Osnabrueck, 2. November 1995 / Nr. 110/95
Einweg-Windeln aus Staerke von Weizen und Mais
Osnabruecker Wissenschaftler arbeiten an umweltfreundlichen Hygiene-Artikeln
Slipeinlagen, Tampons und Baby-Windeln: Der moderne Mensch der westlichen Industrienationen hat Reinlichkeit und Hygiene gleich neben Schoenheit und Reichtum zu den obersten Lebensprinzipien erkoren. Für ihn sind Produkte dieser Art aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.
Was kaum mitbedacht wird: Hygiene-Artikel sind zugleich eine erhebliche Belastung für die Umwelt. "Als Einwegprodukte - das liegt in der Natur der Sache - landen sie nach einmaligem Gebrauch sofort auf dem Muell. Was aber viel gravierender ist: Diese Artikel werden heute fast ausschliesslich aus Erdoelprodukten synthetisch hergestellt und koennen auf natuerlichem Wege nicht abgebaut werden", sagt der Osnabruecker Chemiker Prof. Dr. M. Dieter Lechner. Dabei gehoeren diese Kunststoffe zu "den Produkten mit den hoechsten Wachstumsraten in der chemischen Industrie", so der Wissenschaftler, der am Fachbereich Biologie/Chemie der Universitaet Osnabrueck lehrt und forscht.
Das Ziel von Prof. Lechner und seinen beiden Projektmitarbeitern, dem Diplom-Chemiker Waldemar Lazik und dem Diplom-Physiker Wolfgang Nierling, ist es daher, anstelle von synthetischen Kunststoffen nachwachsende Rohstoffe zu testen und so zu kombinieren, dass sie für die Produktion von Einwegartikeln im Hygienebereich genutzt werden koennen - Wegwerf-Windeln aus der Staerke von Weizen, Mais oder Kartoffeln, Damenbinden oder Krankenbetteinlagen aus der Cellulose von Holz oder Baumwolle. Mit 630.000 Mark wird die Deutsche Bundessttiftung Umwelt dieses Projekt in den kommenden drei Jahren foerdern. Grundlage der Hygiene-Artikel bilden derzeit "wasserliebende" Kunststoffe, sogenannte hydrophile Polymere (griechisch poly = viel, meros = Teil), die die Eigenschaft besitzen, grosse Mengen Fluessigkeit schnell binden zu können, ohne sich - auch unter Belastung - aufzuloesen. Prof. Lechner: "Sie quellen in diesem Fall zu einem koernigen Gel auf, das die Fluessigkeit fest einschliesst. Zugleich koennen Kunststoffe dieser Art, die in der Fachsprache Superabsorber genannt werden, Ammoniak binden, das beim Abbau von Koerperfluessigkeiten entsteht, unangenehm riecht und auf der Haut reizend wirkt." Ueber 200.000 Tonnen Superabsorber werden nach Angaben des Osnabruecker Wissenschaftlers jedes Jahr - bis auf wenige Ausnahmen - kuenstlich hergestellt, davon rund 70.000 Tonnen in Europa. Für die Produktion umweltschonender Superabsorber aus nachwachsenden Rohstoffen setzen die Chemiker auf Polysaccharide. Zu den bekanntesten gehoeren neben Staerke und Cellulose auch Pektine, die in Aepfeln oder Citrusfruechten vorkommen. Gebaut aus langen Ketten einfacher Zuckereinheiten, sind sie ebenfalls Polymere, allerdings natuerlichen Ursprungs, und besitzen damit bereits, so Prof. Lechner, "stark wasseranziehende Eigenschaften". Ihr Nachteil: Bei zu viel Fluessigkeit zerfallen sie in ihre Bestandteile, und der Aufsaug-Effekt geht verloren. Wie Waldemar Lazik erlaeutert, soll dieses Problem durch unterschiedliche Vernetzung verschiedener Polysaccharide ausgeglichen werden, wobei die Wissenschaftler bei dem Vernetzungsprozeß ausschliesslich nicht-toxische Substanzen einsetzen wollen. "Zugleich muessen wir eine Reaktionsmethode entwickeln, die moeglichst effektiv und damit kostenguenstig ist." Weitere Voraussetzung fuer einen erfolgreichen Einsatz von Polysacchariden: Die Rohstoffe muessen, so der Chemiker, von unerwuenschten Begleitstoffen gereinigt werden. Als weniger problematisch wird dagegen die Bereitstellung ausreichender Rohstoffmengen angesehen. Prof. Lechner: "In der Bundesrepublik einschliesslich der neuen Bundeslaender besteht im Zuge der europaweiten Stillegung von Agrarflaechen ein ungenutztes Flaechenpotential von vier bis fünf Millionen Hektar, das nach Schaetzungen von Experten zu rund einem Viertel für die Erzeugung nachwachsender Rohstoffe herangezogen werden koennte." Dabei ergibt sich nach den Worten der Osnabruecker Wissenschaftler ein weiterer positiver Effekt für die Umwelt: Rund eine Millionen Tonnen des für den Treibhauseffekt verantwortlichen Kohlendioxids (CO2 ) lassen sich jedes Jahr einsparen, wenn die Industrie bei der Produktion von Hygiene-Artikeln auf nachwachsende Rohstoffe setzt. Das Team ist daher ueberzeugt: "Auch wenn Entwicklungsprobleme und ein groesserer Herstellungsaufwand zu erwarten sind, koennen auf diesem Weg die Umwelt entlastet und die Ressourcen geschont werden."
Kontaktadresse: Prof. Dr. M. Dieter Lechner Universitaet Osnabrück, Fachbereich Biologie/Chemie, Institut für Chemie Barbarastraße 7, 49069 Osnabrueck, Tel. (0541) 969-2818, Fax (0541) 969-1205
Criteria of this press release:
Biology, Environment / ecology, Oceanology / climate
transregional, national
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German
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