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05/03/1999 11:42

Filmregisseure am Drehort: Zwischen Vision und Destruktion

Klaus Tornier Abteilung 2
Universität Hamburg

    Bundesweit einmalige Studie zum "Krisenmanagement am Set"

    Was für einen guten Film gilt, trifft auch auf die Dreharbeiten zu: Ohne Konflikte kein Drama. Worauf führen Regisseure die Schwierigkeiten zurück? Wie gelingt es Filmemachern, Krisen erfolgreich zu meistern? Mit diesen Fragen einer bundesweit einmaligen Studie zum Thema "Krisenmanagement am Set" hat sich Diplom-Psychologin Anne Grobe an der Universität Hamburg befaßt.

    Sie interviewte 17 überwiegend deutsche Spielfilmregisseurinnen und -regisseure, darunter auch sehr bekannte. Die Befragten antworteten sehr offen, weil sie auf absolute Vertraulichkeit setzen konnten. Die Aufrichtigkeit der Akteure macht die Studie tiefgründig.
    Konflikte und ihre Bewältigung gehören zur täglichen Arbeit eines Regisseurs. "Zickige Schauspieler", "heimliche Regisseure im Team" und "Mitarbeiter, die Regieanweisungen ignorieren oder boykottieren" beschreiben nur einen Bruchteil der Probleme, von denen die Interviewten zu berichten wußten. Dabei sind die Schwierigkeiten längst nicht so individuell, wie häufig angenommen wird. Es lassen sich bestimmte Konfliktarbeiten ausmachen, die bei nahezu jeder Produktion auftauchen, zum Beispiel Meinungsverschiedenheiten um die Gestaltung des Films sowie Diskrepanzen zwischen Vision des Regisseurs und kreativem Beitrag eines Mitarbeiters. Auch Disharmonien oder gar Frontenbildung zwischen den verschiedensten Beteiligten, die im schlimmsten Fall zu einer inneren Spaltung des Teams führen können, sind zu nennen.
    Entscheidend ist, ob und wie der einzelne Filmemacher auf solche "Störungen" reagiert. Anne Grobes Befunde widersprechen dem weitverbreiteten Irrglauben, Konflikte seinen von vornherein negativ zu bewerten und damit zu vermeiden. Gerade die kreativsten und witzigsten Ideen resultieren häufig aus einer Meinungsverschiedenheit! Natürlich ist nicht jede Auseinandersetzung am Set dem Ergebnis dienlich. Neben der Fähigkeit, Konflikte produktiv zu nutzen, muß ein Filmemacher ebenso in der Lage sein, der Arbeit Abträgliches einzudämmen. "Destruktive Auseinandersetzungen treiben die Produktionskosten unnötig in die Höhe, zerstören die Atmosphäre und damit die Motivation aller Beteiligten an den Dreharbeiten. Das wiederum kann verheerende Konsequenzen für die Qualität des Films haben. Wenn Konflikte sich verselbständigen und eskalieren, kann im Extremfall der ganze Film kaputtgehen," so Anne Grobe.
    Worin unterscheiden sich Regisseure, die am Set als Autorität anerkannt werden, von jenen, denen ihre Mitarbeiter die Fähigkeit absprechen, ein Team leiten zu können? Die Studie gibt eindeutige Antworten. Ausschlaggebend ist, daß ein Regisseur oder eine Regisseurin für die wesentlichen Konfliktherde am Drehort sensibilisiert ist, sie frühzeitig wahrnimmt und aktiv angeht. Erkennen und Umsetzen des richtigen Verhaltens fallen vielen Filmemachern jedoch schwer. Während Verständnis und Rücksichtnahme auf die Belange eines Mitarbeiters in einer Situation Wunder wirken, kann in einer anderen Lage oder bei einem anderen Gegenüber genau das Gegenteil angebracht sein.
    Die Auswertung der Befragung ergab verschiedene Dimensionen, gewissermaßen die Drahtseile, auf und zwischen denen ein Spielleiter zugleich balancieren muß. "Das Ausmaß der Befähigung eines Regisseurs zu dieser 'Jonglage' entscheidet über seinen Führungserfolg," sagt die Hamburger Psychologin. Ihre Studie widerlegt damit die in Filmerkreisen weithin akzeptierte These, nach der die Regieführung etwas so Einmaliges sei, daß sie keiner Verallgemeinerung oder gar Regelforumulierung zugänglich ist.
    Können die gewonnenen Erkenntnisse für die Praxis nutzbar gemacht werden? Wie in anderen Wirtschaftszweigen, in denen es seit Jahren selbstverständlich ist, externe Moderatoren zu engagieren, lassen sich auch bei einer Filmproduktion etliche Situationen ausmachen, in denen eine Moderation durch einen unparteiischen Dritten ratsam erscheint. Eine solche Tätigkeit als Coach und Konfliktmoderatorin für die Filmbranche bietet Grobe an. Ferner spielt die skizzierte Thematik in der Aus- und Weiterbildung von Regisseuren bisher eine allzu untergeordnete Rolle. In Form von Vorträgen, persönlichem Coaching oder eines "Trainings on- oder auch off-the-job" sollten Filmemacher - wie andere Führungskräfte auch - für Chancen wie Gefahren bei der individuellen Ausübung ihrer Rolle sensibilisiert werden. Kürzlich zeigte sie, daß der Nutzen eines solchen Angebots keineswegs auf die Gruppe der Regisseure beschränkt zu bleiben braucht. Im Rahmen eines Pilotprojekts am Aufbaustudium Film der Universität Hamburg profitierten neben Regiestudierenden auch angehende Produzenten, Kameraleute und Drehbuchautoren von der Zusammenarbeit mit der Psychologin.

    Kontakt: Anne Grobe, Telefon 040/43 18 34 30


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    Criteria of this press release:
    Media and communication sciences, Psychology, Social studies
    transregional, national
    Research results
    German


     

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