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09/30/1997 00:00

1. Transplantation bei Typ II-Diabetiker

Dr. Josef König Dezernat Hochschulkommunikation
Ruhr-Universität Bochum

    Bochum, 30.09.1997 Nr. 173

    Erstmals Bauchspeicheldrüse bei Typ-II-Diabetes transplantiert Zielkonflikte auf langen Wartelisten 3. Patientenseminar für Diabetiker an der RUB

    Zum ersten Mal haben Ärzte einem Typ-II-Diabetiker eine Bauchspeicheldrüse - ganz bewußt - transplantiert, und zwar obwohl dieser Diabetestyp bisher allgemein als nicht geeignet erschien. Das gaben Bochumer Wissenschaftler anläßlich des 3. Patientenseminars (27.09.1997) bekannt. 97% aller Diabetiker gehören diesem Typ an. In den USA gab es schon einige Fälle `versehentlicher' Transplantationen mit gutem Ergebnis. In der RUB-Klinik Knappschaftskrankenhaus Bochum Langendreer nahm ein Ärzteteam an einer 57-jährigen Typ-II-Diabetikerin vor zehn Wochen eine kombinierte Pankreas-Nieren-Transplantation vor. Priv.-Doz. Dr. Martin Büsing, Prof. Dr. Jürgen Klempnauer, Priv.-Doz. Dr. Michael Nauck können im Fall dieser Patientin, aber auch bei normalen Pankreastransplantationen der Typ-I-Diabetiker, ermutigende Ergebnisse vorweisen.

    Bochumer Erfolgsbilanz

    Nierentransplantationen gibt es schon seit 30 Jahren, Bauchspeicheldrüsentransplantationen wegen der Komplikationen durch die Zuckerkrankheit aber erst seit etwa zehn Jahren. Weltweit transplantierten Ärzte über 10.000 Pankreas, über 80% davon in den USA. Erst in den letzten zwei Jahren sind auch in Deutschland die Zahlen gestiegen. Bochum hat daran entscheidenden Anteil: Von 1994 bis Ende 1997 wird die Bochumer Bilanz mehr als 100 Transplantationen von Bauspeicheldrüsen vorweisen. Die Ein-Jahres-Überlebensrate der Transplantate lag in Bochum bei der kombinierten Pankreas/Nierentransplantation bei knapp 90% (weltweit 82%).

    Neue Operationstechniken

    Die Bochumer Ärzte entwickelten neue Operationstechniken, die speziell die Ableitung des Pankreassekrets verbesserten. In keinem Fall wurden Nähte undicht, was eine Infektion hätte auslösen können. Bei bisher sechs Patienten wurde das venöse Blut des Pankreastransplantats direkt in die Leber (portalvenös) abgeleitet, was zu einer vollständig normalen Pankreasfunktion führt. In neun von zehn Fällen konnten die Bochumer Mediziner eine Abstoßungsreaktion - und damit den Verlust des Transplantats - aufhalten. Einzelne Patienten konnten sogar nach einiger Zeit auf eine Immunsuppression mit Cortison verzichten. Schlaganfall und Herzinfarkt, die Haupttodesursachen für Langzeitdiabetiker, traten nach Transplantationen in Bochum nicht auf.

    Die Last der Spätschäden

    Diabetes vom Typ I wird ausgelöst durch den Untergang der insulinproduzierenden Inseln in der Bauchspeicheldrüse. Typ-II-Diabetes entsteht durch Insulinresistenz - bei produzierender Bauchspeicheldrüse. Beide Formen der Zuckerkrankheit rufen Spätschäden hervor: Bei 50% der Diabetiker versagen nach 25 Jahren die Nieren, d.h. sie sind dann auf die Dialyse angewiesen. Die Netzhaut von Zuckerkranken kann sich ablösen, wodurch sie erblinden können. Spätfolgen sind auch Schäden an Nervenfasern, die Lähmungen, Taubheitsgefühle oder Muskelkrämpfe auslösen. Bei Gefäßschäden kann Gewebe absterben, vor allem in den Beinen, aber auch im Gehirn. Schäden an Herzkranzgefäßen können eine Transplantation ausschließen, auch wenn in Bochum vereinzelt schon Bypasspatienten transplantiert worden sind.

    Warteliste, Gerechtigkeit und Zielkonflikte

    Viele Teilnehmer des 3. Bochumer Patientenseminars zur Pankreastransplantation im überfüllten Hörsaal des Knappschaftskrankenhauses hatten eine lange Diabetes-Geschichte hinter sich. Vor allem Fragen zur Warteliste brannten ihnen auf den Nägeln. Einerseits erfuhren sie, daß es medizinisch besser ist, möglichst vor einer ,Dialysepflicht" transplantiert zu werden. Andererseits werden aus Gerechtigkeitsgründen die bevorzugt, die schon jahrelang an der Dialyse auf eine Transplantation warten. Sollte sich einmal eine besonders gute Gewebeverträglichkeit zwischen Spender und Empfänger ergeben, ziehen die Bochumer diesen Fall auch unabhängig vom Listenplatz vor. In mehrfacher Hinsicht hat also der Zufall seine Hand im Spiel.

    Lange Wartezeiten

    Auch der Weg bis zum Wartelistenplatz ist bei manchen lang: Bis ein Arzt seinen Patienten zur Transplantation anmeldet und die notwendigen Voruntersuchungen abgeschlossen sind, kann bis zu einem Jahr vergehen. Dazu der Rat aus dem Auditorium: Die Organisation als Patient selbst in die Hand zu nehmen! Die Wartezeit auf der Liste in Bochum liegt zur Zeit bei 11,3 Monaten. Eine Zahl, die wohl ansteigen wird, wenn auch Typ-II-Diabetiker aufgenommen werden, denn 97% aller Diabetiker sind von diesem Typ. Doch die Transplantationsbedingungen für sie sind streng: Kein Übergewicht, gute Herzkranzgefäße und kräftiger Herzmuskel. Die Patienten des Seminars, die ihre Transplantation schon hinter sich hatten, berichteten in bewegenden Worten von der Wiedergewinnung des normalen Lebens. Denn trotz der neuen Risiken einer lebenslangen Immunsuppression, haben sie nun die Hoffnung auf einen Stillstand oder sogar die Rückbildung diabetischer Spätschäden.

    Weitere Informationen

    Anfragen über Frau Deiss, Transplantationszentrum Bochum in der RUB-Klinik im Knappschaftskrankenhaus Bochum Langendreer, Tel. 0234/299-3260


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
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    German


     

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