Juristen-Fachtagung diskutiert Antidiskriminierungsgesetz am 17./18. Juni an der Universität Jena
Jena (13.06.05) Eine Flut neuer Klagen sehen Rechtswissenschaftler mit dem geplanten Antidiskriminierungsgesetz auf die ohnehin schon überlasteten Zivil-, Arbeits- und Verwaltungsgerichte in Deutschland zukommen. "Der vorliegende Gesetzentwurf der Bundesregierung geht immer noch über das in den EU-Richtlinien Geforderte hinaus", erklärt Prof. Dr. Stefan Leible von der Universität Jena. Um die Auswirkungen des neuen Gesetzes auf die künftige Rechtspraxis auszuloten und auf mögliche Rechtsfolgen hinzuweisen, haben Leible und seine Kollegin Prof. Dr. Monika Schlachter Juristen aus der gesamten Bundesrepublik nach Jena eingeladen. Hier richten sie am 17. und 18. Juni das Symposium "Diskriminierungsschutz durch Privatrecht" aus. "Wir wollen dabei aus rechtswissenschaftlicher Sicht den Spielraum benennen, den die Politik bei der Ausformulierung eines Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierungen noch hat", meint Schlachter. Der vorliegende Gesetzentwurf greife in vieler Hinsicht in die Privatautonomie von Vertragsparteien ein und schaffe damit erhebliches Konfliktpotenzial.
"Während das europäische Recht nur die Diskriminierung wegen der Rasse, ethnischen Herkunft und des Geschlechtes in zivilrechtlichen Bereichen wie etwa dem Mietrecht verbietet, will Deutschland eine Benachteiligung auch wegen des Alters, sexueller Identität, Behinderung und Religion ausschließen", erläutert Leible. "Gibt etwa ein Vermieter einem Ehepaar den Vorzug gegenüber einem gleichgeschlechtlichen Paar, können letztere dagegen klagen. Die Beweislast, dass die Entscheidung nicht aufgrund der sexuellen Ausrichtung der Bewerber, sondern aus anderen, vielleicht finanziellen Gründen gefällt wurde, liegt künftig beim verklagten Vermieter", beschreibt der Jenaer Fachmann für Privatrecht ein Beispiel.
Besonders brisant werde das Benachteiligungsverbot im Versicherungsrecht, ergänzt Schlachter. Bisher ist es üblich, dass Frauen etwa bei Lebensversicherungen höhere Prämien zahlen müssen. "Das Geschlecht wird als Risikofaktor nur noch unter besonderen Umständen verwendet werden dürfen. Für die Versicherungen könnte das kostspielige Konsequenzen haben", führt sie aus. Entsprechend heftig sei der Protest der Versicherungswirtschaft gegen das Gesetz ausgefallen. "Allerdings sind die so genannten Unisex-Tarife für andere EU-Mitgliedstaaten nicht neu", sagt Schlachter. "Irland, Schweden oder Großbritannien können damit schon längere Zeit leben".
Auf dem Symposium, zu dem die Jenaer Rechtswissenschaftler etwa 100 Juristen aus Hochschulen, von Gerichten, Kanzleien und Verbänden aus dem gesamten Bundesgebiet erwarten, soll der in Fachkreisen und der Öffentlichkeit strittige Gesetzentwurf diskutiert werden. Der Verhandlungsführer der SPD im Gesetzgebungsverfahren, MdB Olaf Scholz, wird zu Beginn der Veranstaltung die mit dem Gesetz verfolgten Ziele erläutern und über den aktuellen Stand berichten. Außerdem wird u. a. Prof. Dr. Dr. Christian Kirchner von der Humboldt-Universität Berlin seine Erkenntnisse zur Effizienz zivilrechtlicher Diskriminierungsverbote darlegen. Einen Blick zu den europäischen Nachbarn und ihren Erfahrungen mit Benachteiligungsverboten wagt Prof. Dr. Martin Schmidt-Kessel von der Universität Osnabrück.
"Die Rechtswissenschaft darf sich nicht ins stille Kämmerlein zurückziehen, sondern sollte bestehende Vorgaben für den Handlungsspielraum der Politik herausarbeiten", fasst Leible als Ziel des Symposiums zusammen.
Kontakt:
Prof. Dr. Stefan Leible
Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität Jena
Carl-Zeiß-Str. 3, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 942161, Fax: 03641 / 942162
E-Mail: s.leible@recht.uni-jena.de
Criteria of this press release:
Law, Politics
transregional, national
Miscellaneous scientific news/publications, Scientific conferences
German
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