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05/03/1999 18:16

Das Herz im Netz - Neues Verfahren zur chirurgischen Behandlung des Herzversagens

Dr. med. Silvia Schattenfroh GB Unternehmenskommunikation
Charité-Universitätsmedizin Berlin

    Weltweite Premiere an der Charité

    AUS DER MEDIZIN FÜR DIE MEDIEN Nr.11 1999

    Patienten mit fortgeschrittener Pumpschwäche des Herzens (Herzinsuffizienz) kann mit Medikamenten letztlich nicht mehr geholfen werden. Lebensrettend wirkte bisher nur noch die chirurgische Maßnahme der Herztransplantation, die aber wegen des bekannten Mangels an Spenderorganen in Deutschland nur 600 Menschen im Jahr zugute kommen kann. An Herzinsuffizienz leiden aber in Europa mindestens 6 Millionen Menschen. Die Suche nach chirurgischen Alternativen zur Transplantation richteten sich in der Vergangenheit meist auf herzunterstützende Pumpen (Kunstherzen). Neuerdings werden aber auch weniger eingreifende chirurgische Möglichkeiten erprobt. Auf einem Symposium in Berlin ("The Heart Failure Epidemic: A Surgical Challenge" 29.4.-15.1999) berichtete der Direktor der Klinik für kardiovaskuläre Chirurgie der Charité, Wolfgang Konertz, über ein weltweit erstmalig von ihm ausgeführtes chirurgischen Verfahren für solche schwerstgeschädigten Patienten. Konertz hat am 23.April 1999 den ersten und seither insgesamt fünf Patienten nach einem Prinzip operiert, das von dem amerikanischen Professor Hanni Sabbah aus Detroit, der auch am Berliner Symposium teilnahm, an Hunden erfolgreich erprobt worden ist. Bei dieser sogenannten "passiven Kardiomyoplastie" wird das kranke, stark vergrößerte Herz mit einem Netz aus Polyester, das dem Material von Damenstrümpfen ähnelt, umhüllt. Das Netz umfaßt das Herz zwischen Herzmuskel und Herzbeutel. Dabei wählt der Chirurg aus den industriell angebotenen sechs verschiedenen Größen eine Paßform aus, die möglichst straff anliegt. Sofern notwendig, kann er durch zusätzliche Abnäher dem Herzen einen "Maßanzug" anpassen. Außerdem reparierte Konertz die bei allen Patienten schlußunfähig gewordene Herzklappe zwischen Vorhof und linker Kammer. Jetzt heißt es abwarten, ob beim Menschen ebenfalls das eintritt, was Sabbah bei Hunden gesehen hatte:
    Innerhalb von drei Monaten nach Anlegen des Netzes trat bei den Tieren nämlich eine deutliche Verkleinerung des zuvor krankhaft weiten Herzens ein. Außerdem nahm die Pumpleistung (die Menge an gepumpten Blut pro Herzschlag) deutlich zu. Dagegen hatte sich das Herz der Hunde, die nicht operiert worden waren, in den folgenen drei Monaten stetig ausgeweitet und gleichzeitig war die Pumpleistung weiter gesunken.
    Die Kompression durch das Netz, so Konertz, bewirkt vermutlich das gleiche wie ein älteres, aber sehr aufwendiges Verfahren. Es bestand darin, einen Rückenmuskel um das Herz zu schlingen, in der Erwartung, durch dessen Kontraktionen die Pumpkraft des Herzens zu erhöhen. Heute vermutet man, daß die Ummantelung des Herzens, ob durch Rückenmuskel oder durch das Polyesternetz, letzlich die Wandspannung der überdehnten Kammer verringert, wodurch sich die Pumpfunktion verbessert.

    Bei einem der fünf Patienten, die das Netz erhielten, hat Konertz diesen Eingriff mit einem schon länger bekannten, aber noch wenig angewandten Verfahren kombiniert, das ebenfalls bei schwerer Herzinsuffizienz eingesetzt werden kann. Dieses Verfahren, die sogenannte Ventrikulektomie oder Batista-Operation, genannt nach ihrem Erfinder, dem brasilianischen Chirurgen José Batista Randos, der auch an der Berliner Tagung teilnahm, entspricht einer chirurgischen Verkleinerung der übermäßig erweiterten linken Herzkammer. Der Chirurg schneidet aus der linken, stark erweiterten Herzkammer, wie aus einer Melone, eine Scheibe von einem Gewicht bis zu 120 Gramm heraus und näht die verbliebenen Ränder wieder zusammen. Während aber Batista die nicht mehr schlußfähige Klappe zwischen Vorhof und Kammer durch eine künstliche ersetzt, macht sich Konertz an die komplizierte Korrektur der Klappe, wo immer dies möglich ist. Das hat den Vorteil, daß der Patient die eigene Klappe erhalten bleibt und damit auch der Klappenhalteapparat in Funktion bleibt. Das sind Muskelfäden, die verhindern, daß die Klappensegel bei Druckentwicklung in der Kammer in den Vorhof umschlagen. Dieses Haltesystem bewirkt auch die typische Form des Herzens. Ohne den Halteapparat entwickelt das Herz eine funktionell ungünstige Kugelform.
    Konertz legt auch Wert darauf, daß die Geometrie des Herzens, das Verhältnis von Länge zu Breite, wiederhergestellt wird und paßt danach das auszuschneidende Segment an. Inzwischen hat er mit einer Serie von 75 Patienten, die er nach dem (technisch variierten) Prinzip von Batista operiert hat, die größte Erfahrung in Europa mit dieser Art der Operation. Seine Patienten waren zwischen 12 und 85 Jahre alt, ihr Herz konnte nur noch etwa 20 % der normalen Auswurfmenge pumpen. 30 Kranke waren Kandidaten für eine Herztransplantation. Nach der "Batista-Operation" verbesserte sich ihre Lebensqualität entscheidend. Auf der Skala für den Schweregrad der Herzinsuffizienz hatten sich zwei Drittel von ihnen vom ungüstigsten Grad IV einer Skala der New Yorker Herzgesellschaft auf Grad I oder II verbessert. Nach einem Jahr waren noch 84 % am Leben, wobei die Rate bei 90 % liegt, wenn es sich um Patienten handelt, die außer ihrem Herzleiden keine weiteren Erkrankungen haben, was etwa bei Kinder vorkommt. Die 2-Jahresüberlebensrate liegt bei 74 % . Das Ergebnis ist bemerkenswert gut, bedenkt man, daß immerhin 30 % von Kranken auf Wartelisten für eine Herztransplantation sterben. Nachdem offenbar, wie Konertz in einem ersten Fall gezeigt hat, die Batista-Operation mit der "passiven Kardiomyoplastie" kombiniert werden kann, ist zu erwarten, daß damit vielen Herzkranken geholfen werden kann, denen keine Transplantation angeboten werden kann und bei denen die Medikamente ausgereizt sind.
    Silvia Schattenfroh

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    Charité
    Medizinische Fakultät der
    Humboldt Universität zu Berlin

    Dekanat
    Pressereferat-Forschung
    Dr. med. Silvia Schattenfroh
    Schumannstraße 20/21
    10117 Berlin

    FON: (030) 2802-2223
    FAX: (030) 2802-3625
    e-mail: silvia.schattenfroh@charite.de


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    Criteria of this press release:
    Medicine, Nutrition / healthcare / nursing
    transregional, national
    Research results
    German


     

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