen, Märkte und Produkte unterscheiden sich trotz Artverwandtschaft und mancher Überschneidungen erheblich. Entsprechend unterschiedlich sind die Anforderungen und Bedürfnisse. Die Fraunhofer-Gesellschaft wird deshalb die Modalitäten eines Haustarifs sorgfältig ausloten. Diese Vorarbeiten sollen zugleich für einen künftigen `Wissenschaftstarif` fruchtbar gemacht werden. Ziel ist, Wettbewerbsfähigkeit und Effizienz der Fraunhofer-Gesellschaft zu steigern!«
Franz Miller
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