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03/17/2005 12:57

Zwangsarbeit im Bergwerk: RUB-Historiker beleuchten dunkles Kapitel deutscher Geschichte

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Es waren die ausländischen Zwangsarbeiter, die im Ersten und im Zweiten Weltkrieg in den Kohlenbergwerken die Rohstoffgrundlage der deutschen Kriegswirtschaft gesichert haben. Die Strukturen dieser "Zwangsarbeit im Bergwerk" sind jetzt beschrieben und dokumentiert in zwei von Prof. Dr. Klaus Tenfelde und Dr. Hans-Christoph Seidel (Institut für soziale Bewegungen der RUB) soeben herausgegebenen Bänden: Ein Forschungs- und ein Dokumentenband geben erstmals umfassenden Einblick über Zwangsarbeit und Arbeitseinsatz im Kohlenbergbau des Deutschen Reiches und der besetzten Länder.

    Bochum, 17.03.2005
    Nr. 89

    "Zwangsarbeit im Bergwerk"
    Erstmals umfassend dokumentiert und beschrieben
    RUB-Historiker beleuchten Strukturen des Arbeitseinsatzes im Kohlenbergbau

    Kriegsgefangene, deportierte Zivilarbeiter aus besetzten Ländern, Häftlinge aus Konzentrationslagern und so genannte Militärinternierte: Es waren die ausländischen Zwangsarbeiter, die im Ersten und im Zweiten Weltkrieg in den Kohlenbergwerken die Rohstoffgrundlage der deutschen Kriegswirtschaft gesichert haben. Die Strukturen dieser "Zwangsarbeit im Bergwerk" sind jetzt beschrieben und dokumentiert in zwei von Prof. Dr. Klaus Tenfelde und Dr. Hans-Christoph Seidel (RUB) soeben herausgegebenen Bänden: Ein Forschungs- und ein Dokumentenband geben erstmals umfassenden Einblick über Zwangsarbeit und Arbeitseinsatz im Kohlenbergbau des Deutschen Reiches und der besetzten Länder. Das Forschungsprojekt der Bochumer Historiker wird von der RAG Aktiengesellschaft und der Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets gefördert.

    Schlimmes Kapitel deutscher Geschichte

    RAG-Vorstandsvorsitzender Dr. Werner Müller würdigt die "umfassende Untersuchung" nicht nur wegen ihres "hohen wissenschaftlichen und historischen Werts für den deutschen Steinkohlenbergbau. Sie ist vielmehr von Bedeutung für unsere Gesellschaft, indem sie uns auffordert, sich mit diesem schlimmen Kapitel deutscher Geschichte auseinanderzusetzen. Wir sollten die Lehren daraus ziehen und uns jederzeit für den demokratischen Rechtsstaat einsetzen." Der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung Bibliothek des Ruhrgebiets, Dr. h. c. Wilhelm Beermann, der selbst in verschiedenen Positionen im Bergbau gearbeitet hat, hält "die Studie für historisch beeindruckend" und fühlt sich von ihr "persönlich berührt".

    Die Gruben forderten immer mehr Menschen

    Kohle war in beiden Weltkriegen die wichtigste Rohstoffgrundlage der deutschen Kriegswirtschaft. Die Höhe der Kohlenförderung hing wesentlich von der Zahl der eingesetzten Arbeitskräfte ab. Besonders seit Anfang 1942 erhöhte sich die Zahl der Zwangsarbeiter und überstieg die Abgänge deutscher Bergarbeiter zur Wehrmacht. Im Laufe des Jahres 1942 ergänzten allein über 100.000 zivile und kriegsgefangene Zwangsarbeiter aus der besetzten Sowjetunion die Belegschaften des deutschen Steinkohlenbergbaus. Ende 1943 waren über 220.000 sowjetische Zwangsarbeiter in deutschen Steinkohlengruben beschäftigt. Im oberschlesischen Bergbau wurden auch Häftlinge aus den Konzentrationslagern zur Zwangsarbeit herangezogen. Im Sommer 1944 erreichte der Anteil der ausländischen Arbeitskräfte an den Belegschaften etwa 40 Prozent.

    Miserable Lebensverhältnisse im Reich und in den besetzten Gebieten

    Die Lebensverhältnisse der ausländischen Zwangsarbeiter im deutschen Kohlenbergbau verschlechterten sich im Kriegsverlauf erheblich. Hunger, rassistische Diskriminierungen und teilweise körperliche Gewalt durch Vorgesetzte prägten die Zwangsarbeit im Kohlenbergbau. Insbesondere Konzentrationslagerhäftlinge und sowjetische Kriegsgefangene bezahlten die Zwangsarbeit im Bergwerk häufig mit ihrem Leben. Nichtsdestotrotz: Wer zur Zwangsarbeit verschleppt wurde, traf es oft noch besser, als wer "daheim" unter Tage musste: Die Arbeits- und Lebensverhältnisse der einheimischen polnischen, ukrainischen oder russischen Bergarbeiter waren unter der deutschen Besatzung zum Teil schlechter als die Bedingungen für ihre Landsleute, die in das Deutsche Reich deportiert wurden. Das Bochumer Forschungsprojekt hat die Arbeitsverhältnisse in den besetzten Gebieten nun erstmals breit untersucht.

    Zusammenbruch der Kohlenförderung

    Nur durch den Einsatz von Zwangsarbeitern konnte die deutsche Kohlenförderung bis zum Sommer 1944 auf hohem Niveau gehalten werden. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten die Großverbraucher in der Rüstungsindustrie mit ausreichend Kohle beliefert werden. Erst der Verlust der westlichen Kohlenreviere und die Auswirkungen des Luftkrieges führten seit dem Spätsommer 1944 zu massiven Einbrüchen der Kohlenförderung. "Der endgültige Zusammenbruch der deutschen Kohlenwirtschaft vollzog sich im Januar 1945", so Tenfelde und Seidel.

    Titelaufnahme

    Klaus Tenfelde und Hans-Christoph Seidel (Hrsg.): Zwangsarbeit im Bergwerk. Der Arbeitseinsatz im Kohlenbergbau des Deutschen Reiches und der besetzten Gebiete im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Klartext Verlag, 2005, ISBN: Band 1:Forschungen 3-89861-389-5, Band 2: Dokumente 3-89861-390-9. Zwei Bände im Schuber, 79,90 Euro.

    Weitere Informationen

    Institut für soziale Bewegungen, Prof. Dr. Klaus Tenfelde, Tel. 0234/32-24687, E-Mail: klaus.tenfelde@rub.de, Dr. Hans-Christoph Seidel, Tel. 0234/32-22587, E-Mail: christoph.seidel@rub.de, Internet: http://www.rub.de/isb


    More information:

    http://www.rub.de/isb


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    Criteria of this press release:
    Economics / business administration, History / archaeology, Law, Politics, Social studies
    transregional, national
    Research results, Scientific Publications
    German


     

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