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06/07/1999 10:04

Senat der Universität Heidelberg zu der geplanten Novellierung des Universitätsgesetzes vom 1.6.99

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Der Senat der Universität Heidelberg begrüßt die Absicht der Landesregierung, die Eigenständigkeit und Autonomie der Universitäten zu stärken und diesen damit den Weg zu mehr Leistungsfähigkeit und stärkerer Profilbildung zu öffnen. Der Senat erkennt, daß die Politik den Universitäten Rahmendaten für deren Organisations- und Leitungsstrukturen und deren Weiterentwicklung in Forschung und Lehre setzen kann. Die Universität versteht unter Autonomie, daß die Landesregierung ihr die Eigenständigkeit einräumt, die politisch vorgegebenen Rahmendaten in eigener Verantwortung auszufüllen und umzusetzen. Der Senat hat dies ausdrücklich in seiner Diskussion am 11. Mai ds. Js. mit dem Herrn Minister von Trotha und Mitgliedern seines Hauses betont.

    Der Senat muß aber feststellen, daß den Landesuniversitäten genau diese Autonomie nicht gegeben werden soll, da die Gesetzesnovelle eine einheitliche Organisations- und Leitungsstruktur festschreibt. Daran hat der Minister auch in seiner Diskussion mit dem Senat festgehalten. Zu bedenken ist dagegen, daß der Wettbewerb auch zwischen den Universitäten Verschiedenartigkeit voraussetzt.

    Der Senat nimmt im einzelnen wie folgt Stellung:

    - Mit der Abschaffung zweier gewählter Gremien, nämlich des Großen Senats und des Verwaltungsrats, und der Einführung eines Hochschulrats mit teilweise vom MWK bestellten externen Mitgliedern, die keine Wissenschaftler sein müssen, mit der Wahl des Rektors nur noch im Einvernehmen mit dem MWK sowie der Wahl des Dekans auf Vorschlag des Rektors, beschneidet die Novelle die korporative Selbstverwaltung, um sie durch hierarchische Strukturen zu ersetzen. Insbesondere die Abschaffung des Rechts der Universität, ihren Rektor ohne externen Einfluß und externes Vetorecht zu wählen, verletzt nach Auffassung des Senats das in Art. 20 der Landesverfassung gewährleistete Selbstverwaltungsrecht der Universitäten. Zur korporativen Selbstverwaltung gehört auch die angemessene Mitarbeit der Gruppen in den Gremien.

    - Nach Auffassung des Senats ist die Universität Heidelberg mit ihrer gegenwärtigen Leitungsstruktur für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewappnet. Die Ziele stärkerer Profilbildung, weiterer Erhöhung der Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit, die auch der Senat anstrebt, würden besser erreicht, wenn sich das MWK an die Empfehlungen Nr. 7 und 8 der Hochschulstrukturkommission (HSK) halten würde, den Hochschulen umfassende Organisationsautonomie zu gewähren und den Freiraum, den das neue HRG bietet, an die Hochschulen weiterzureichen.

    - Der Senat befürwortet ein Rektorat mit dem bisherigen Wahlmodus und der Amtszeit des Rektors von vier Jahren.

    Die sechsjährige Amtszeit des Rektors kann nicht akzeptiert werden, weil sie dazu führt, daß sich Professoren, aufgrund ihres Engagements in Forschung und Lehre kaum mehr um dieses Amt bewerben werden. Nach Auffassung des Senats zeigt das erfolgreiche Vorbild der Deutschen Forschungsgemeinschaft, daß Wissenschaft am besten durch Wissenschaftler verwaltet wird. Deshalb sollte den Universitäten die Entscheidungsfreiheit gegeben werden, ihren Rektor nach universitätsinternen Eignungskriterien aus den Reihen ihrer Professoren zu wählen.

    - Die Bestimmung über die Wahl des Dekans nur noch auf Vorschlag des Rektors verletzt das in mehr als 600 Jahren gewachsene Selbstverwaltungsrecht der Fakultäten und wird abgelehnt.

    Ebenso kann die Vorschrift über den hauptamtlichen Dekan nicht akzeptiert werden. Es wird unmöglich sein, Professoren für das Amt des Dekans zu gewinnen, wenn mit der Annahme des Amtes der Verzicht auf die Teilnahme an Forschung und Lehre für vier Jahre verbunden ist. Ein Wiedereinstieg in die Forschung ist nach dieser Zeitspanne äußerst schwierig, wenn nicht sogar unmöglich.

    Die zwangsweise Einführung eines hauptamtlichen Dekans für alle Fakultäten entzieht der Lehre in vermeidbarer Weise Kapazitäten und ist bei Fakultäten, die aus kleinen Fächern bestehen, mit dem Gedanken des "lean management" nicht zu vereinbaren. Ein hauptamtlicher Dekan ist zudem gerade für die Universität Heidelberg nicht erforderlich, weil die Universität in der Umsetzung des Globalhaushalts die Ressourcenverantwortung dezentral auf die Institutsebene verlagert (Projekt IMPULSE).

    - Nach Auffassung des Senats hat sich der Verwaltungsrat als Selbstverwaltungsgremium bewährt.

    Das zeigen gerade in Heidelberg dessen strategische Beschlüsse über die Einrichtung und Ausstattung einer ganzen Reihe innovativer fakultätsübergreifender Zentren und Institute. Das beweist insbesondere auch der Aufbau neuer Leitungsstrukturen infolge des Projektes IMPULSE mit dem Übergang zu der dezentralen Ressourcenverantwortung und einer Kosten-Leistungs-Rechnung.

    Der Senat versteht und akzeptiert die Vorstellung des MWK, verstärkt externen Sachverstand in die Universitäten einzubringen. Die Universität Heidelberg hat dies schon immer bei wichtigen Strukturentscheidungen durch die Einbindung von externem Sachverstand getan. Sie befürwortet die Ergänzung des Verwaltungsrates um externe Mitglieder mit Entscheidungsbefugnis, die von dem Senat gewählt werden.

    - Der Senat hält dagegen den Hochschulrat aufgrund seiner Zusammensetzung und seiner Kompetenzen nicht für ein geeignetes universitäres Gremium.

    Bei einer Zusammensetzung des Hochschulrates aus sechs universitätsexternen und sieben universitätsinternen Mitgliedern gewinnt der externe Einfuß ein unangemessen großes Gewicht, zumal eines der externen Mitglieder den Vorsitz des Gremiums übernimmt. Weder sind die externen Mitglieder irgendeiner Kontrollinstanz verantwortlich, noch werden sie von den negativen Folgen eventueller Fehlentscheidungen jemals persönlich getroffen, da sie der Universität nicht angehören.

    Als Eingriff in die Hochschulautonomie bewertet der Senat die Benennung von vier externen Mitgliedern des Hochschulrates durch das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst sowie die ständige Präsenz eines Vertreters des Ministeriums als Beobachter bei den Sitzungen des Hochschulrates.

    Der Hochschulrat ist in seiner Konstruktion dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft nachempfunden und weist dieselben Schwächen auf, die diese Gremien in der Wirtschaft haben. Diese Schwächen werden umso bedeutsamer, als der vorgesehene Aufgabenkatalog dem Hochschulrat Kompetenzen zuweist, die weit über eine Aufsichtsfunktion hinausgehen und eine maßgebliche Beteiligung an allen strategischen Entscheidungen der Universität begründen. Diese Kompetenzen des Hochschulrates verletzen in erheblicher Weise das Prinzip der organisatorischen Aufteilung von Geschäftsführung und Aufsicht, welches das MWK mit der Novelle an sich stärken möchte. Einige dieser strategischen Aufgaben sollten auf den Senat, andere operative Aufgaben auf das Rektorat übertragen werden.

    Abschließend wiederholt der Senat, daß er die Übertragung von mehr Eigenverantwortlichkeit auf die Universitäten begrüßt. Dazu gehört die Gewährung des Globalhaushaltes, den die Universität Heidelberg mit ihrem Projekt IMPULSE bereits seit zwei Jahren umsetzt. Damit bekennt sich die Universität zugleich zur Mittelverteilung auch nach Leistungskriterien. Kern der Hochschulautonomie ist die eigenverantwortliche Gestaltung wissenschaftlicher Forschung und Lehre. Dazu gehört auch das Recht, in solchen Disziplinen, die nach Ansicht der Fakultäten dazu geeignet sind, die Studiengänge neu zu ordnen und neue akademische Abschlüsse wie Bachelor und Master einzuführen. Die Universität akzeptiert, daß durch regelmäßige Evaluationen die Qualität von Forschung und Lehre langfristig gesichert werden soll.

    Der Senat erwartet jedoch von der Landesregierung und dem Landtag, daß sie die von der Universität Heidelberg, aber auch von den meisten anderen Landesuniversitäten, vorgebrachten Einwände gegen das Einheitsmodell der Leitungsstruktur überdenken und die notwendigen Änderungen der Gesetzesnovelle veranlassen.

    Rückfragen bitte an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de


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    Criteria of this press release:
    interdisciplinary
    transregional, national
    Science policy, Studies and teaching
    German


     

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